Weiter geht’s
(In der Sprache der Verwaltung, nicht der Poesie – zum Zwecke der Publikation der Schmach)
Der Fortschritt der Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine endlose Krisenfolge, die gegenwärtige Krise als ihre Reinform. Die dieser Krisenfolge, zumal in ihrer jetzigen Gestalt, ganz angemessene Funktions- und Verlaufsweise dieser Gesellschaften ist die Einbindung ihrer Einzelelemente, der Menschen, in die Verwaltung, sei es in Form der statistischen oder staatsbürgerlichen Einbindung, der Einbindung durch Betreuung, der Einbindung durch aktive Teilnahme, der Einbindung durch Recht, der Einbindung als Konsumenten immer neuer Waren. Die Verwaltung arbeitet mit den Mitteln der Abstraktion und Verallgemeinerung, historisch betrachtbar am Beispiel der größeren Kriege des letzten Jahrhunderts oder – dies führt näher an das demokratische Heute – an Beispielen wie der Sowjetunion oder dem Nationalsozialismus, sehr früh allerdings auch schon an den Gesellschaften, die sich mit und seit der Französischen Revolution die Verwirklichung der Menschenrechte vorgenommen haben und dazu sich in aller Regel der politischen Form der parlamentarischen Demokratie bedient haben, einer Form, die unter Behauptung der Gleichheit ihrer Elemente, der Menschen, alternativlos diese zur Verwaltbarkeit modellieren muß. Bekannte Beispiele hierzulande sind die Bismarcksche Sozialgesetzgebung, später die ‚Sozialpartnerschaft‘, die ‚Gewerkschaftsmitglied‘ als handhabbare Verwaltungseinheit zum vorübergehenden Standard machte. Nun sind all diese Beispiele aus Zeiten, in denen der Zug zur Verwaltung noch vor dem Hintergrund und unter Zuhilfenahme (selten gegen Widerstand) von ‚Klassenkämpfen‘, später schon: ‚Klassenauseinandersetzungen‘, später: ‚Interessengegensätzen‘, voran ging. Dies ist seit geraumer Zeit vorbei. Sofern die Verwaltung der Menschen noch in Zusammenhang mit Konflikten in Verbindung steht, werden diese in aller Regel nicht mehr mit Gruppen in Verbindung gebracht, sondern sind individualisiert, vorzugsweise durch Öffnung und Erweiterung des pädagogischen und des medizinischen – vor allem psychologischen – Bereichs der Verwaltung (neuerdings verstärkt auch des ökologisch genannten), oft auch durch Kombination der Möglichkeiten, die diese Bereiche besonders bieten, eben die Möglichkeit der Individualisierung, des Zugangs ‚ad hominem‘, der der verwalteten Seite den Eindruck gibt, unter dem Gebot von Menschenrechten und Gleichheit in seinem spezifischen Elementsein behandelt zu werden. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, indem nach und nach auch die anfangs von außen auf das Individuum kommende Behandlung ergänzt wurde und wird durch eine aktive Seite, die das Einzelelement durch eigene Beiträge, Ideen und Entscheidungen in den Verwaltungsvorgang und -fortschritt einflicht. Allmählich verschwimmt auf diese Weise mehr und mehr der Unterschied zwischen Verwaltendem und Verwaltetem.
Da es sich um Gesellschaften handelt, in denen die kapitalistische Produktionsweise herrscht, vollzieht sich dieser Verwaltungsvorgang mittels einer permanenten und allumfassenden Produktion von Waren, die in ihrer Gesamtheit mehrwertschöpfend zu sein hat. In einer sich gegenseitig befruchtenden Weise gelingt dies Produktion und Verwaltung in Kollaboration und Wechselspiel, so daß nicht nur immer neue Waren auf dem Markt erscheinen und sich schnell ablösen, sondern diese Waren sich mit ihren Eigenschaften an die systematische Notwendigkeit der Verwaltung anschmiegen und diese in ihrem Lauf vorantreiben. Dabei wird die dabei der Bearbeitung unterzogene Welt, inklusive Gesellschaft und deren Elementen, den Menschen, in einem stetigen Wandel gehalten, der beständig aufs Neue alles Ständische und Stehende verdampft, da alles jeweilig Seiende in diesem Prozeß als ständisch und stehend erscheint, ein Phänomen, das zum einen letztlich der Grund für die endlose Krisenfolge ist und das zum anderen ganz und gar nicht im 19. Jahrhundert und der Beseitigung des Feudalismus sein Ende findet, sondern als Grundprinzip immer weiter fortwirkt, in einer Intensität und Geschwindigkeit, die es den Menschen, bei Strafe der Beendigung dieser Verhältnisse, eben nicht erlaubt, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. Stattdessen werden ihre Augen, Hirne, Körper, oder was sie auch immer sind, geformt zu Augen, Hirnen, Körpern der warenproduzierenden Verwaltung. Sie wollen es nicht wissen, es geschieht trotzdem.
Dies alles vollzieht sich heutzutage im Weltmaßstab. Dabei spielen vorhandene unterschiedliche politische Blöcke eine Rolle, die nicht nur hinsichtlich der Verwaltung sondern vor allem hinsichtlich der Organisation der Produktion noch relevant sind und in dieser Rolle ihrem jeweiligen Block Vorteile gegenüber den anderen verschaffen müssen. Keiner dieser Blöcke, dies haben die jüngsten und aktuellen Entwicklungen und Ereignisse bestätigt, sieht sich willens oder in der Lage, den allgemeinen Tendenzen eine andere entgegenzusetzen, sondern sie alle wetteifern im eben beschriebenen Prozess der warenproduzierenden Verwaltung um die vorderste, fortschrittlichste Stelle, treiben ihn mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln voran, durchaus selbst als Getriebene. Die Unterschiede zwischen den Blöcken werden zu Formalitäten marginaler Art. Angesichts dessen ist der Gedanke, den manche der vorhandenen Elemente, der Menschen, zu hegen scheinen, man könne auf welchem Niveau auch immer seinerseits und mit Verbündeten dieser oder jener Art innerhalb dieser Entwicklung die Richtung in qualitativer, grundsätzlicher Weise beeinflußen, indem man diese oder jene Ware – meist sind es Beispiele der fortschrittlichsten technischen Variante – in anderer Weise einsetzt oder indem man mit Verweis auf einen sogenannten materiellen Reichtum und auf einen erreichten Stand der Produktivkräfte sich diese aneigne, ein nicht der Wirklichkeit im vorgegebenen Sinne angemessener Gedanke, sondern ein – der Gedanke in eine Praxis umgesetzt – diese in ihrem Bestand fortsetzender, zumal seine Vorstellungskraft über die Folge von Krisen nicht hinausreicht.
6.5.2020