1. Zwanzig Jahre Preparedness
Seit März 2020 drückt sich an jedem Ort und in allen Sprachen das Gefühl aus, wir seien in eine Dystopie eingetreten, aus der wir nicht mehr aufwachen können.
Die einen versuchen sich an diese verkorkste „neue Normalität“ zu gewöhnen. Sie hoffen, dass sie weniger darunter leiden, wenn sie sich nicht gegen sie wehren.
Die anderen suchen tastend nach den Türen der Notausgänge, die ihnen die Macht eine nach der anderen vor der Nase zuknallt.
Die Mutationen des Virus verdecken die verblüffende Mutation der politischen Ordnung.
Die Debatte über den Ursprung der „Pandemie“ verdeckt die Tatsache, dass die Art und Weise ihrer Bewältigung von Anfang bis Ende fabriziert ist.
Die von uns durchlebte Unwirklichkeit ist die eines Plans, der realisiert wird, eines Szenarios, das ausgerollt wird. Zwanzig Jahre lang haben die Regierungsteams trainiert, sich vorbereitet und koordiniert, um das ins Werk zu setzen, was nun zu unserem Alltag geworden ist, in einem Tempo übrigens, das sich in den vergangenen Jahren beschleunigt hat.
Zwanzig Jahre lang haben sie dieses Krisenmanagement simuliert. Jetzt setzen sie diese Simulation um. All das ist bekannt, dokumentiert und theoretisiert. All das ist bis in die subtilsten und indirektesten Auswirkungen durchdacht.
Krisen nützen nur denen, die sich vorher organisiert haben. Es gibt nichts, was man sich davon erwarten könnte.
Allerdings reicht es für einen reibungslosen Ablauf nicht aus, über einen Plan und die Mittel für seine Umsetzung zu verfügen. Es muss auch sichergestellt werden, dass ihn keine andere organisierte und strategisch handelnde Kraft aus der Bahn bringt.
Über das Event 201, das im Oktober 2019 in einem schicken Hotel an der 5th Avenue in New York stattfand, wurde viel gespottet. Man muss sagen, dass es in jeder Beziehung wie eine Generalprobe jener Misshandlung aussieht, die uns seit März 2020 zugefügt wird. Das Szenario eines die Welt erobernden Coronavirus, das zu einem allgemeinen Lockdown und einer „Blockade der Weltwirtschaft“ führt, während man auf einen Wunderimpfstoff wartet, gleicht nicht nur aufs Haar dem „unerbittlichen“ Verlauf der Ereignisse des folgenden Jahres, auch die Akteure dieser Inszenierung waren dieselben, die sich dann im „Krisenmanagement“ wiederfanden. In diesem Hotel, das 1930 mit dem Geld der Wall-Street-Banken eröffnet wurde und dessen Dach der Kapelle des Schlosses von Versailles nachempfunden ist, befanden sich ein Direktor des amerikanischen Center for Disease Control (CDC), der Chef des chinesischen CDC, der Vizepräsident von Johnson & Johnson, dem damals größten Pharmaunternehmen der Welt, der Chef der weltweiten Geschäfte von Edelman, der größten PR-Agentur der Welt, die ehemalige Nummer 2 der CIA und der Vizepräsident von NBC Universal, das eines der größten Studios in Hollywood mit einem der größten Netzwerke von amerikanischen Fernsehsendern vereinigt. Diese Simulationsübung wurde von der Bill und Melinda Gates Stiftung und dem World Economic Forum (WEF) in Davos mitorganisiert und stand unter der Schirmherrschaft des Center for Health Security der Johns Hopkins School of Public Health, die zu diesem Anlass von Anita Cicero vertreten wurde, einer Anwältin und Ex-Lobbyistin der Pharmaindustrie, die es nicht versäumt hat, mit der Europäischen Kommission, der WHO und dem Pentagon zusammenzuarbeiten. Muss man erwähnen, dass die Bill und Melinda Gates Stiftung die mächtigste Stiftung der Welt ist, die auf allen Kontinenten und in so unterschiedlichen Bereichen wie Landwirtschaft, Bildung oder Gesundheit die Technisierung aller Dinge vorantreibt? Muss man daran erinnern, dass das WEF, 1971 von Klaus Schwab, einem Fan von Karl Popper, mit dem Ziel gegründet, die „von der internationalen Gemeinschaft als widerspenstig angesehenen Länder zum Kapitalismus zu erziehen“, bei seinen kleinen Partys die tausend größten globalen Unternehmen versammelt? In einem der Dokumente dieser Übung heißt es: „Die Regierungen werden mit den Medienunternehmen zusammenarbeiten müssen, um ausgefeiltere Ansätze zur Bekämpfung von Desinformation zu erforschen und zu entwickeln. Sie werden also die Fähigkeit entwickeln müssen, die Medien mit schnellen, präzisen und kohärenten Informationen zu überschwemmen. […] Die Presse ihrerseits muss sich verpflichten, dafür zu sorgen, dass offizielle Nachrichten Vorrang haben und falsche Nachrichten unterdrückt werden, was auch ihre technologische Verzerrung beinhaltet.“ Ein Vorschlag unter Freunden, der Gehör fand.
Das Event 201 überstrahlt mit seinem verschwörerischen Kristallkugelleuchten den zwanzigjährigen Prozess, den es abschließt, und verdunkelt dadurch die Logik, der es entstammt. Das unverfängliche Center for Health Security wurde im September 1998 unter dem Namen Center for Civilian Biodefense Strategies gegründet. Sein Zweck ist nicht die Gesundheit der Bevölkerung, sondern der Kampf gegen den Bioterrorismus. Im Februar 1999 organisierte es seine erste Veranstaltung: ein Symposium über mögliche Reaktionen auf einen bioterroristischen Angriff. 950 Ärzte, Militärs, Bundesbeamte und Führungskräfte des Gesundheitswesens versammelten sich in einem Hotel in Crystal City in Arlington – wo sich das Pentagon befindet –, um über das Szenario eines militarisierten Pockenangriffs zu brüten. Auf diesem Symposium schwärmte Richard Clarke, damals Bill Clintons oberster Berater in Sachen Terrorismusbekämpfung, dass „das Gesundheits- und Sozialministerium zum ersten Mal Teil des Nationalen Sicherheitsrats der Vereinigten Staaten ist“. Damals begann, was bis heute nicht aufgehört hat und so weit geht, dass es bereits selbstverständlich erscheint: die Unterordnung von Gesundheitsfragen unter die nationale Sicherheit, die Integration des „öffentlichen Gesundheitswesens“ in die nationale Sicherheit. Die Phantasie des Bioterrorismus bildet die Nahtstelle zwischen diesen beiden auf den ersten Blick fremden Bereichen. Nationale Sicherheit ist der ausreichend schwammige Wert, oder mehr noch: die Dämonologie, die nach 1945 dazu diente, den amerikanischen Marsch zum Imperium zu rechtfertigen und nach innen wie nach außen jede erdenkliche Überschreitung zu legitimieren. Sie war daher auch die offizielle politische Doktrin der meisten von der CIA in den 1950er bis 1980er Jahren in den Sattel gehobenen südamerikanischen Diktaturen.
Der Hauptschaden von Epidemien besteht im Verlust der Kontrolle über das Verhalten der Bürger und in der von ihr angeblich ausgelösten sozialen Anomie. Das wurde bereits im 5. Jahrhundert vor Jesus Christus durch Tykidides zum Gemeinplatz abendländischen Denkens. Hobbes, ein guter Schüler, hat eben den Peloponnesischen Krieg übersetzt und den bekannten Titel seines Leviathans mit dem Bild einer entvölkerten Stadt geschmückt, in der nur bewaffnete Soldaten und Pestärzte patrouillieren. Im übrigen arbeiteten im Jahr 2000 die Beamten an einem bioterroristischen Pestszenario für die zweite und größte jemals in den USA durchgeführte Live-Übung: TopOff – Tausende von Teilnehmer, Mitarbeiter ganzer Behörden wurden mobilisiert, um ihre eigene Rolle zu spielen. Im Juni 2001 folgte das Planspiel Dark Winter, das gemeinsam vom Johns Hopkins Center for Civilian Biodefense Strategies und dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) auf dem Militärstützpunkt Andrews veranstaltet wurde. Diese Übung prophezeite auf brillante Weise die Anthrax-Anschläge im darauffolgenden September – eine Woche nach dem 11. September wurden vergiftete Briefe an verschiedene Medien und Politiker verschickt, die dem Ausnahmezustand des Patriot Act im Allgemeinen ablehnend gegenüberstanden. Es gab fünf Tote, die man erst Al-Qaida, dann dem Irak und schließlich einem unglücklichen Virologen des Bioabwehrlabor in Fort Detrick in die Schuhe schob. Man wartete einfach darauf, dass er Selbstmord beging; die Untersuchung wurde sorgfältig verpfuscht. 2005 fand in einem Hotel in Washington Atlantic Storm statt, woran neben der damaligen Außenministerin Madeleine Albright und dem sich selbst spielenden ehemaligen CIA-Direktor James Woolsey auch Bernard Kouchner teilnahm.
Diese nach dem Vorbild der War Games der Armee inszenierten Worst-Case-Szenarien richten sich keineswegs nur an Führungskräfte, sondern werden auch von den Medien stark verbreitet; zu den Akteuren gehören Starjournalisten der New York Times oder von CBS. Es geht darum, den Geist der Öffentlichkeit zu formen, genauso wie den derjenigen, die die Öffentlichkeit ablenken. All das wird gekonnt zur Schau gestellt und ist ganz und gar offenkundig. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden diese Übungen fortgesetzt und auf andere Länder ausgeweitet. Im Mai 2017 fanden sich in Berlin zum ersten Mal in der Geschichte alle Gesundheitsminister der G20-Länder zusammen. Woran beteiligten sie sich? An einer großen Pandemiesimulation – diesmal MARS (Mountain Associated Respiratory Syndrom) –, um ein weiteres Mal „der Bedrohung durch den Bioterrorismus zu begegnen“. Bei diesem kleinen Empfang fehlten weder die Vertreter der WHO, der Gates-Stiftung oder des Wellcome Trust – eine der weltweit einflussreichsten Stiftungen im Bereich der Gesundheitspolitik – noch Christian Drosten, der seit März 2020 als Chefvirologe in den deutschen Fernsehstudios zu sehen ist. Im Mai 2018 fand in Washington die Übung Clade X statt, die sich um ein imaginäres Virus dreht, das die Letalität von SARS, aber die Übertragbarkeit der Grippe haben soll. Es soll von einer apokalyptischen japanischen Sekte im Labor hergestellt worden sein, um die Weltbevölkerung zu reduzieren. In der Simulation tötete diese „schwerste Pandemie seit der von 1918“ 900 Millionen Menschen. Tara O’Toole, die Autorin der Drehbücher von Dark Winter und Atlantic Storm, spielte diesmal den Minister für Innere Sicherheit. In ihrer Bilanz jammerte sie wie immer: „Wir befinden uns in einem Zeitalter der Epidemien, aber wir behandeln sie nicht als das was sie sind, als Fragen der nationalen Sicherheit.“ Von Januar bis August 2019 lief die Crimson Contagion, eine Serie von vier Simulationen, an denen sich 19 Bundesbehörden der Vereinigten Staaten und alle möglichen privaten Akteure in zwölf verschiedenen Bundesstaaten beteiligen. Diesmal löste ein grippales Atemwegsvirus aus China die Pandemie aus. Die Übung wurde von Robert Kadlec koordiniert, Trumps Assistenten für die Bekämpfung von Epidemien. Im Oktober 2019 folgte schließlich das berühmt-berüchtigte Event 201.
Alle politischen Fragen, die sich aus der Wahl einer bestimmten „Antwort“ auf Epidemien ergeben, werden seit Ende der 1990er Jahre gestellt. Bei der Übung im Jahr 2000 fragen sich die Regierenden: „Der Anblick einer bewaffneten Militärpräsenz in amerikanischen Städten provoziert Proteste gegen die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten. […] Es geht darum, herauszubekommen, wie und in welchem Umfang wir diese Maßnahmen durchsetzen werden. Wie viel Gewalt werden wir anwenden, um die Menschen in ihren Häusern zu halten?“. Bei der Übung Dark Winter vom Juni 2001, ebenfalls aus dem Handbuch der Übung: „Wir sind schlecht auf einen Angriff mit biologischen Waffen vorbereitet, wir haben nicht genug Impfstoffe – und solange es noch nicht genügend Impfstoff gibt, sind den Bürgern aufgezwungene Einschränkungen wahrscheinlich die einzigen verfügbaren Instrumente. Wir müssen also die Rechte der Bürger einschränken. […] Die Amerikaner können grundlegende bürgerliche Freiheiten wie das Recht, sich zu versammeln, oder die Reisefreiheit nicht mehr als selbstverständlich ansehen.“ Dark Winter fantasierte von der Ausrufung des Kriegsrechts und der Ersetzung der Ziviljustiz durch Militärgerichte. Im Jahr 2005 heißt es im Szenario Atlantic Storm: „Nach welchen Kriterien sollten die nationalen Führer die Schließung von Grenzen oder die Quarantänemaßnahmen festlegen? Wie lange müssten man Maßnahmen zur Bewegungseinschränkung aufrechterhalten, sollten sie ergriffen werden? Wie würden sie international koordiniert und wie würde die Entscheidung über ihre Aufhebung getroffen?“ Als sich im Jahr 2010 die Rockefeller-Stiftung in der Abfassung von „Szenarien für die Zukunft der Technologie und der internationalen Entwicklung“ gefiel, war das erste Szenario eine weltweite Grippepandemie, die die Wirtschaft zum Erliegen bringt, die Straßen und Geschäfte leerfegt und China durch martialische Eindämmungsmaßnahmen und hermetische Abriegelung seiner Grenzen gut abschneiden lässt. All dies ebnet den Weg für eine „autoritärere Kontrolle und intensivere Überwachung der Bürger und ihrer Aktivitäten“ und führt auf wundersame Weise dazu, dass „die Vorstellung von einer kontrollierteren Welt an Akzeptanz und Zustimmung gewinnt […], dass die Bürger freiwillig etwas von ihrer Souveränität – und ihrer Privatsphäre – an paternalistischere Staaten abgeben, um im Gegenzug mehr Sicherheit und Stabilität zu erhalten. Die Bürger werden toleranter gegenüber einer schrofferen Führung und Überwachung und wünschen sich diese sogar. Nationale Führer haben mehr Spielraum, um die Ordnung durchzusetzen, die ihnen gefällt.“
– Bones, wann wird Covid enden?
– Jim, ich bin Arzt und kein Politiker!
Die Neoliberalen haben uns an ihre „Schockstrategien“ gewöhnt. Es überrascht uns nicht einmal mehr, dass ihnen jede Krise ein Chance darstellt, egal, ob sie konstruiert, simuliert oder von außen verursacht ist. Am 11. September 2001, nur eine Stunde nach dem Zusammenstoß der ersten Boeing mit dem World Trade Center, schrieb eine der geschätztesten Beraterinnen der Regierung Blair an einige Mitglieder der britischen Regierung: „Es ist jetzt ein sehr guter Tag, um alles loszuwerden, was wir begraben wollen.“ Der durch die Enthüllung dieses Memos ausgelöste Skandal verhinderte weder die buchstabengetreue Umsetzung der empfohlenen Strategie noch, dass Blair die „Professionalität“ seiner Beraterin feierte. Im Juni 2020 gab es keinen Skandal, als der französische Staatssekretär für Digitales sagt, dass „die Krise die Gelegenheit für eine dann noch freiwilligere Transformation bietet“. Und auch nicht, als der indische Außenminister im Frühjahr 2021 erklärte: „Wir müssen die Welt umstrukturieren, sie neu ordnen, indem wir pandemieähnliche Situationen als eine Konstante betrachten.“ All die den Umständen geschuldeten Experimente mit der Gesichtserkennung oder mit dem virtuellen Unterricht, mit den Drohnen, die den Menschen ab dem 18. März 2020 auf der Promenade des Anglais in Nizza die Anweisungen zur Ausgangssperre einhämmerten, mit der Verwendung von Geolokalisierungsdaten der Telefongesellschaften, mit denen das Innenministerium herausfand, wie viele Pariser woanders „zu Hause blieben“ oder mit der verständigen Verabschiedung eines neuen Sicherheitsgesetzes, das die Vorrechte der Polizei unverhältnismäßig ausweitet – all das unterscheidet sich überhaupt nicht von den gewohnten Niederträchtigkeiten der Regierung. Aber etwas ist neu an dem, was uns gerade passiert: Das, was man seit zwei Jahren vor unseren Augen und in unserem Leben ablaufen lässt, hat alle Merkmale eines Plans. Davon zeugt die andernfalls unerklärliche Heftigkeit der Angriffe auf diejenigen, die, ohne Rücksprache zu halten, bei der Heilung von Covid-19 mitreden wollten, oder auf die, die es wagten, auf die Kluft zwischen Inszenierung und Realität hinzuweisen.
Ausrufung einer globalen Pandemie / Eindämmung / sinnlose Einschränkung der Freiheiten / Umstrukturierung der Gewohnheiten / technologische Beschleunigung / Übernahme der sozialen Netzwerke / biotechnologische Impfung / „Gesundheitspass“ / digitale Identität / vernetzte Umgebungen / allgemeine Digitalisierung / allgegenwärtige Rückverfolgung / Gesellschaft der Kontrolle – eine vorgesehene und alles in allem logische Abfolge, von der zumindest die erste Hälfte ausgiebig eingeübt wurde.
Der Plan hat Etappen.
Niemand soll dagegen verstoßen.
Niemand soll sich ihnen in den Weg stellen.
Das ist also genau das, was wir tun müssen.