2. Die Stadt der lebenden Toten
Es gibt eine all diese Simulationsübungen leitende Doktrin – und zwar die „Pandemic Preparedness“.
Die Pandemic Preparedness steht seit 2002 explizit auf der globalen Agenda. Sie entstammt einer deutlich ambitionierteren, aber etwas älteren Militärstrategie: Der „All-Hazards Preparedness“, der Vorbereitung auf alle möglichen Gefahren. Preparedness ist ein alter Begriff, der mindestens bis in den Ersten Weltkrieg zurückreicht. Er war damals das Steckenpferd aller Kundgebungen, die von der imperialsten Fraktion des amerikanischen Kapitals gesponsert wurden – derjenigen, die dank des Kriegseintritts die Weltmärkte eroberte. „Die Ingenieure sahen den Ersten Weltkrieg nicht als Katastrophe für die Zivilisation, sondern als ‚einzigartige Gelegenheit‘, ihre Ideen in die Tat umzusetzen.“ (David F. Noble, America by Design, 1977) Die in den 1970ern im US-Militär aufkommende All-Hazards Preparedness ist sogar eine noch scheelere Vorstellung. Sie besteht darin, alle Ereignisse – einen Atomunfall, einen Aufstand, einen Hurrikan, einen ausländischen Militärschlag, eine Epidemie oder sogar eine Finanzkrise – unter demselben Blickwinkel zu betrachten: als Bedrohung für die materiellen, politischen und lebenswichtigen Strukturen des Landes, als Herausforderung für die Kontrolle des Systems. Die Führungskräfte müssen auf jede „Krise“ mit geeigneten, koordinierten und standardisierten Verfahren zu antworten wissen. Die kollektive Praxis der Worst-Case-Szenarien entspricht der strategischen Option, eine winzige, aber verheerende Möglichkeit zum Feind zu erklären.
Diese strategische Option hat viele Vorteile, nicht zuletzt eröffnet sie der Ausweitung des politischen, technologischen und militärischen Überwachungs- und Kontrollapparats ein unbegrenztes Feld.
Indem man Risiko und Gefahr durcheinander bringt und jede fingierte Möglichkeit einer Katastrophe mit einer bösartigen Absicht auflädt, nimmt man den Machenschaften der Macht praktisch jede Begrenzung. Es genügt, die passende Geschichte zu erzeugen – eine, die es ermöglicht, die gewollte Verwundbarkeit des Systems ins Feld zu führen, die durch die Überschreitung eben jenes rechtlichen, moralischen oder politischen Hindernisses bekämpft werden müsse, das man zu beseitigen wünschte. Und das findet kein Ende, denn man kann zwar eine Gefahr abwenden, aber niemals ein Risiko abschaffen, dessen Charakter darin besteht, statistisch, virtuell und nicht greifbar zu sein. Der Unwirklichkeit der Welt der Regierungsfiktionen, in die wir eingetreten sind, stehen die sehr realen Fortschritte der Kontrolle gegenüber.
Die immer aufdringlicheren Übergriffe der gegnerischen Aufgebote ergeben sich aus dem fanatischen Kampf gegen das Risiko.
Die All-Hazards Preparedness trägt das Mal ihres Entstehungszusammenhangs: jener 1990er Jahre der „neuen Weltordnung“, der „Transformation of War“, worin Martin van Creveld das Vorherrschen von Konflikten niedriger Intensität beschrieb, und des „Clash of Civilizations“, worin Samuel Huntington die Rückkehr der Konfrontationen zwischen kulturellen und religiösen Identitäten ankündigte. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde die ganze „atlantische Zivilisation“, der ganze militärisch-industrielle Komplex, jegliche säkulare Priesterschaft und das ganzen Gebäude verbündeter Interessen vom Schwindel befallen angesichts der Auslöschung ihres besten strukturellen Feindes und ihrer Existenzberechtigung: der UdSSR. „Ich habe keine Teufel mehr, ich habe keine Schurken mehr, alles, was mir bleibt, ist Castro und Kim Il-sung“, klagte 1991 Colin Powell, der wichtigste militärische Berater des US-Präsidenten. Man muss die Ungewissheit konfigurieren, um sie nicht mehr in Reinform ertragen zu müssen. Man muss dem Feind eine neue Form geben. Man muss die Lage strukturieren, um die bestehende Ordnung zu rechtfertigen. Übrigens musste bloß der Kalte Krieg verblassen, damit die antikapitalistische Revolte mit ihren anwachsenden Unruhen wieder aufleben konnte, die Antiglobalisierungsbewegung von 1998 bis 2001. Die Angst vor dem eigenen Volk lässt die Regierenden immer die vor dem Ausland vergessen, die Angst vor dem inneren Feind ist größer als die Angst vor dem äußeren Feind. Der erklärte Kampf gegen den einen dient in erster Linie als Alibi für den tatsächlichen Kampf gegen den anderen. Alle Führer der Welt sitzen am selben Tisch, sobald es um die Niederwerfung der eigene Bevölkerung geht. Baschar al-Assad hat uns sogar gezeigt, dass einige von ihnen lieber auf ihre Bevölkerung als auf ihre Macht verzichten; die Einarmigen und Einäugigen der Gelbwesten-Proteste haben das am eigenen Leib erfahren. Wie soll man auch angesichts einer ungerechten Gesellschaftsordnung zum Schulterschluss rufen, ohne irgendeine unsägliche Bedrohung von außen zu benennen? Ein Terrorist, ein Virus oder das Klimachaos erfüllen diese Funktion gleichermaßen gut – die biblische Funktion des universellen Bösen. Auf einer der Münchner Sicherheitskonferenzen, auf der sich alljährlich die weltweite militärisch-polizeiliche Prominenz trifft, betonte Bill Gates zur rechten Zeit 2017: „Wir ignorieren den Zusammenhang zwischen Gesundheitssicherheit und internationaler Sicherheit auf unsere eigene Gefahr. […] Es bahnt sich ein Angriff mit biologischen Waffen an und er ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen uns darauf vorbereiten. Wir müssen uns auf Epidemien vorbereiten, so wie sich die Armee auf den Krieg vorbereitet.“
Wie alle großen Betrügereien hat die Pandemic Preparedness die Bildung einer kleinen globalen Mafia ausgelöst. Diese ist seit den 1990er Jahren in ihren Methoden, in ihren Reden und in ihrer Zusammensetzung bemerkenswert stabil. Als wäre sie von der Geschichte unberührt. Ihre Akteure sind Kinder des Kalten Krieges, die sich nicht mit dessen Ende abfinden. Sie haben seine verschwörerischen Reflexe, seine apokalyptischen Vorstellungen, seine angeborene Straffreiheit und seine exorbitanten Kredite beibehalten. Seine Weltuntergangsszenarien bilden den Hebel ihrer Macht. Die im Mai 2007 von George W. Bush unterzeichnete Direktive 51 ist eine direkte Folge der Übung Dark Winter. Sie legt – soweit bekannt, da sie größtenteils als Verschlusssache eingestuft ist – die Ausnahmeverfahren fest, die für den „Fortbestand der Regierung“ im Falle eines katastrophalen Notfalls anzuwenden sind. Unsere Cold Warriors bewegen sich fließend zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und Militärbehörden, zwischen Ministerien und multinationalen Konzernen, zwischen Start-up-Unternehmen und philanthropischen Stiftungen, zwischen Universitäten und der Finanzwelt. Sie stellen eine Art ideale Verschmelzung von zivilen und militärischen Bereichen dar. Gesundheitssicherheit ist ihre neue Tarnung. Das Johns Hopkins Center for Health Security ist ihr berühmtestes Aushängeschild und das P4-Labor des United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases in Fort Detrick ihr historisches Versuchszentrum. Sie sind die Bedrohung, die sie zu bekämpfen vorschlagen. Es sind dieselben, die die bösartigsten biochemischen Angriffe vorhersagen und am militärischen Einsatz von Anthrax arbeiten. Es sind dieselben Leute, die die Rückkehr von Pandemien prophezeien und an der Synthese von Pockenviren mit erhöhter Wirksamkeit arbeite. Nichts unterscheidet das Experimentieren mit einer neuen chemischen Waffe von der Suche nach ihren Gegenmitteln. Ein P4-Labor ist genau dafür gedacht. Das Unglück will es, dass Lecks in Laboren genauso alltäglich sind wie radioaktive Lecks. Trügerische Viren lassen sich ebenso wenig eingrenzen wie radioaktive Elemente.
Robert Kadlec, ein Arzt der US-Luftwaffe und Spezialist für biologische Waffen, verkörpert den Typus der Kreaturen dieses kleinen Milieus in Reinform. Er beginnt seine Karriere am Vorabend des Golfkriegs als Assistent für biologische Kriegsführung beim Joint Special Operations Command (JSOC). Er wird von einem der Veteranen des amerikanischen Biowaffenprogramms eingeweiht. Die Katastrophenszenarien, die er zu diesem Thema verfasst hat, sind unzählig. 1995 stellt er sich einen agrarterroristischen Angriff vor, bei dem China Linienflugzeuge dazu benutzt, um eine Krankheit auf den Feldern des Mittleren Westens zu verbreiten und die Maisernte zu verringern. 1998 schrieb er in einem internen Dokument des Pentagons: „Wenn biologische Waffen unter dem Deckmantel einer räumlich begrenzten und natürlich auftretenden Epidemie eingesetzt werden, kann ihr Einsatz glaubhaft geleugnet werden. […] Die Möglichkeit, schwere wirtschaftliche Verluste und daraus resultierende politische Instabilität zu verursachen, in Kombination mit der Fähigkeit, den Einsatz dieser Waffe glaubhaft zu leugnen, übertrifft die jeder anderen bekannten Waffe.“ Im Jahr 2001 erschien er auf den Bildschirmen der Simulation Dark Winter. Von 2007 bis 2009 war er Direktor für Biodefense unter George W. Bush. Neben seinen offiziellen Funktionen verschmäht er weder die kleinen Beratungsaufträge für Biodefense-Unternehmen, in die er manchmal investiert, noch die Lobbyarbeit für Firmen, die mit dem Militär- und Geheimdienstapparat verbunden sind. Im Jahr 2020 ist er einer der wichtigsten Berater des US-Präsidenten für die Preparedness und die Reaktion auf die „Pandemie“. Er wacht persönlich über alle Verträge der Operation Warp Speed – der Partnerschaft mit großen Unternehmen, die die Herstellung und Logistik von „Impfstoffen“ gegen Covid-19 beschleunigen soll. Der starke Bezug auf all diese Vorbereitungsübungen ist kaum überhörbar, wenn Joe Biden im November 2020 das allgemeine Tragen von Gesichtsmasken empfiehlt und dabei vor einem kommenden Dark Winter warnt.
Man könnte auch Tara O’Toole erwähnen, die Entwicklerin der ersten apokalyptischen Simulationsszenarien für Pandemien, die von den US-Delegationen, die in den 1990er Jahren in Russland die Auswirkungen der Atomwaffenbelastung untersuchten, zur heutigen Vizepräsidentin von In-Q-Tel, dem Risikokapitalfonds der CIA, aufstieg, nicht ohne zuvor noch das Center for Civilian Biodefense Strategies der Johns Hopkins University geleitet zu haben. Oder Ken Alibek, den ehemaligen Leiter des sowjetischen Biowaffenprogramms und Entwickler des weltweit virulentesten Anthrax-Stamms, der in den Dienst der amerikanischen Biodefense und ihres opportunen Alarmismus getreten ist. Oder Michael Callahan, den Arzt und Unternehmer, der zwischen 2005 und 2012 als Verantwortlicher bei der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) des Pentagons das Programm „Prophecy“ initiierte, ein Vorhaben, das darin bestand, Mutationen natürlicher Viren zu antizipieren, um potenzielle Pandemien zu bekämpfen. Oder Michael Osterholm, den Epidemiologen, der seit einem Vierteljahrhundert den bioterroristischen und epidemischen Alarm schlägt, der jetzt Joe Biden in seinem Kampf gegen Covid-19 berät und 2002 dem Lancet (Das Skalpell) anvertraute: „Ich habe nie wirklich gewusst, ob ich ein Biopolitiker oder ein politischer Biologe bin.“ Oder Neil Ferguson, den Epidemiologen vom britischen Imperial College, der seit 2001 keine Gelegenheit auslässt, um für jede neue Epidemie danteske Todesfallprognosen zu liefern, deren faktische Widerlegung ihn nicht hinderte, ein viel beachteter Berater der WHO, der Europäischen Union, der britischen und der amerikanischen Regierung und ein ausgewiesener Nutznießer der Gates-Stiftung zu bleiben. Ganz im Gegenteil.
Der Fall Richard Hatchett ist genauso aufschlussreich. Als Epidemiologe des Homeland Security Council unter Bush und Obama war er es, der im Februar 2007 mit Unterstützung der damaligen neokonservativen Regierung die neue mittelalterliche Methode zur Bewältigung von Epidemien durch Eindämmung, Schließung von Schulen und Aussetzung der wesentlichen zwischenmenschlichen Beziehungen entwarf und dem amerikanischen CDC aufzwang. Er ist die soziale Distanzierung. Seit 2017 ist er der Chef der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) – einer Organisation, die in Davos mit Zuschüssen der Gates-Stiftung und des Wellcome Trust gegründet wurde, um in „innovative“ Impfmethoden zu investieren. Diese Koalition bietet den Mitgliedern der WHO, den großen Pharmaunternehmen und der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) eine gute Gelegenheit, sich zu treffen. Im März 2020 urteilte Hatchett in einem Interview, dass „Krieg“ eine angemessene Analogie sei in Bezug auf ein Virus, das „die furchterregendste Krankheit darstellt, die mir in meiner Karriere begegnet ist, und dazu gehören auch Ebola, MERS und SARS.“ Er ist, kurzum, jemand, auf den man sich verlassen kann.

Donald Henderson, der Gründer des Johns Hopkins Center for Civilian Biodefense Studies, wagte folgenden Vergleich: „Beim Husten entstehen Aerosole in großen Mengen, genau wie bei einem bioterroristischen Angriff.“ Die Besessenheit mit dem Bioterrorismus erinnert daran, wie sehr der Antiterrorismus, der die Weltlage nach 2001 politisch einzufrieren half, auch die Schablone für den Umgang mit den Epidemien blieb, unter dem wir leiden und der im Übrigen genau dieselbe Funktion erfüllt. Es gibt ein Kontinuum zwischen dem heutigen Umgang mit Pandemien und dem Antiterrorismus der 2000er Jahre und damit zwischen dem Sicherheitsnotstand und dem Gesundheitsnotstand. Auch dieses Kontinuum hat seine Wurzeln in den 1990er Jahren. Genauer gesagt: im Neokonservatismus und Neorealismus, die sich seither so diffus ausgebreitet haben, dass Rechts und Links ununterscheidbar geworden sind. Die Europäische Union, die sich nun mit einem Kommissar für den „Schutz der europäischen Lebensweise“ bewaffnet hat, zieht daraus übrigens ihre gespenstische, aber zunehmend stärker befestigte politische Geschlossenheit. In den 1990er Jahren sah Robert Kaplan die „kommende Anarchie“ heranrücken. Er zitierte Malraux: „Kämpfen, kämpfen gegen Feinde, die sich wehren, gegen wache Feinde!“ – derselbe Malraux, der keinen anderen Weg sah, Europa zu vereinen, als den Islam zum strukturierenden Feind zu erklären. Er griff auch Martin van Creveld auf: „Kämpfen ist kein Mittel, sondern ein Zweck“. Kaplan argumentierte dann, dass „wahrer Frieden nur durch eine Form der Tyrannei erreicht werden kann, wie subtil und sanft sie auch sein mag“. Er hielt sich für einen Realisten, der Unglückliche. In den demokratischen Gesellschaften der Postmoderne herrscht aus neokonservativer Sicht eine drohende Anomie, eine Tendenz zur Demobilisierung, zur Entpolitisierung der von den Dämpfen des Narzissmus und des Konsums berauschten Bürger. So können Kriege, Epidemien – angefangen bei den absurdesten Zwangsmaßnahmen, den krassesten Infantilisierungen und den offen autoritären Maßnahmen – eine Gelegenheit sein, die staatsbürgerlichen Federn der menschlichen Marionetten wieder aufzuziehen. Diese Idee ist alles andere als neu. In den Vereinigten Staaten tobte 1793, als das Gelbfieber in Philadelphia grassierte, bereits eine Debatte über die politische Wirkung der Quarantäne zwischen den dezentralisierenden Jeffersonianern, die an den vier Jahre zuvor durch die Verfassung verkündeten individuellen Freiheiten festhielten, und den Hamiltonianischen Föderalisten, die in dieser Maßnahme eine großartige Gelegenheit sahen, eine Nation zu schmieden und den Staatsbürger hervorzubringen.
Epidemien bildeten im Abendland schon immer eher politische Ereignisse als rein medizinische Phänomene, und ihre Behandlung zielte immer auf etwas anderes ab als die Behebung einer gesundheitlichen Gefahr. Der organische Vordenker des französischen Gesundheitswesens macht daraus kein Geheimnis: „Der Zweck der Zwangsmaßnahmen lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: zivile Sicherheit und öffentliche Ordnung. Nichts unterstreicht besser den langfristigen Charakter der Quarantäne und ihr Fortbestehen in der Architektur des öffentlichen Gesundheitswesens. […] Denn die Obsession und das Futter der antipandemischen Politik besteht einzig in der Beherrschung der allgegenwärtigen Unordnung.“ (Patrick Zylberman, Mikrobielle Stürme, 2013) Die schlechte Behandlung der Bevölkerung ermöglicht, ein wenig wie bei den schikanösen Initiationsritualen der „Elite“, die Formierung eines Korpsgeist. Denn „die Preparedness ist für diese mehr oder weniger spontane Entfaltung der Angst und der bürgerlichen Tugend besonders günstig. […] Einer der sonderbarsten Aspekte dieser neuen ‚Kultur des Notfalls‘ ist sicher der Aufruf zu einem neuen Bürgersinn, einem Bürgersinn im Superlativ. […] Neben dem Staat ist es nun der Einzelne selbst, der gefordert ist, seinen Lebensstil den Empfehlungen der medizinischen Wissenschaft anzupassen, und von nun an für die kollektive Gesundheit verantwortlich zu sein. Gesundheit ist nicht mehr nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht gegenüber sich selbst und gegenüber den anderen.“ (Ebd.) Nachdem sich schließlich die Wirksamkeit des Antiterrorismus erschöpft hat, mobilisiert man die ängstlichen sozialen Atome im Namen der Gesundheit, da „die Bevölkerung einer modernen Gesellschaft gegenüber medizinischen Werten nicht gleichgültig bleiben kann.“ (ebd.) Das Ziel bleibt dasselbe und daher gibt es keinen Grund, die Operationen in neue Hände zu legen. Das Pandemiemanagement fällt in Frankreich ganz selbstverständlich in den Zuständigkeitsbereich des Generalsekretariats der nationalen Verteidigung. Man hat sich anscheinend daran gewöhnt, seit fast zwei Jahren von einem Rat für nationale Verteidigung und Sicherheit geleitet zu werden, der hinter verschlossenen Türen tagt. So fiel dem General Lizurey, dem Triumphator über die ZAD von Notre-Dame-des-Landes – der Mann, der die Ehre der Gendarmerie nach dem Zusammenbruch der Operation Caesar im Jahr 2012 wiederherstellte –, das Privileg zu, im April 2020 das Gesundheitsmanagement des Landes zu bewerten, natürlich ohne jede politische Voreingenommenheit. Schon im Jahr 2002 hatte Bush die Idee eines „Citizen Corps“ ins Spiel gebracht, um „jeden Amerikaner zu einem Beitrag zu ermutigen, dieses Land zu einem sichereren Ort zu machen“. Ob aus Mitläufertum nach der Integration in die amerikanischen Preparedness-Übungen oder einfach aus einem geostrategischen Minderwertigkeitskomplex, jedenfalls setzte ein französisches Gesetz aus dem Jahr 2004 diesen noblen Aufruf sogleich in einen Artikel um, der besagt, dass „jede Person durch ihr Verhalten zur zivilen Sicherheit beiträgt“. 2006 insistiert ein Plan des Generalsekretariats für Landesverteidigung gegen eine mögliche Grippepandemie auf der Notwendigkeit „der Aufrechterhaltung des Bürgergeists und des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Rahmen der Institutionen und öffentlichen Behörden“. Lyrischer, aber in seiner Provinzialität nicht weniger amerikanisch, erklärte der damalige Gesundheitsminister Xavier Bertrand 2007, die Bildung einer medizinischen Reserve sei „der konkrete Ausdruck der Mobilisierung des Geistes und des Willens, der Zustimmung des Landes zu seinem medizinischen Verteidigungssystem, […] der äußerste Ausdruck des Sinns und der Wirklichkeit eines Engagements im Zeichen von Pflicht und Hingabe.“
Die mittlerweile nachgewiesene medizinische Sinnlosigkeit des allgemeinen Lockdowns gegen Covid bestätigt deutlich, dass die Zielsetzung dieser „nicht-pharmazeutischen“ Interventionen zentral politisch ist. So deutlich, dass ihre Intensität weniger die Hoffnungslosigkeit der epidemischen Situation misst als vielmehr den Stand der Diskreditierung der Institutionen – kaum vorhanden in Schweden, moderat in Deutschland, extrem in Frankreich oder Italien. Der belgische Gesundheitsminister machte im November 2020 keinen Hehl daraus, dass die Schließung „nicht wesentlicher“ Geschäfte nur darauf abzielte, „einen Elektroschock auszulösen“. Auch der „Gesundheitspass“ ist alles andere als gesundheitsfördernd. Er ist ein Polizeipass, der die Sortierung der Bevölkerung in fügsame und rebellische Personen erlaubt und langfristig ihre freiwillige Erfassung sicherstellt. Er ist ein Verhaltenspass, dank dem man jeden zu allem und nichts zwingen kann, mit der Drohung, ihm den Pass entziehen. Es ist ein finanzieller Pass, der darauf abzielt, einen großen Schritt in Richtung einer individuellen digitalen Identität zu machen, ohne die sämtliche Daten, die durch elektronische Interaktionen und all die Sensoren und vernetzten Objekte erzeugt werden, mit denen 5G unseren Alltag zu sättigen verspricht, nahezu wertlos sind, da sie keine Basis haben. Der Markt für vernetzte Objekte stellt jedoch eine Gabe des Himmels dar, deren Zahl bis zum Jahr 2025 auf 1,5 Milliarden geschätzt wird. In diesem Sinne ist der Zweck der Impfung der Pass und nicht umgekehrt.
All die unwahrscheinlich schikanösen Maßnahmen, die gesamte Bevölkerung unter Hausarrest zu stellen, Ausgangssperren zu verhängen, Strände zu sperren und Wanderungen zu verbieten.
All die abstrusen Anweisungen, an der frischen Luft Masken zu tragen, „Hygienemaßnahmen“ oder die „soziale Blase“ zu respektieren, jeden Kontakt, jede Party und jede Musik zu unterlassen.
All dies ist nicht das bedauerliche Produkt eines Versagens des gesunden Menschenverstandes.
Die akzeptierte Herrschaft der Absurdität ist selbst nicht absurd.
Sie sind Ausdruck davon, dass etwas anderes passiert, auf einer anderen Ebene.
Es ereignet sich die Neuzusammensetzung des Staatskörpers auf nicht mehr politischer, sondern biopolitischer Grundlage.
Wenn alles, was mit Recht, Diskurs, Vernunft und Logik zu tun hat, plötzlich außer Kraft gesetzt wird, bedeutet dies, dass sich ein anderer Entwurf der Zugehörigkeit zur „Polis“ durchsetzt.
Eine biologische Ebene, bei der die Zustimmung zum Sozialpakt nicht mehr verbal, sondern körperlich erfolgt und die Injektion die Funktion der Anweisung übernimmt.
Der Begriff „Biostaatsbürgerschaft“ wurde 2002 entwickelt, um sich vorzustellen, wie die Überlebenden der Tschernobyl-Zone, die auf einen permanenten polypathologischen Zustand reduziert wurden, eine Osmose mit dem medizinischen System eingegangen sind, die ihnen bei ihrem Überleben hilft.
Die DARPA, die Behörde, die gemeinhin als das „Gehirn des Pentagons“ bezeichnet wird, hat seit 2013 in guter Zusammenarbeit mit der Stiftung von Bill und Melinda Gates zig Millionen Dollar in Moderna investiert, um die inzwischen berühmten „Boten-RNA-Impfstoffe“ zu entwickeln, die in ihrer Wirksamkeit zwar vergänglich sind, dafür aber vielversprechende Nebenwirkungen haben. Auf die Frage „Warum macht die DARPA das?“ antwortete ihr Direktor 2019: „Der Soldat auf dem Schlachtfeld soll vor chemischen und biologischen Waffen geschützt werden, indem man sein Genom kontrolliert – indem man sein Genom dazu bringt, Proteine zu produzieren, die den Soldaten automatisch von Kopf bis Fuß schützen werden.“
Offensichtlich ist eine neue „Polis“ im Entstehen.
Wir bevorzugen, davon kein Teil zu sein.
Uns dem Menschenpark zu entziehen.