5. Französische Dualitäten
„Während die Rationalität des Kalten Krieges vielleicht an Kohärenz und für manche auch an Glaubwürdigkeit verloren hat, gedeihen seine Bestandteile innerhalb einer Vielzahl von Disziplinen weiter.“ (Kollektiv, Wenn die Vernunft fast den Verstand verliert, 2015)
Das eigentliche Problem ist jedoch, dass sie die erstickende Welt, in der wir leben, in fast allen ihren Dimensionen konfiguriert hat, und dass ihre Erben sie weiterhin konfigurieren.
Es gibt viele Möglichkeiten der Erbschaft.
Man muss nicht „zur Familie gehören“.
Ein Beispiel unter vielen aus Frankreich: Irgendein gaullistischer Kavalleriehauptmann des freien Frankreichs, hingerissen von der amerikanischen Kriegskommunikation in Casablanca 1943 – einer „Nachrichtenbude“, die über den kommenden Sieg und die laufenden Kämpfe berichtete.
Sagen wir, er heißt Michel Frois.
Michel Frois, rechts, 1956 in Port Saïd in Begleitung
von General Beaufre und Admiral Barjot.
Er macht Indochina, Tunesien und Marokko, d.h. er erledigt dort die Armeekommunikation.
Er steigt sogar so weit auf, dass er zusammen mit Oberst Lacheroy – dem verfluchten Theoretiker des „revolutionären Krieges“ in Frankreich, der sich schließlich der Organisation de l’armée secrète (OAS) anschloss – die Abteilung für psychologische Aktion und Information im Verteidigungsministerium leitet.
„Die Dinge sind nicht, was sie sind, sondern das, als was man sie erscheinen lässt“, lautet seine Doktrin.
Hier entfaltet er seine stets lächelnde Beredsamkeit als Verantwortlicher für die Kommunikation der ganz und gar mit Aufstandsbekämpfung beschäftigten Armeen. Wenn die Vergiftung lebenswichtig ist.
Er schwört, dass er nichts als Informationen liefert, niemals Propaganda.
Das wäre nicht seine Art.
Nichts als die Fakten.
„Um sich der Presse zu bedienen, muss man ihr zuerst dienen“, theoretisiert er.
Die Armeen müssen aufhören, sie auf Distanz zu halten, sie zu fürchten und den Anspruch aufgeben, sie zu manipulieren.
Stattdessen sollte man sie mit Neuigkeiten, Fotos, Anekdoten und Knüllern sättigen.
Die Faulheit und Feigheit der Journalisten wird den Rest erledigen.
„Die Information“, sagt er, „ist ein Korsett, das einem hilft, gerade zu stehen“.
Dies schöne Bild, wie ein Reiter!
1957 wechselte er „in den Zivilberuf“.
Er leitet die Kommunikation des Verbands der Elektro- und Elektronikindustrie.
Er organisiert Ausstellungen wie die Amerikaner.
So gut, dass man ihn bald als Leiter des „Informations“-Diensts der Unternehmerschaft wiederfindet.
Immer so positiv, immer so cool und immer so sympathisch, organisiert er kurz nach 1968 das erste Treffen zwischen dem Boss der Bosse und dem der CGT – er hat keine Feinde: Er diskutiert sogar mit den Journalisten von L’Humanité und trifft sich mit Zhou Enlai.
Sie sehen also – er hat keine Feinde.
Schon früh erkannte er, dass die Sache der Bosse viel gewinnen würde, wenn sie sich als die der „Unternehmer“ präsentieren würde – so viel positiver, der Unternehmer.
In den denkwürdigen 1980er Jahren, mit all ihren Verleugnungen, hielt er an seinem Kurs fest.
Um dem drohenden Sozialismus etwas entgegenzusetzen, organisiert er die „Generalstände der gefährdeten Unternehmen“ – 25.000 große und kleine Bosse, die von Herzen quengeln. Präsident Mitterrand gratuliert ihm dazu.
„Die Unternehmen müssen sich in ihrer Umgebung befinden wie der Fisch im Wasser“, wagt er in Erinnerung an alte Guerilla-Sprichwörter.
Schließlich und um seinen Rückzug zu sichern – er ist immerhin so sehr Soldat, wie es ein Zivilist nur sein kann –, gründet er seine eigene PR-Firma, die DGM.
Er wird zum „Papst der Unternehmenskommunikation“ und zählt „die größten Chefs“ zu seinen Kunden.
Sein Erbe an der Spitze der DGM, Michel Calzaroni, ist ein ehemaliger Mitarbeiter von Occident, der Splittergruppe, die dazu aufrief, „die Kommunisten überall zu töten, wo sie sich befinden“.
Und DGM macht immer noch die Kommunikation für das CAC 40, die Regierenden, Bolloré oder Laeticia Hallyday.
Das Erbe ist in guten Händen.
Die Verriegelung der historischen Möglichkeiten nimmt ihren Lauf.