Klassengesellschaft und Klassenkampf
Eine Diskussion zwischen Karl Rauschenbach (Antideutsche Kommunisten Berlin) und Joachim Bruhn (ISF) über die Perspektive der Gesellschaftskritik
Eine Diskussion zwischen Karl Rauschenbach (Antideutsche Kommunisten AdK, Berlin) und Joachim Bruhn (ISF) über die Perspektive der Gesellschaftskritik
These: Die Not der Gegenwart besteht darin, daß durch die Abwesenheit des Klassenbewußtseins, also die Abwesenheit des Proletariats und der Bourgeoisie, die Geschichte keine mehr von Klassenkämpfen ist. Viel zugänglicher ist dem naiven Bewußtsein daher die Rede von der Historie als einer „sich selbst bewegenden Substanz“ (Hegel), einem „sich selbst entrollendem Rad“ (Schopenauer), einer „invisible hand“ (Smith), des „Weltlaufs“ (Adorno) oder auch die Rede von einem „automatischen Subjekt“ (Marx). Dies ist unabweisbar. Die Geschichte nähert sich proportional zur Abwesenheit der praktischen Gesellschaftskritik einem „Möbiusschen Band“ (Lieblingsbild von Lyotard) an. Der moderne Kommunismus nun macht aber aus dieser seiner Not eine Tugend und verkauft seine abstrakte Kritik an der Totalität für einen Fortschritt; er hält sein notwendig leeres Geschreibsel für die Überwindung des traditionellen Marxismus und meint die Spaltung der Gesellschaft in Klassen zum immanenten Gegensatz reduzieren zu müssen. Die Kategorie der Klassenspaltung ist aber zentral in der Gesellschaftskritik. Klasse ist dabei keine subjektive Kategorie, sondern durch die Stellung im Produktionsprozeß bestimmt. Wenn das Sein das Bewußtsein nicht bestimmt, bestimmt das Sein um so strikter das Unbewußtsein. Das Klassenverhältnis bleibt in beiden Fällen die wesentliche Determinante. Dies zu verleugnen hilft bekanntlich den Monopolen mehr, als die offiziellen Ideologien es vermögen. (AdK)
Antithese: Marx’ Rede vom „automatischen Subjekt“ ist, im Gegensatz zur These Rauschenbachs, nicht idealistisch, sondern materialistisch als der Inbegriff der Kritik am Idealismus (auch am Idealismus der unsichtbaren Hand). Anders gesagt: Wenn der Bourgeois das Richtige sagt, ist es kein Beweis für ihn oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern es ist das allererst das Urteil über einen Gesellschaftszustand, in dem so etwas zutrifft: daß so etwas auch einmal recht haben kann… Diese Leute sagen, was sie wissen; aber sie wissen nicht, was sie sagen. Gewiß: nicht nur der Klassenbegriff, auch die Klassen selbst sind ausschlaggebend für die Gesellschaftskritik. Aber: die „klassenlose Klassengesellschaft“ (Adorno) ist ein Resultat auch des Klassenkampfs selbst. Denn der Klassenkampf hat 1.) das Problem, daß er, als ökonomischer, zu gerne sich in Politik verflüchtigt, d.h. in den Staat. Kein Klassenbegriff ist wahr, der nur von der „Stellung im Produktionsprozeß“ ausgeht. Der Prolet ist Subjekt, Privateigentümer seiner Arbeitskraft. Das war im Marxismus nie das Thema, darin ist sein Staatsfetischismus angelegt. Klasse ist ökonomisch und politisch, d.h. polit-ökonomisch; und 2.) ist die negative Aufhebung der Klassengesellschaft, ist also die „klassenlose Klassengesellschaft“ bekanntlich das Resultat des Nazifaschismus. Jede Rede über Klasse ist apologetisch, die nicht auf die, höflich gesagt: Faschismusanfälligkeit der Arbeiter reflektiert. Darüber nicht zu reden, das hilft „den Monopolen“ erst recht. (ISF)
Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).