Eröffnungsvortrag der Vorstellung des Erregers
Zur Normalität vor dem Ausnahmezustand rechnete es, dass in Etablissements wie diesen politische Vorträge gehalten wurden. Jedem stand es frei, sie besuchen, sich in einem solchen Rahmen über die Welt schlau zu machen, auf Ähnlich- oder Andersgesinnte zu treffen. Wie wenig normal es in diesem Corona-Sommer Nr. 2 zugeht, merkt man allein schon an der Abnormalität dieser Veranstaltung. Öffentlich, vor real dasitzenden Menschen, ohne weiteres Reglement einen Text zu verlesen, ist immernoch illegal. In der Linken oder an ihren Rändern, wo es noch halbwegs selbstverständlich war, nicht bloß schriftlich oder virtuell über die Bedeutung von politischen Ereignissen zu diskutieren, scheint sich kaum daran jemand zu stören, dass das Vortragsgeschäft vorerst abgeschafft ist. Einige von Ihnen wiederum versuchen, und das ist noch schlimmer, die alten Formate zu retten, indem sie die autoritären Verfügungen noch überbieten. Durch Einfühlung in den Corona-Souverän werden diese aber erst Recht zerstört. Zur Illustration sei hier ein kürzlich verschickter E-Mail-Newsletter mit dem Betreff: „BAIZ macht wieder auf“ der gleichnamigen Kneipe herangezogen, der so aufschlussreich ist, das ich ihn in Gänze vorlesen möchte:
»Juchhuuu! Vorbehaltlich der dann geltenden Regeln öffnen wir am 22.07. endlich wieder unsere Pforten: im Juli vorerst als Testbetrieb Donnerstags-Samstags jeweils von 17:00 bis 23:00 und zunächst nur als Freiluftgaststätte – also „Übergangsjacke“ nicht vergessen! Damit wäre 3G (getestet/geimpft/genesen) nicht mehr unbedingt verpflichtend, nur eine medizinische Maske wird für die Be- und Entsorgungswege weiterhin benötigt.
Viele Läden mussten coronabedingt ihre Preise anziehen, wir versuchen es ohne eine Erhöhung. Weil derzeit aber sämtliche Überbrückungsgelder noch auf eine mögliche Zurückzahlung bei „falscher“ Kostenstruktur geprüft werden, müssen wir dringend auf Kostendeckung achten und beschränken uns deshalb vorerst auf diese Kernzeit. Außerdem dauert es noch ein Weilchen, bis die komplette Tresen-Crew durchgeimpft ist. Sollte sich herausstellen, dass die Resonanz unsere Erwartungen übertrifft, dehnen wir die Öffnungszeiten natürlich umgehend wieder aus…
Wir wollen im August dann auch wieder Veranstaltungen anbieten, vorerst wäre das donnerstags und freitags im Zeitraum von 18-22 möglich, außerdem gibt es endlich mal wieder den Filmklub – nur eben als Samstags-Flimmerstunde für Erwachsene jeweils um 19:00 Uhr. Das [vermutlich dann gültige] Hygienekonzept für die Veranstaltungen steht schon mal gaaanz unten. Also, wenn Ihr dringend mal wieder was veranstalten wollt: Kontakt wie immer über mts[ät]baiz.info
Wir freuen uns drauf!
Eure BAIZ-Crew«
Das unvermeidliche Hygiene-Konzept des Berliner Autonomen Informations Zentrums – korrekter sollte man wohl sagen: Impf Zentrums, klingt dann wie folgt:
Wegen unserer Verantwortung für die Gäste wäre am Einlass (egal, ob dann noch offiziell vorgeschrieben, oder nicht) eine 3G-Kontrolle (getestet, genesen, geimpft) durch Euch vermutlich immer noch sinnvoll. Wegen der Kontaktnachverfolgung sollte eine Anwesenheitsliste geführt werden (falls ihr mit Reservierungen arbeiten wollt, hättet ihr die ja vorher schon). Grobe Obergrenze der Teilnehmenden wäre 25, wenn aber ausnahmsweise 10 Leute mehr kommen, kriegen wir die aufgrund der anderen Maßnahmen auch noch unter. Vermutlich werden außerhalb des Sitzplatzes medizinische Masken noch eine Weile verpflichtend bleiben. Ach ja, unsere Lüftung (Zuluft von draußen, Abluft in den Schornstein) tauscht die Raumluft ca. zweimal pro Stunde komplett aus – davon träumen viele Schulen…
Nicht nur, dass man scheinbar „aus Sicherheitsgründen“ 2 Monate den Laden einfach zulässt und sich dann freiwillig in den Öffnungszeiten absurd einschränkt, um gleichzeitig den Staat um die fehlende Kohle anbetteln zu müssen. Auch die augenzwinkernde Aneignung der Hygienie-Maßnahmen und das notorische „Durchimpfen“ der Mitarbeiter machen diesen Rundbrief zu einem beeindruckenden Zeugnis der derzeitigen Paranoia. Wie überhaupt unter der Gängelung solch eines selbstproduzierten Kontroll-Regimes Geselligkeit sich einstellen oder wie in einem unbedingt keimfreien Safespace auch nur ein vernünftiger Gedanke zur Welt vorgetragen werden soll, darüber haben diese „Autonomen“ sich anscheinend nicht informiert. Eine Kneipe will von sich aus schon kein hygienischer, sauber geordneter, entgrenzungsfreier Raum sein und ihn durch freiwillige Maßnahmen dazu zu sterilisieren, ist für linke Orte wie die BAIZ nicht eine äußerst unangenehme, von Außen aufgenötigte und nur aus Furcht vor Sanktionen vollzogene Sache, sondern ein mit Leidenschaft betriebener Sport. Einzig wer selbst die staatlichen Institutionen mit beneidenswerten Lüftungsanlagen und sexy Hygienekonzepten überholt, beweist damit seine pandemistische Gesinnung zur Genüge, verhält sich wirklich „solidarisch“ und grenzt sich so konsequent von „Verschwörungstheoretikern“ und „Corona-Leugern“ ab.
Aber auch abseits solcher, gar nicht so extremen Beispiele, mag manch einer erleichtert sein, dass er in den precorona viel, und jetzt auf Kommando, auch mal wieder frequentierten „Freiräumen“ nicht mit anstößigen Fragen, z.B. über den stets noch verlängerten Ausnahmezustand, behelligt wird. Selbst bei ansonsten klugen und wachen Zeitgenossen, die man jetzt mal unerwartet wieder trifft und mit denen sonst über Politik geredet wurde, hat man bis weilen das Gefühl, dass jedes Gespräch über die andauernde Krise tunlichst vermieden werden soll. Dort wie überall ist Nervosität und innere Unruhe zu spüren, erst Recht, wenn es auf das unumgängliche Thema Corona geht. Denn es ist unumgänglich, weil eine jede Lebensäußerung durch den Ausnahmezustand zwangspolisiert wurde. Kontakte einschränken, Abstand halten, Maske tragen, Herumfuchteln mit dem Ellenbogen zur Begrüßung .. das alles sind keine unfänglich-alltäglichen Handlungen, sondern symbolische Akte der Unterwerfung. Jeden noch irgendwie aufrechten Menschen ginge es etwas an, wenn ihm dauerhaft sein auch vorher nicht rosiges Leben durch Verbote und Dekrete, durch Panikmacher, Denunzianten und Technokraten, durch Drosten, Söder und Lauterbach noch weiter zur Hölle gemacht wird.
Aber eine ernsthafte Auseinandersetzung, wie sie seit 17 Monaten in jedem politischen Milieu und in jeder WG fällig wäre, findet nicht statt. Als Grund dafür kann nur angenommen werden, dass der Schockzustand vom März 2020 anhält und also die diffuse Angst weiter jeden Gedanken blockiert. Oder, anders formuliert, und das kann einem jeder „kritische Theoretiker“ eigentlich im Schlaf aufsagen: Die Menschen stören sich nicht an ihrer eigenen Knechtschaft und vollbringen es obendrein diese, wo sie als Schicksal unabwendbar scheint, noch als lustvoll zu erleben, Unterdrückung in Masochismus zu wenden. Das ist gewiss keine Neuigkeit. Seit sich dieser Prozess aber neuerdings, vermittelt über abstrakte Zahlenspielereien und scheinbar todesbringene Mikroorganismen reorganisiert hat, erreicht die massenhafte Selbstentwürdigung, das blinde Unterwerfen unter eine unlogische Autorität, durch diese Verschiebung in der Begründungsart, nicht nur eine neue Qualität, sondern hat sich auch selbst unangreifbar gemacht.
Durch ständig neue Erlasse und dem medialen Dauerfeuer, das sie flankiert, hat es man geschafft, das offizielle Corona-Narrativ als inneren und äußeren Blockwart aufzurichten – wer daran zweifelt, wird in den Medien wie im Privaten niedergemacht. Wer kein Versuchskaninchen in einem biologischen Großexperiment sein und sich nicht erpressen lassen möchte, soll mit breitem Einverständnis aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Alle irgendwie kritischen Gegenkräfte müssten daran arbeiten, einen solchen Zustand, wie wir ihn jetzt schon haben, handfest zu bekämpfen, wenigstens jedoch zu bereden. Aber in der linken wie auch in bürgerlichen Presse ist dazu außerhalb der regierungstreuen Propaganda kein Wort zu lesen. Auch von Ideologiekritik und Marxismus hört man wenig, eigentlich fast gar nichts. Mit dem Schweigen ist ausgedrückt, dass man sich abgefunden hat.
Lässt man sich dann überhaupt einmal auf eine Diskussion ein, wird jeglicher Einwand gegen die autoritäre Formierung von Staat und Gesellschaft mit fadenscheinigen Argumenten abgewehrt, wie z.B. dem, dass doch nur ein paar gelangweilte Mittelstandskids sich ihre Kneipe zurückwünschten, es aber doch weitaus größere Probleme gäbe. Alles halb so wild, oder? Es ist aber eben nicht nur die Kneipe, sondern auch das Theater, der Fußball, die Universität, der Freundeskreis, die Familie, das Büro, mitunter der Arbeitsplatz, recht allgemein gesprochen das eigene leibliche Wohlergehen und vorherige Leben. Vieles ist, von heute auf morgen, in der alten Form, auf Befehl von oben, vorerst und wer weiß wie lange, verschwunden oder bloß als digitales Ersatzprodukt abrufbar. Das entweder als eine Banalität oder als nur vorübergehenden Zustand kleinzureden, wo nicht gleich ‚Lockdown forever‘ geblökt wird, kommt einem Packieren mit dem Notstandsstaat gleich und hilft der sog. neuen Normalität zur weiteren Befestigung. Dem Streit wird wohl auch deshalb ausgewichen, weil er das eigene Mitläufertum aufdecken könnte. Und Mitläufer, das wollen selbst die linken Anhänger des Corona-Regimes bei aller offen zur Schau gestellten Obrigkeitshörigkeit, nicht sein. Da sie es aber faktisch sind, ist es gerade dieser Umstand, der verdrängt und rationalisiert werden muss. Wer die Angst wählte, sich isolierte, die verrückten Diktate bienenfleißig befolgte und damit der Volksgemeinschaft der Seuchenbekämpfer beitrat, hat ein schlechtes Gewissen und wird allein zur Aufrechterhaltung seiner Selbstachtung dem Konflikt aus dem Weg gehen. Jens Spahn brachte es zynisch auf den Punkt: „Wir werden uns gegenseitig viel verzeihen müssen“. Hinzufügen wäre: Ebenso jeder sich selbst.
In der jüngeren Vergangenheit war es nie so wichtig, einen Streit um die Sache zu führen, wie heute, wo sich vor aller Augen und eben kaum widersprochen eine neuartige politische Herrschaftsform installieren kann, der man ganz und gar passiv gegenüber steht. Grundsätzlich wäre zu fragen und im breiten Verbund aller oppositionellen Gruppen und Fraktionen zu diskutieren, was es mit dem Corona-Regime auf sich hat. Erst recht jetzt, wo allen klar sein müsste, dass der Ausnahmezustand so schnell nicht wieder aufgehoben werden wird. Man hat dabei überhaupt nur eine Chance, zu verstehen, was zur Zeit passiert, wenn man nicht das Virus als Grund für den autoritären Quatsch der Gegenwart annimmt. Schaut man genauer hin, stößt man im gesamten Wirrwarr der Maßnahmen hinten und vorne nur auf Widersprüche, die jedoch der wahnhaft konstituierten Wirklichkeit längst nichts mehr anhaben können. Was immer der tiefere Sinn und Zweck des pandemischen Ausnahmezustands auch ist, das Wohl der Menschen, ihre Bedürfnisse und Gesundheit werden durch das Maßnahmenensemble nur noch weiter hinab gedrückt. Am ehesten noch muss vermutet werden, dass sich hinter der totalitären Virusbekämpfung ein neuerliches Disziplinierungs- und Selbstzüchtigungsprogramm versteckt, eine feierlich-panische Einstimmung auf härtere Zeiten, der sich niemand mehr soll entziehen können und in denen alle vorherig vielleicht noch vorhandenen Schlupflöcher und Vergnügungsmöglichkeiten einkassiert wurden.
Um sich das Zerstörungspotential des Lockdowns bewusst zu machen, genügt ein Blick auf das persönliche Umfeld oder das eigene Leben: Waren nicht sehr viele Freunde und Bekannte depressiv und verweifelt? Wie ist es denn einem selbst ergangen im letzten Jahr? Was passiert eigentlich mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen vom Leben, wenn im Herbst die nächste große Einsperrung beschlossen wird? Diese Fragen könnten sich selbst Menschen stellen, die ihr Leben, gemäß eines Atemswegsvirus hygienisch und hysterisch eingerichtet haben. Dass sie das nicht tun, deutet darauf hin, dass die Umstände, die das eigene Leben bestimmen, schon vor Corona nicht sonderlich von Interesse waren. Nachvollziehbar ist dabei, dass jetzt zur warmen Jahreszeit, wo die Ordnungsmacht einige Dinge, zwar unter noch strengeren Auflagen als vergangendes Jahr, aber doch: wieder zeitweise erlaubt und insgesamt die Gemüter etwas lockerer sitzen, dass also im Sommer-Lockdown Distanz zum Dauerzermürbungs- und verwirrungszustand aus dem Winter gesucht wird. Die überfällige Auseinandersetzung aber weiter aussetzen, erhöht das Maß an Realitätsverweigerung nur noch. Wenn es demnächst wieder in den Winter-Lockdown geht, kann endgültig niemand mehr überrascht sein.
Gestritten wurde, wo es dann doch einmal dazu kam, dann hauptsächlich über empirische Fragen nach der Beschaffenheit des Virus, über Statistiken, Todeszahlen und dergleichen. Interessanter Weise weniger oft über die nie dagewesene PCR-Massentestungs-Praxis, vielleicht weil dann der Schwindel zu schnell aufgeflogen wäre. In den allermeisten Fällen verliefen jene Diskussionen ohne Ergebnis, stellt das pandemische Weltbild doch eine abgedichtete Parallelrealität dar, die erst jetzt in manchen Fällen brüchig zu werden scheint. Es half dabei auch nicht, daran zu erinnern, dass der Ausnahmezustand, wie er zu Beginn ausgerufen wurde, sich einzig und allein über die Existenz einer Todesseuche, die alles davor gesehene in den Schatten stellt, begründete. Mit einem Killervirus hat man es nun offensichtlich nicht zu tun und damit wäre die Diskussion um die Legitimität des Lockdowns eigentlich beendet.
Wie man – notwendig beschränkt in seinen Verständnis medizinischer Zusammenhänge – auch immer SARS-Cov2 bewertet, denn man konnte sich ja aussuchen, ob man den staatstragenden Paniktreibern oder den kritischen Wissenschaftlern folgt: Mit einer Viruserkrankung, gegen die, anders als ganz ähnliche Grippenviren, es keinerlei Immunität gibt, die deshalb alle Menschen gleichermaßen mit dem Tod bedrohe, sodass mit Hunderttausenden oder gar Millionen Toten zu rechnen ist, wie anfangs und auch heute noch behauptet wird, hat man es schlicht und einfach nicht zu tun. Die Erfahrung der Corona-Zeit lehrt jedoch, dass nüchternes ins-Verhältnis-setzen von – und sachliche Argumentation mit „den Zahlen“, wie sie von vielerlei Seite geleistet wurde und die jeder interessierte, nicht erst jetzt, sondern sogar noch vor dem offiziell deklarierten „Ausbruch“ nachlesen konnte, gegen das geschlossene „Glaubenssystem Corona“ nicht ankommt. Der Fokus auf die Empirie, so wichtig er die erste Zeit als aufklärerisches Gegengift wider die Panikmache war, ist von der Herrschaft als Zwangsfixierung und Ablenkungsmanöver gewünscht und also der falsche Streit im Falschen, den wir weder im Heft noch hier und heute führen möchten.
Entscheidender, und darum ging es uns mit dem Heft, ist das Gesellschaftliche wieder in den Blick zu bekommen. Was verändert sich in der inneren Zusammensetzungen von Staat, Kapital und herrschender Klasse? Was passiert im Verhältnis der Individuen zueinander? Was hat das Ganze mit Verzichtsehtik, Klimabewegung, Digitalisierung zu tun? Was ist mit China oder Joe „die Mumie“ Biden? Viele Fragen drängen sich auf, die wenigsten davon können wir selbst beantworten. Mit den Essais, Polemiken und Bildern, die wir im Heft versammelt haben und die versuchen, einige Interpretationen anzustellen und die oder andere Attacken zu fahren gegen die Gefolgschaft des Corona-Staates, soll aber wenigstens wieder eine Auseinandersetzung angestachelt werden mit einigen Fragen unserer Zeit. Dahingehend verstehen wir das Heft erstmal auch als Gesprächs- und Diskussionsangebot, von dem wir hoffen, dass es von der ein oder anderen Seite angenommen wird.
Dass die Broschüre überhaupt zustande gekommen ist, verdanken wir auch dem Umstand, dass sich seit dem Beginn des ganzen Wahnsinns einige mehr oder weniger unbeirrbare Individuen zusammengefunden haben, die mit Entschlossenheit gegen die rasenden Veränderungen angeredet und gestritten haben. So konnte sich ein hübscher, diffuser Haufen von Leuten gegen den Notstand sauber verschwören. Als eine Art Jahrbuch dokumentiert „der Erreger“ also neben Texten von uns auch einige nicht-intellektuelle Gegenaktivitäten, die wir versucht haben.
Entgegen der gemeinsamen Tendenz, die sich im Heft ausdrückt, ist dieses uneinheitliche Wir, das sich aus weit mehr Menschen zusammensetzt als dem Kreis der Autoren, sich doch auch bei vielem Uneins. Aber nur indem die auch physische Nähe und damit überhaupt die Möglichkeit der Diskussion um die Sache zugelassen wurde, konnte sich die Angst mildern, eine relative Unbefangenheit herausbilden und neuer Mut geschöpft werden. Und so haben die durchaus destruktiven Effekte, die der Konflikt mit sich bringt, auch die wirklich alleszersetzenden Kräfte der eingebildeten Todesangst ihrerseits unterminieren und in Teilen aufheben können. Es geht also auch darum, das Bedürfnis nach Trennung und Distanz, falscher Harmonie und schaler Konfliktlosigkeit, das schon längst zum herrschenden Allgemeinen geworden ist, anzugreifen. Denn hinter der Angst vor dem Streit verbirgt sich am Ende bloß die Angst davor, seine Angst zu verlieren.
27.7.2021