Chronologie: 28. Dezember – 4. März
28. Dezember 2008: Freunde, Kollegen, libertäre Syndikalisten und Anarchisten sammeln sich vor dem Athener Krankenhaus, auf dessen Intensivstation die eingewanderte Arbeiterin und Gewerkschaftsaktivistin Konstantina Kuneva liegt.
30. Dezember: Die Büros der Gewerkschaftszentrale von Thessaloniki werden aus Solidarität mit K. Kuneva besetzt.
31. Dezember: Tausend Anarchisten sammeln sich vor dem Gefängnis von Korydallos, um mit den Gefangenen Neujahr zu feiern. Sie zünden ein Feuerwerk, spielen laute Musik, singen mit den Insassen Lieder und fordern Freiheit für die Gefangenen vom Dezember und für alle Gefangenen.
1. Januar 2009: Während der Neujahrsfeier finden in Athen, Piraeus und Thessaloniki koordinierte Brandanschläge auf Banken und Autohäuser statt. Demonstranten greifen in Thessaloniki die Polizei mit Steinen an. Die Polizei antwortet mit Tränengas.
5. Januar 2009: Einige maskierte Bewaffnete eröffnen das Feuer auf eine vor dem Kultursministerium in Exarchia postierte Einheit der Aufstandspolizei und verletzen einen Bullen lebensgefährlich. Später bekennt sich die Gruppe Revolutionärer Kampf zu diesem Anschlag, wie auch zu den Angriffen vom 23. Dezember. In ihrem Kommuniqué kritisieren sie den Kapitalismus und rufen zu einem bewaffneten Aufstand auf.
9. Januar: Ein studentischer Gedenkmarsch wegen der Ermordung des Lehrers Temponeras im Jahr 1991 zieht zehntausend Menschen an. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, nachdem die Polizei den anarchistischen Block angegriffen und derselbe zurückgeschlagen hat. Viele Protestierende und Unterstützer wurden von der Polizei verletzt. In Thessaloniki zertrümmern Anarchisten die Büros der Reinigungsfirma OIKOMET aus Solidarität mit der dort angestellten Konstantina Kuneva.
10. Januar: Die Versammlung der Medienarbeiter besetzt mit anderen das Büro des Athener Journalistenverbandes ESIEA aus Protest gegen die verzerrte Darstellung des Aufstands. Sie eröffnen einen Raum für Gegeninformationen und alternative Medien.
17. Januar: Tausende demonstrieren ihre Solidarität mit den Dezembergefangenen von Larissa, der einzigen Stadt, in der die Terroristengesetze gegen an den Ausschreitung beteiligten Schülern zur Anwendung kommen. Die Terrorvorwürfe werden später fallen gelassen.
20. Januar: Anarchisten aus Thessaloniki sammeln 13.000 Euro für eine 74-Jahre alte Frau, deren Kiosk zwei Monate vorher während örtlicher Krawalle niedergebrannt wurde. Hundert Anarchisten greifen im Athener Viertel Aghios Panteleimonas eine faschistische Anti-Einwandererdemonstration an. Während des nächsten Monats können die Faschisten in diesem Viertel eine immer größere Aktivität entfalten und eine eigene Stadtteilversammlung etablieren.
23. Januar: Anarchisten und einige radikale Linke solidarisieren sich mit Konstantina Kuneva, indem sie sich Scharmützel mit Polizeieinheiten liefern, die ein Regierungsgebäude bewachen. Die Bauern blockieren die Autobahn zwischen Athen und Volos sowie einige andere Bundesstraßen, um gegen die niedrigen Preise zu protestieren, die die Europäische Union für landwirtschaftliche Güter festgelegt hat. In derselben Woche besetzen die Bauern auf Kreta den Flughafen von Iraklion.
26. Januar: Der Bürgermeister von Athen unterschätzt die andauernde Macht der Revolte und befiehlt, die Bäume im Patission-Park abzusägen. Der Park soll in einen Tiefgarage umgewandelt werden. Das Fällen der Bäume löst tagelange Aktionen und Ausschreitungen aus. Unter Anderem werden zwei Polizeistationen angegriffen. Anrainer, unter ihnen Anarchisten und Linke, übernehmen am zweiten Tag den Park, besetzen ihn dauerhaft und pflanzen neue Bäume. SYRIZA versucht, den Kampf um den Park aus seinem Zusammenhang – etwa mit der Vertreibung der Einwanderer aus dem Viertel – zu trennen. Er soll in ein isoliertes Thema verwandelt werden, um Stimmen zu gewinnen. Infolgedessen werden sie aus der Versammlung geworfen, die sich im Park gegründet hatte.
Anderswo in Athen besetzt die Versammlung für Gesundheit für vier Stunden die Zahlstelle des Roten Kreuzes, um eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle anzubieten. Sie setzt sich aus Ärzten und Krankenschwestern zusammen, die am Aufstand teilgenommen hatten.
28. Januar: Die Athener Nationaloper wird von Künstlern besetzt. Die tägliche Versammlung lockt 600 Besucher an und diskutiert den Zusammenhang von Kunst, Philosophie und Aufstand. Jede Nacht wird die die Straße draußen von Tausenden Menschen lahm gelegt, indem diese tanzen und improvisierte Musik spielen. Die Besetzung geht bis zum 7. Februar.
2. Februar: In Athen nehmen hundert Menschen an einem Fackelmarsch der Neonazi-Gruppe Goldener Morgengrauen teil, die sich ganz im Stil der frühen Naziaufmärsche und von Mussolinis Schwarzhemden präsentieren. Die Polizei schützt den Aufmarsch vor einem anarchistischen Gegenangriff.
3. Februar: Die anti-autoritäre Gruppe Sekte der Revolution greift eine Athener Polizeistation mit Gewehren und Granaten an. Später am selben Tag gibt es in Piräus Zusammenstöße zwischen Bauern und der Aufstandspolizei.
8. Februar: In Aghios Panteleimonos folgen über 2.000 Menschen, hauptsächlich afghanische, iranische, pakistanische und bulgarische Einwanderer einem Aufruf der Aktivisteninitiative „Wir, hier und jetzt und für uns alle“. Sie feiern ein großes Fest mit Reden und von Einwanderern gespielter Musik, das auch von vielen sympathisierenden Griechen besucht wird.
12. Feburar: Die Initiative der Beschäftigten im Gesundheitswesen besetzt den Eingang und die Zahlstelle des AHEPA-Krankenhaus in Thessaloniki und sorgt für diesen Tag für eine freie Gesundheitsversorgung für alle. Sie verteilen einen Text gegen die Privatisierung der Gesundheitsversorgung.
17. Februar: Die Sekte der Revolutionäre greift den Fernsehkanal ALTER an, indem sie auf 14 Autos ballert, die Journalisten dieser Station gehören. Sie denunziert deren Manipulation der Ereignisse und verspricht, sie das nächste Mal in ihren Wohnungen aufzusuchen.
22. Februar: Dem legendären Gesetzlosen Vassilis Palaiokstas gelingt eine gewagte Flucht aus dem Gefängnis von Korydallos. Er flieht zusammen mit einem albanischen Komplizen in einem Hubschrauber. Er entkommt auf diese Weise schon zum zweiten Mal aus demselben Gefängnis. Anarchisten aus ganz Griechenland machen daraufhin Aufkleber und Buttons, auf dem ein Helikopter abgebildet ist.
24. Februar: Während eines Treffens greifen Unbekannte, wahrscheinlich Faschisten oder Paramilitärs, das Sozialzentrum des Netzwerks für politische und soziale Rechte in Exarchia mit einer Handgranate an. Glücklicherweise wird niemand verletzt.
27. Februar: Etwa sechzig Schüler zweier reicher Athener Viertel greifen das American College an, eine Privatschule für die Kinder der Elite.
3. März: Eine Gruppe von etwa 20 Anarchisten nutzt den Karneval aus. Sie maskieren sich und verüben einen riesigen Brandanschlag auf die Bahnstation von Kifissia, dem reichsten Viertel Athens. Es entsteht ein Schaden von sechzehn Millionen Euro. Der Angriff wurde in Solidarität mit Konstantina Kuneva ausgeführt, die als Putzkraft in Zügen gearbeitet hat. Am selben Tag verprügelt die Hafenpolizei von Patras einen afghanischen Einwanderer, der sich in einem nach Italien fahrenden Lastwagen versteckt hatte. In der Folge randalieren die Einwanderer und es kommt zu Zusammenstößen mit der Polizei.
3. März: Als Antwort auf den faschistischen Anschlag auf das soziale Zentrum der Einwanderer, liefert sich in Athen ein großer Protestmarsch Straßenschlachten mit der Polizei. Es werden etliche Banken und Luxusgeschäfte zerstört. Die Büros der Neonazigruppe Goldener Morgengrauen werden niedergebrannt.