Stellungnahme des taktischen Teams J28
Move-In Day
Dies ist eine Stellungnahme der für die taktische Planung der Gebäudebesetzung am Move-in-Day verantwortlichen Gruppe. Es gab viel Fragen über unsere Rolle während der Ereignisse, unsere Entscheidungen und die Rationalität dieser Entscheidungen. Da wir diese Fragen natürlich nicht öffentlich beantworten können, ohne beträchtliche rechtliche Risiken einzugehen, gab es eine Menge Spekulationen und sogar Verleumdungen. Viele haben unsere guten Absichten angezweifelt, indem sie behaupteten, dass wir eigentlich gar nicht das Ziel hatten, ein Gebäude zu besetzen und nur einen Kampf mit der Polizei anzetteln oder „ein Spektakel inszenieren“ wollten. Vor dem Hintergrund der Arbeit, die wir sowohl auf klandestiner wie auf öffentlicher Ebene in dieses Vorhaben gesteckt haben, finden wir solche Andeutungen verletzend. Jeder von uns hat sich intensiv an den Gebäudeversammlungen und an der mit der Planung beauftragten, geschlossenen Gruppe beteiligt. Letztendlich haben wir diesem Versuch einen ganzen Monat unseres Lebens gewidmet. Wie jeder andere auf den Gebäudeversammlungen wollten wir ein soziales Zentrum in Oakland und sind wirklich enttäuscht, dass wir am 28. nicht erfolgreich waren. Wir glauben aber immer noch, dass der Tag in vielerlei Hinsicht ein Erfolg war. Wir fanden die Organisierung des 28. sehr kraftvoll und glauben, dass die in den Gebäudeversammlungen vollbrachte Arbeit – all die Gespräche, all die geteilten Ideen – weiter Resultate liefern wird. Für einige von uns ist eine solche Organisierung ein wichtiger Teil des Maßstabs, anhand dessen wir Siege oder Niederlagen einschätzen und wir sind stolz darauf, ein Organisierungsmodell versucht zu haben, das sich von den normalerweise für solche Aktionen verwendeten Modellen unterscheidet. Wir haben neue Beziehungen gefestigt und Menschen ermutigt, ihnen ungewohnte Rollen einzunehmen. Unabhängig vom Ergebnis haben wir die Idee, ein Gebäude für gesellschaftliche Bedürfnisse zu beanspruchen, auf eine Weise in den Mittelpunkt gerückt, die es vorher nicht gegeben hat. Dabei zogen wir die internationale Aufmerksamkeit auf eine Rückforderung leerstehenden Eigentums für menschliche Bedürfnisse statt Profit. Selbst wenn die Wiederherstellung der Kommune von Oakland blockiert wurde, so war das immer noch eine Manifestation ihres klaren und grimmigen antikapitalistischen Geistes. Die dadurch angeregten Solidaritätsaktionen – national wie international – bestätigen das. Menschen sind von unseren Taten inspiriert, inspiriert durch unsere explizit antikapitalistische Politik, unsere Ambitionen und unseren Willen, zu sagen und zu tun, was wir wirklich wollen. Wir vermuten, dass diese internen Debatten den Zuschauern aus der Ferne viel weniger drängend erscheinen.
1000 oder 2000 Rebellen auf die Straße zu bekommen, die illegal ein Gebäude in Beschlag nehmen wollen, scheint uns ein großer Erfolg zu sein, etwas, das noch einige Monate vorher überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Wir sehen darin kein geringes Ergebnis, sondern vielmehr einen Beweis für die von den Komitees geleistete Zielgruppenarbeit. Den ganzen Tag agierten Freunde, Genossen und völlig Unbekannte auf eine unglaublich schlagkräftige und mutige Weise. Dabei legten sie eine Grimmigkeit und Entschlossenheit an den Tag, wie man sie vorher kaum hatte beobachten können. Das war in der Tat ein Ausdruck der Kraft, des Mitgefühls und der Hingabe der Kommune von Oakland, unseres Willens, nicht nur unsere Gegner zu bekämpfen, sondern uns umeinander zu sorgen. Trotz der Fehler dieses Tages, wird das auch in Zukunft wichtige Auswirkungen haben. Insbesondere haben wir bemerkt, dass es fast keinerlei internen Zwist während der Straßenschlacht gab. Niemand versuchte, irgendwen davon abzuhalten, Sachen auf die Bullen zu schmeißen oder mit Schildern auf die Polizeikette vorzurücken. Allein dieser Umstand bedeutet für Occupy Oakland einen Schritt nach vorne. Wir können auf der Straße einheitlich und mit wechselseitigem Respekt agieren. Wir hoffen auf mehr davon in der Zukunft.
Nichtsdestotrotz haben wir unser gesetztes Ziel nicht erreicht und es gab an diesem Tag viele fragwürdige Entscheidungen, organisatorische Zusammenbrüche und rein taktische Fehler. Wir wollen dafür geradestehen und wo es möglich ist, die Verantwortung übernehmen. Dazu muss angemerkt werden, dass wir eine relativ große Gruppe sind, viele von uns vorher nie zusammengearbeitet hatten und wir sehr unterschiedliche Blickwinkel auf die Ereignisse dieses Tages haben. Wir sind nicht vollends einig darüber, was falsch und was richtig lief.
Wir werden eine Erzählung der Ereignisse dieses Tages anbieten und dabei so wenig wie möglich eingreifen oder kommentieren. Wir beginnen mit dieser neutralen Darstellung, gefolgt von unserer Kritik der taktischen und strategischen Fehler dieses Tages.
Erzählung
Sobald die Unternehmung Move-in-Day in Gang kam, begann sich eine Gruppe von uns zu treffen, um sich um diejenigen Aspekte der Besetzung zu kümmern, die nicht öffentlich organisiert werden konnten, wie es im Proposal dargelegt worden war. Diese Gruppe umfasste Leute aus den meisten der verschiedenen Komitees von Occupy Oakland. Die meisten von uns hatten nie zuvor miteinander gearbeitet. Einige Mitglieder der Versammlung, die sich diesem Prozess anschlossen, hatten bereits begonnen, passende Orte auszukundschaften, während das der Hauptversammlung unterbreitete Proposal angefertigt wurde. Nachdem sich die Gruppe formiert hatte, suchten andere Teams weiter nach Orten, die unseren Kriterien genügten. Es war uns sehr wichtig, dass das Gebäude folgende Bedingungen erfüllte: 1) Es sollte sich lieber im Besitz eines Konzerns oder einer Regierungsstelle befinden als im Besitz einer Privatperson; 2) Es sollte groß genug sein, um all unseren Versammlungen und Komitees Platz zu bieten; 3) Es brauchte Wasser und Strom; 4) Es sollte relativ nah am Oscar Grant Plaza liegen; 5) Es sollte ein Gebäude sein, in das man relativ leicht hinein kommt, sowohl zum Zwecke der Erkundung, als auch für die Besetzung am 28.; 6) Es sollte in einer Umgebung sein, in der die Belastung für die Nachbarn relativ niedrig sein würde. Ein all diesen Kriterien genügendes Gebäude zu finden, war deutlich schwieriger, als wir erwartet hatten. Am Ende hatten wir drei Gebäude in der engeren Auswahl, darunter das Kaiser-Zentrum. Die anderen beiden Gebäude erfüllten nicht alle Kriterien vollständig, aber wir einigten uns darauf, sie als Alternativen zu benutzen.
Unter diesen Umständen und da die anderen beiden Optionen einige entscheidende Makel aufwiesen, fanden wir, dass das Kaiser-Zentrum der Plan A sein sollte. Wir schätzten, dass wir um die 1000 Menschen bräuchten, um das Kaiser-Gebäude erfolgreich einnehmen und verteidigen zu können. Obwohl es ein offenes Geheimnis war, dass das Kaiser-Zentrum ein mögliches Ziel sein könnte und es schon seit November öffentlich als Möglichkeit diskutiert wurde (es wurde sogar als ein potentieller Ort gehandelt, den uns die Bürgermeisterin als Ersatz für das geräumte Camp anbieten könnte), fanden wir, dass es einen Versuch wert sein könnte, noch vor der Polizei zu den Eingängen des Kaiser-Zentrums zu gelangen. Wir dachten, dass die Geschichte des Kaiser-Zentrums – es wurde von der Stadt Oakland an die eigene Umstrukturierungsagentur verkauft, womit sichergestellt wurde, dass es auf unabsehbare Zeit unbenutzt bleiben würde – dabei helfen könnte, Unterstützung für unsere Besetzung aufzubauen und einiges Licht in die finsteren Geschäfte der Umstrukturierungsagentur Oaklands bringen würde. Der Umstand, dass es sich um städtisches Eigentum handelte, erhöhte die Wahrscheinlichkeit für uns, drin bleiben zu können – anders als im Falle von Konzerneigentum, bei dem die Polizei offenbar verpflichtet wäre, einzugreifen, wenn die Besitzer dies fordern. Daher entschieden wir, dass wir uns in diese Richtung aufmachen würden, sofern die Demonstration ausreichend groß sei und es keine Polizeiaktivität um das Gebäude gebe. Unser ursprünglicher Plan bestand darin, in die 10th St. vor das Kaiser-Zentrum zu gelangen, den Zaun an der Seite des Gebäudes einzureißen und den Platz zwischen dem Kaiser-Zentrum und dem Oakland-Museum zu füllen. An diesem Punkt würde uns unser Einstiegsteam in das Gebäude bringen. Sollte das nicht funktionieren, waren wir darauf vorbereitet, von der Seeseite des Gebäudes her vorzudringen und die beiden Absperrungen dort einzureißen. Falls wir von beiden Seiten des Gebäudes abgeschnitten würden, wollten wir zu Plan B übergehen. (Plan C war zu weit vom Kaiser entfernt und nur als Alternative vorgesehen, wenn unsere Anzahl auf dem Platz unter 1000 geblieben wäre). Wir bildeten vorne einige unterschiedliche Gruppen aus Leuten, die die Gegend und die Pläne kannten und darauf vorbereitet waren, auszuhelfen.
Als die Demo zu Ende ging, schwoll die Teilnehmerzahl auf an die 1000 an und als wir den Platz verließen, meldeten unsere Kundschafter, dass es immer noch keine Polizeiaktivität am Kaiser gab. Es war ein schöner Tag. Die Polizei war durch ein als Köder benutztes Gebäude an der 30th Ecke Telegraph abgelenkt und aus dem Konzept gebracht worden. Dieses hatten sie umzingelt und mit Bullen besetzt. Ansonsten schienen sie weitgehend auf kleinere Sammelpunkte über die Stadt verteilt zu sein. Wir zogen in Richtung See los. Als wir von der 12th St. auf die Madison St. kamen, berichteten unsere Kundschafter, dass auf der Kreuzung der 10th und Oak Polizeiwägen parkten und ebenso auf der der 12th und Oak. Als wir zur 10th Ecke Madison kamen, konnten wir sehen, wie einen Block weiter auf der Oak die Reihe für das Scharmützel formiert wurde. Und wir wussten, dass wir außerdem auf der 12th blockiert waren. (Die 11th kam nicht in Frage wegen des Tunnels, ein effektiver Kessel). An diesem Punkt entschieden wir, zu schauen, ob wir uns durch das Laney College schlagen und dann in die 10th strömen könnten. Fast hätten wir es geschafft, aber die Polizei blockte die Spitze des Zuges bei dem Versuch ab, die ersten Treppenstufen hinunterzugehen.
Auf diese Weise gezwungen, uns unseren Weg durch das Laney zu bahnen, wurden viele von uns getrennt. Es war schwer, die Gruppe durch die engen Pfade des Colleges zu bringen. Als wir das Laney verließen, verloren wir die Spitze des Marsches bei dem Versuch, uns neu zu gruppieren. Einige Leute machten weiter, indem sie umkehrten und sich der Seeseite des Kaiser-Zentrum zuwendeten, statt zu Plan B überzugehen, wie es geplant war. Als wir mit ihnen zusammentrafen, gab es eine Pattsituation mit der Polizei. Wir versuchten, die Menge zu ermutigen, die Linien zu stürmen, indem wir damit begannen, einige Zäune umzureißen, aber das war nicht erfolgreich. Durch das Gefecht mit der Polizei verärgert und da es so schien, als seien die Leute daran interessiert, es weiter mit dem Kaiser zu probieren, leiteten wir den Marsch um die Ecke und versuchten, eine bessere taktische Position zu finden, von der aus wir durch die Polizeiketten schlüpfen könnten. Auf der Oak St. unterstützten wir die Leute bei ihrem Versuch, die Polizeiketten zu durchbrechen. Die Leute schienen gewillt, es darauf ankommen zu lassen. Der folgende Kampf war enorm inspirierend, selbst wenn wir nach unserem ursprünglichen Plan längst auf dem Weg zu Plan B hätten sein sollen. Die Leute zeigten beeindruckenden Mut, aber der Zusammenstoß war aufreibend. Plan B schien an diesem Punkt zu weit entfernt und schwierig zu erreichen – wir hätten die Polizei umrunden und uns Richtung Ost-Oakland aufmachen müssen. Wir beschlossen, zum Platz zurückzukehren.
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Zurück auf dem Platz mussten wir entscheiden, ob wir zu Plan C übergehen, die Sache beenden oder etwas anderes tun sollten. Plan C war zu Fuß ein bisschen weit, wenn man bedenkt, was wir gerade durchgemacht hatten. Außerdem war uns klar, dass die Polizei unser Ziel erraten und uns wahrscheinlich blockieren würde, sobald wir zu C übergehen. Gleichzeitig war klar, dass die Leute von der Schlacht auf der Oak St. sehr aufgeputscht waren und versuchen wollten, ein Gebäude zu bekommen. Wir fühlten eine gewisse auf dem Energielevel basierende Dringlichkeit, waren aber sehr sicher, dass viele nach Hause gehen würden, wenn wir nicht schnell etwas unternahmen. Wir kamen auf die Idee, es mit dem Gebäude der Traveler’s Aid zu versuchen. Wir schickten einen Kundschafter aus, um es zu begutachten. Es gab Leute, die in dem Gebäude arbeiteten und die Tür mit einem Vorhängeschloss verschlossen hatten. Wir gingen davon aus, dass wir das Schloss aufbrechen könnten, dass die Arbeiter gehen würden und wir unsere Besetzung hätten. Obwohl dieses Gebäude nicht unseren Kriterien entsprach – es gehörte einem reichen Privateigentümer und nicht einem Konzern und es war kleiner, als wir es brauchten – dachten wir, dass wir, angesichts der aggressiven Polizeireaktion, damit wohl die meiste Aussicht auf Erfolg hätten. Wir versammelten uns auf der 14th Ecke Broadway und marschierten rüber zum Traveler’s-Aid-Gebäude. Als wir ankamen, hatte es die zuständige Gruppe jedoch nicht geschafft, mit ihrem Werkzeug das Schloss zu knacken. Während wir vor der Traveler’s Aid standen und herauszufinden versuchten, was wir nun tun sollten, ging der Marsch los, um die Ecke die San Pablo hoch. An diesem Zeitpunkt zerbrach praktisch unsere Entscheidungsstruktur und wir versuchten krampfhaft, einen Ort zu finden, zu dem wir den Zug führen könnten. Die meisten von uns in der taktischen Gruppe hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, was wir tun sollten, und keine Zeit das auszuknobeln. Während wir unsere Optionen diskutierten, wurden wir auf der 19th Ecke Telegraph eingekesselt, konnten aber auf wundersame Weise entkommen und gingen weiter die Telegraph hoch, auf das Gebäude zu, dass diesen Morgen als Köder gedient hatte. Jedoch blockiert uns die Polizei an der 28th, und einmal auf dem Broadway angekommen, bewegte sich der nicht mehr vollständig in unserer Hand befindliche Zug zurück zum Platz, was sinnvoll erschien. Die meisten von uns waren im letzten Kessel auf dem Broadway festgenommen worden, auch wenn einige entkamen und auf die andere Seite des Kessels gingen, um die verhafteten Genossen zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt fingen von den Ereignissen aufgebrachte autonome Kleingruppen an, auf die Polizeigewalt in einer Weise zu antworten, die sie für angemessen befanden – sie verschafften sich beispielsweise Eintritt ins Rathaus und demolierten es oder sie marschierten zum Gefängnis und versuchten, die Polizeibusse zu blockieren.
Analyse, Selbstkritik und Vorschläge für die Zukunft
Wir haben während des ersten Marsches einige taktische Fehler begangen und einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Wie schon gesagt, haben wir keinen Konsens darüber, was richtig und was falsch lief, und können nur die folgenden Perspektiven aufzeigen.
Der erste Marsch
1) Sich durch das Laney zu schlagen ist sicherlich fragwürdig. Wir haben das Gefühl, dass es hätte klappen können und dann als brillantes Gambit angesehen worden wäre. Die einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, die Polizeiketten anzugreifen oder sofort zu Plan B überzugehen. Manche von uns denken, dass es am besten gewesen wäre, die Linien zu stürmen. Rückblickend hätten wir die Polizei vielleicht tatsächlich umzingeln können, wenn wir den Marsch aufgeteilt hätten: Eine Hälfte macht Druck auf die Polizeiketten auf der Oak und die andere Hälfte geht durch das Laney.
2) Den Marsch in der Laney entwischen zu lassen, war ein klarer Fehler der Kontrolle. Dadurch kehrte die Menge wieder zurück zum Kaiser-Zentrum, obwohl viele von uns meinten, es wäre eine viel bessere Idee gewesen, nun zu Plan B überzugehen, da klar war, dass die Polizei das Gebäude bereits umstellt und abgeriegelt hatte. Andere finden, dass wir immer noch eine Chance gehabt hätten und besser die Polizeikette auf der Seeseite des Gebäudes hätten angehen sollen. Die Menge hätte somit die richtige Entscheidung getroffen. Wieder andere des Entscheidungsteams hatten Vorbehalte gegen Plan B, hauptsächlich, weil es sich in einem Wohngebiet befand. Sie wollten einen solch intensiven Kampf nicht an so einem Ort austragen.
3) Wenn man berücksichtigt, was danach passierte, war klar, dass die Menge wirklich gewillt war, die Polizei zu bekämpfen. Auch wenn wahrscheinlich nur eine kleine Chance bestand, erfolgreich die Türen zu erreichen, und wir wahrscheinlich längst auf dem Weg zu Plan B hätten sein sollen: Die Schlacht auf der Oak St., wie sie genannt wurde, war für uns alle unglaublich bewegend und wir legen großen Wert auf dieses materielle Zeugnis unseres Hasses auf die Polizei und unseres Wunsches nach einem Zuhause für die Kommune von Oakland. Wir glauben nicht, dass die Leute so hart gekämpft hätten, wenn sie sich nicht dem Projekt, ein neues Zuhause für Occupy Oakland zu erobern, verpflichtet gefühlt hätten.
Der zweite Marsch:
1) Unsere Entscheidungsstruktur brach praktisch zusammen und wir wurden eher durch eine gewisse Dringlichkeit zu schnellen Entscheidungen verführt, als dass wir den Plänen und Gedanken gefolgt wären, mit denen wir gekommen waren. Unser Unwillen, den Tag abzuschließen und dabei das Gefühl der Ernüchterung und Niederlage in Kauf zu nehmen, erwies sich als Schwäche. Wir müssen bereit sein, strategische Rückzüge zu machen.
2) Wir trafen eine hastige Entscheidung, das Gebäude der Traveler’s Aid zu besetzen, bereiteten aber die korrekte Umsetzung nicht adäquat vor. Genauer gesagt hatte unser Einstiegsteam nur ein Werkzeug und das war für diese Aufgabe unbrauchbar. Sie hätten ein anderes, für diese Situation passendes Werkzeug haben sollen. Letztendlich sind wir uns aber darüber uneinig, ob wir, statt das TA-Gebäude in Angriff zu nehmen, nicht lieber etwas anderes hätten tun sollen, etwa zu einem anderen Gebäude unserer langen Liste übergehen, Plan C versuchen oder den Tag beenden.
3) Nach dem Fehler bei der Traveler’s Aid brach die Sache komplett zusammen. Wir hätten an die Spitze des Zuges springen und ihn zum Platz zurückführen sollen, auch wenn uns bewusst war, dass wir kein wirklich gutes Ziel hatten. Während wir versuchten herauszubekommen, was zu tun sei, wurden wir eingekesselt, und nach dem Ausbruch ging der Marsch auf eigene Faust in Richtung Telegraph. Der Zug war abgefahren, aber wir hätten Wege finden müssen, ihn zu stoppen.
4) Nachdem wir einmal eingekesselt worden waren, hätten wir so agieren müssen, dass ein zweiter Kessel vermieden worden wäre. Wir hätten den Zug von allen Situationen fern halten müssen, in denen wir der Polizei in die Falle gehen konnten. Besonders der Broadway ist eine schlechte Straße. Wir hätten den Marsch so schnell wie möglich zurück auf die Telegraph bringen müssen.
Allgemeine Selbstkritik und andere Bemerkungen
1) Im Rückblick scheinen die Kriterien des Proposals, besonders die um die Eigentümerschaft (oder unsere Interpretation derselben) sehr problematisch. Es gibt nicht so viele brauchbare kommerzielle Räume, die sich im Eigentum von Banken oder Konzernen befinden, wie man denken könnte. Jedoch gibt es viele brauchbare Räume, die Privateigentümern gehören, zum Zwecke der Investition. An dieser Stelle wird die gegen Konzerne (statt gegen den Kapitalismus) gerichtete Ideologie der Occupy-Bewegung zur Beschränkung. Wir hätten eine Diskussion darüber mit der Versammlung initiieren sollen, um herauszubekommen, was die Leute davon halten.
2) Viele von uns haben das Gefühl, dass wir nicht gut genug mit dem Marsch kommuniziert haben. In einem entscheidenden Moment schafften wir es nicht, an dessen Spitze zu bleiben. Auch wenn wir die meisten Entscheidungen des Zuges anregten, so war unser Team doch nur unzureichend als Anführer oder Entscheidungsträger sichtbar. Selbstverständlich sind viele von uns mit solch einer Autorität unzufrieden, aber wir erkennen an, dass eine sichtbare, identifizierbare Demo-Spitze wichtig ist. Viele von uns haben das Gefühl, dass unser Entscheidungsfindungsteam nicht effektiv miteinander beraten, die Informationen der Kundschafter eingeholt und den Marsch schnell geleitet hat. Wir haben das Problem diskutiert, dass wir mehr Leute für die Leitung von Märschen bräuchten oder dass eine einzelne Person sich zwar nach Möglichkeit mit anderen berät, jedoch im Notfall selbstständig Entscheidungen treffen kann. Geschwindigkeit ist wichtig.
Allgemein haben wir das Gefühl, dass „führerlose“ Bewegungen wie Occupy Oakland – deren Grundprinzipien wir unterstützen – zu wenige Leute hervorbringen, die willens sind, aufzustehen und einen Marsch mit einem Megaphon zu leiten. (Wir wollen außerdem anmerken, dass das Patriarchat eine große Rolle dabei spielt, wer als Marschanführer wahrgenommen und respektiert wird.) Das führt zu sehr komplizierten Fragen über Macht und Autorität in solchen Situationen, über die Notwendigkeit strategischer „Führerschaft“ oder von Anweisungen und über die Widersprüche, die dies für Leute aufwirft, die im Allgemeinen gegen Führerschaft und Autorität opponieren. Während des ganzen Tages haben wir uns bemüht, der eigenen Verantwortlichkeit nachzukommen, also den Marsch zum Erfolg zu führen, Entscheidungen für die Gruppe zu treffen und dennoch gleichzeitig im Geiste von Occupy Oakland die Autonomie der Individuen und Gruppen zu respektieren. Das ist in solch einer Situation ein schwieriger Balanceakt. Es gibt Momente, in denen autonome Aktionen den Erfolg erschweren und Momente, in denen autonome Aktionen genau das Richtige sind. (Hätte etwa eine autonome Gruppe die Polizei von der Flanke angegriffen, als sie an der 10th Ecke Oak den Schildern gegenüber standen, die Madison hochkommend und die 10th herunter, dann hätten wir dort vielleicht an den Polizeiketten vorbeikommen können.) Wir hoffen, dass wir solche Themen diskutieren und über die neuen Organisationsformen, die sie erfordern, nachdenken können.
3) Wir hätten vorher mehr Szenarien durchspielen sollen. Auch wenn viele von uns denken, dass es unmöglich ist, alle Unwägbarkeiten und Möglichkeiten durchzuspielen, auf die man treffen kann, so hätten wir doch an die Möglichkeit denken sollen, den Marsch zugunsten von mehr taktischer Schlagkraft in zwei Hälften zu teilen. Wir haben zwei Orte aufgezeigt, an denen die Fähigkeit, den Marsch zu teilen, vielleicht zu einem Erfolg hätte führen können.
4) Viele haben vorgeschlagen, dass wir die Besetzung völlig anders hätten angehen sollen – heimlich das Gebäude besetzen und versuchen, das Mietverhältnis gesetzlich zu regeln. Auch wenn wir glauben, dass es wichtig ist, Gebäude auf eine solche Weise zu besetzen – in anderen Worten, Squatting – und einige unter uns Squatter sind, so ist es nicht möglich, auf diese Weise kommerziellen Raum zu besetzen. Jedenfalls ist es nicht möglich, auf eine solche Weise einen Raum zu besetzen, der die Bedürfnisse des Proposals erfüllt hätte. Man kann diese Sorte Gebäude nicht still besetzen, und selbst wenn man das könnte: Der Sinn des Proposals war, einen Raum für die Kommune von Oakland zu schaffen, was alles andere als ruhig ist. Andere haben vorgeschlagen, dass wir in der Nacht vorher hätten hineingehen und dann die Leute hinbringen sollen. Letztendlich sehen wir nicht, was das für einen Unterschied gemacht hätte. Die Masse der Leute, die gekommen wären, um die Besetzung zu unterstützen, wäre auf denselben Widerstand gestoßen, jedenfalls sofern man diesen Tag als Tag der Besetzung angekündigt hätte. Wir glauben, das größte taktische Problem besteht darin, dass man für eine Besetzung Hunderte, wenn nicht Tausende Unterstützerinnen braucht. Eine Schwierigkeit besteht darin, diese Leute zum Gebäude zu bringen, bevor die Polizei einen blockiert oder die sich bereits im Gebäude befindenden Leute hinausschmeißt. Besonders, wenn man die Leute offen darüber informieren will, was passieren wird und was sie eventuell zu erwarten haben. Wir hoffen auf mehr Debatten darüber, wie dieses Projekt auf einer taktischen Ebene Erfolg haben kann.
Eine abschließende, leicht philosophische Bemerkung
Wir haben herausgestellt, inwiefern wir denken, dass der Tag ein Erfolg war, und inwiefern er ein Fehlschlag war. Aber wir wollen auch betonen, dass diese Begriffe sehr relativ und letztlich zweideutig sind. Für einige von uns ist alles außer der vollständigen Zerstörung des Kapitalismus ein Fehlschlag. Die Geschichte ist voller überraschender Wendungen, Drehungen und Verkehrungen. Letztlich weiß niemand von uns, was das alles nach einem Monat, einem Jahr, einer Dekade bedeutet haben wird. Wir bemerken, dass in vielerlei Hinsicht einige der größten Erfolge von Occupy Oakland aus „Niederlagen“ geboren wurden. Die Auswirkungen von Niederlagen sind nicht immer klar. Einige Fehlschläge führten zum Erfolg. Einige Erfolge führten zu Fehlschlägen. Die Räumung des Camps am Morgen des 25. Oktober war ein klarer Fehlschlag. Wir hatten nicht die Kapazitäten, uns gegen die Militäroperation der OPD (1) zu verteidigen. Der in der Nacht des 25. erfolgte Versuch, die Polizeiketten zu stürmen und den Platz wieder einzunehmen, war erfolglos. Diese Nacht bestand aus einer Reihe bemerkenswerter und mutiger Fehlschläge, die Polizeikette an der Broadway Ecke 14th zu nehmen. Und auch wenn fünftausend Leute auf der Straße waren, die Polizei benutzte Tränengas und trieb uns immer wieder zurück. Aber warum hat es sich dann wie ein Sieg angefühlt? Einer der Gründe, warum wir in der nächsten Nacht in der Lage waren, den Platz wieder einzunehmen, liegt darin, dass die Polizei einige Leute schmerzhaft verletzt hatte – einer davon war ein Kriegsveteran. Sie wurde dafür in der Öffentlichkeit verurteilt und musste sich zurückziehen. Der Punkt ist also, dass wir nicht wissen, was passieren wird. Das heißt nicht, dass alle Entscheidungen gleichgültig wären. Fragen der Strategie und Taktik sind oft äußerst wichtig, aber sie müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Auswirkungen taktischer Erfolge oder Fehlschläge schwer vorherzusehen sind. Wir stehen einem übermächtigen Feind gegenüber und gewinnen daher manchmal indirekt, indem wir Bedingungen für Ereignisse schaffen, die als nächstes passieren, so wie die Räumung des Camps die Bedingungen für den Generalstreik schuf.
Daher ist es wert, Sachen auszuprobieren, selbst wenn man weiß, dass sie vielleicht nicht klappen werden. Denkt zum Beispiel darüber nach, wie der Tag hätte anders als J28 verlaufen können. Wir wissen nicht, was passiert wäre, wenn wir Plan B erreicht hätten, oder wenn wir uns entschlossen hätten, stattdessen Plan C auszuführen. Wir wissen letztlich nicht, ob wir diese Orte hätten erreichen können, ohne blockiert und eingekesselt zu werden oder nicht. Die Polizei schien entschlossen, jedwede ihr zur Verfügung stehende Kraft zu nutzen, um die Heiligkeit des Privateigentums zu bewahren. Unter solchen Umständen dürfte das Halten eines Gebäudes unmöglich sein. Es gibt da keine Zaubertaktik, keine Geheimwaffen. Nichtsdestotrotz glauben wir immer noch, dass das Projekt, Occupy Oakland ein Zuhause zu verschaffen, von äußerster Wichtigkeit ist. Wir hoffen, dass unsere Erfahrung, unser fehlgeschlagener Erfolg und unser erfolgreicher Fehlschlag uns irgendwann zum Ziel führen werden. Lang lebe die Kommune von Oakland!
(1) Oakland Police Department
Quelle: http://occupyoaklandmoveinday.org/content/statement-j28-tactical-team