Eine Nachricht an die Partisanen im Vorfeld des Generalstreiks
Wir sind die Konsequenz. So gibt sich die Poesie des Augenblicks, gesprüht an eine Barrikade aus Müllcontainern vor dem Camp von Occupy Oakland, in den Stunden, bevor es von Hunderten von Bullen belagert und zerstört wurde. Eine Drohung, ein Versprechen. Aber mehr noch bedeutet diese Phrase, dass das, was hier in Oakland passiert, nicht nur eine vergängliche Explosion oder einer jener Krawalle ist, die alle zwei Jahre wie ein Komet durch die Stadt fegen. Nein, es ist Teil einer Sequenz. Die Dinge, die wir tun, haben Konsequenzen. Unsere Leben sind nicht länger eine Aneinanderreihung von Zufällen und Trivialitäten und nicht mehr eine zufällige Anordnung von inkonsequenten Momenten. Endlich passiert das, was passiert, mit Grund, auch wenn dieser Grund aus der Perspektive der herrschenden Ordnung als die reinste Irrationalität erscheint. Endlich ist das, was passiert, das, was passieren muss, auch wenn dies aus der Perspektive der herrschenden Ordnung als reiner Zufall erscheint. Es gibt Konsequenzen. Wir sind diese Konsequenzen. Wir sind die reinen Produkte eines politischen und ökonomischen Systems, das uns noch nicht einmal mehr das blanke Überleben, von dem sein eigenes Überleben abhängt, garantieren kann. Ein System, das uns noch nicht einmal mehr unerträgliche Jobs oder todlangweilige Schulerziehung wie in den letzten Jahrzehnten bieten kann. Auch kann der amerikanische Staat nicht mehr den sozialen Frieden sichern – nicht einmal, wenn er es sich leisten könnte, nochmal zwei Millionen Menschen einzusperren. Die Konsequenzen sind da. Nachdem sie die Welt als Krawalle, Generalstreiks, riesige Zeltlager in den Städten und Fast-Revolutionen umkreist haben, sind diese Konsequenzen letztendlich in die verrottenden US-Städte zurückgekehrt, in denen die Krise zum ersten Mal auftrat.
Aber wir sind mehr als die bloßen Symptome des Zusammenbruchs des Kapitalismus. Wir sind auch die Vollzieher der Konsequenz. Wir sind das Scharnier zwischen wenn und dann. Wir verwirklichen, dass das, was passieren muss, auch passiert. Und wenn wir durch die Natur der Sache dazu getrieben wurden, den Oscar Grant Plaza zu besetzen, dann taten wir dies absichtlich, mit Klarheit über unsere Ziele und ohne die geringste Ambivalenz. Wir schufen einen Raum, der auf dem Grundsatz des freien Gebens und Nehmens anstatt des Tausches ausgerichtet war, einen Raum, in dem jeder und jede Essen oder ein Zelt bekam, an einem Workshop oder einer politischen Diskussion teilnehmen konnte und alle sich, wenn sie wollten, an der Instandhaltung der Besetzung beteiligen konnten (auch wenn die Teilnahme nie Bedingung war). Wir taten dies in offener Feindschaft zu den Bullen und der Stadtverwaltung und wiesen ihr Flehen nach Verhandlungen bei verschiedenen Gelegenheiten zurück. Solch eine Kommune kann nur durch alle möglichen Akte der Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, des Bewusstseins, der Entschiedenheit und Bemühungen entstehen. Dieser Raum war in vieler Beziehung das Gegenteil von Spontanität. Aber ohne eine Offenheit der Spontanität gegenüber, ohne ein Gefühl für die Ordnung der Dinge – in anderen Worten: die „materiellen Bedingungen“ – hätte all dies nicht entstehen können. Die Krise ist die notwendige, aber nicht die hinreichende Bedingung der Kommune. Als wir den Zaun niederrissen, den die Stadt errichtet hatte, um unsere Rückkehr auf den Oscar Grant Plaza zu verhindern, dann taten wir dies nicht nur, weil wir es mussten, nicht nur, weil wir es wollten, sondern, weil wir uns das aussuchten.
Seltsamerweise ist der Nihilismus genau in dem historischen Moment die philosophische Mode der Radikalen geworden, in dem einmal Menschen Dinge tun können, die wirklich von Bedeutung sind. Natürlich ist der Nihilismus, wenn man sich nach den Wahrscheinlichkeiten richtet, die beste Wahl. Das meiste von dem, was wir tun, ist ohne Belang. Es gibt die Möglichkeit, dass der Kapitalismus von etwas abgelöst wird, das genauso schlimm oder schlimmer ist, oder dass Jahrhunderte des Ruins folgen. Zudem muss jede nüchterne Begutachtung des Gegners und des Zustands derjenigen, die ihre vollkommene Opposition zum Status quo erklärt haben, zu dem Schluss führen, dass jede Kraft, die in der Lage ist, eine andere Art zu Leben zu ermöglichen, nicht das Ergebnis eines willentlichen und vorsätzlichen Antagonismus sein kann, sondern eine Reaktion auf neue historische Entwicklungen sein muss, also auf neue „objektive Bedingungen“ für Menschen, die gerade in keiner Weise erklärte Feinde des jetzigen Zustands sind. Aber diese Position beachtet nicht, dass auch wir Teil der Geschichte sind. Wir sind diese objektiven Bedingungen. Deshalb ist der Moment der Krise bedeutsam, weil er ein Moment ist, in dem der Bann der „Objektivität“ gebrochen wird und die Myriaden von Apparaten und Institutionen, entworfen, um sicherzustellen, dass das, was wir tun, keine Bedeutung hat – von Polizei über die Universitäten bis zu den Medien -, nicht mehr länger funktionieren. Sie können ihre Aufgaben der Neutralisierung, Verdrängung, Fehlinterpretierung oder Unterdrückung des Antagonismus nicht mehr wahrnehmen. Die Krise ist der Moment, in dem das, was wir tun, Bedeutung hat, weil die Apparate zur Kontrolle des Antagonismus versagt haben. Weil es Konsequenzen gibt.
Die Krise ist die Bedingung. Sie ist das wenn im Bedingungssatz, aber die Krise selbst ist nicht in der Lage, Konsequenzen hervorzubringen, sie kann das wenn nicht in ein dann oder eine Bedingung in eine Konsequenz verwandeln. So viele Leute – Freunde und Fremde –, die taten, was getan werden musste, und die die Gelegenheit erkannten. Nichts von alledem geschieht einfach. Dafür braucht es enorme Bemühungen, Vorbereitungen und Klugheit. Es ist das Ergebnis von Jahren der Gespräche, Freundschaften und Projekte. Auch wenn das niemals offen anerkannt werden wird und keine Namen verbreitet werden, so weiß doch jeder von uns sowohl um das Engagement, die Hingabe und den Mut unserer Freunde, als auch um die großartigen Dinge, die Leute taten, deren Namen wir niemals kennen werden. Wir wissen, was es dafür brauchte: Von den alltäglichsten bis zu den aufregendsten Aufgaben, alle sind notwendig.
Vor zwei Jahren waren „Besetzungen“ noch Abenteurertum oder Avantgardismus, der selbstmörderische Sprung des irren Rands, der Universitäten verbarrikadierte, in den Einkaufsstraßen der Uni-Viertel randalierte oder wahnsinnigerweise auf Autobahnen marschierte. Auf den Schildern stand „Wir sind die Krise“, weil wir die Krise waren, wir waren der erste Ausdruck einer Krise, die alles erfasste, die verrückten Kinder einer verrückten Welt. Aber wir sind nicht mehr bloß die Krise. Wir sind erwachsen geworden; wir haben unser Diplom bekommen (auch jene von uns, die nie ein College besucht haben oder bereits ziemlich erwachsen waren). Wir sind die Konsequenz. Wir zogen von den zukunftslosen Universitäten zu den gegenwartslosen Plätzen unserer Städte, von den Orten der Formung der Arbeitskraft zu den Plätzen ihrer Zirkulation und schlussendlich, durch den Generalstreik, zu den Stätten ihrer Ausbeutung. Auch wenn sie klein waren, erhellten diese Flammen unseren Weg: Sie schufen Momente, in denen Theorien erörtert und praktische Lösungen ausprobiert werden konnten, und beide Stränge weisen nun endlich auf die Zentren unserer Städte. Die Losung Occupy Everything! war einmal absurd, jetzt ist sie banal. Auch wenn die Besetzungen bisher auf halb-öffentliches Eigentum beschränkt waren – Universitätsgebäude und Parks – birgt der nun anstehende Generalstreik die Möglichkeit, sie auf Privatbesitz auszuweiten. Wir können jetzt anfangen, das zu nehmen, was wir wirklich brauchen und wollen: Zum Beispiel die Gebäude, die wir brauchen, um die Wintermonate zu überleben. Das, was wir am 2. November tun, wird Konsequenzen haben. Lasst uns sie so brutal und schön wie möglich machen.
The Society of Enemies
1/11/2011
Quelle: http://www.indybay.org/newsitems/2011/11/01/18696540.php