Die Staatliche Unterdrückung der Occupy-Bewegung
Erste Räumung des Camps – 25.10.2010
Der folgende Text ist aus einem Flugblatt, das heute während der Anti-Repressions-Demonstration von Occupy Oakland verteilt wurde. Die Demonstration endete damit, dass Tausende von Menschen die Zäune um ein verlassenes Grundstück an der 19th Ecke Telegraph niederrissen und ein neues Zeltlager begannen. Die Bullen schienen eine Anweisung zu haben, sich zurück zu halten, und standen schlicht gegenüber auf der Straße und schauten zu, wie die Leute leicht aufbaubare Zelte und Planen auf dem großen Grundstück errichteten. Die auf einem Tieflader montierte Anlage strahlte Funk, Disco und Hip-Hop aus, während die Leute unter dem verregneten Himmel tanzten. Während dies geschrieben wird, läuft die neue Besetzung gut, wenn auch sehr nass.
Staatliche Repression & Widerstand
In der letzten Woche gab es eine landesweite Razzia gegen die Occupy-Bewegung. Mit einer gewaltigen Machtdemonstration koordinierte die Polizei im ganzen Land Aktionen gegen Besetzungen, wahrscheinlich mit Hilfe des FBI und des Department of Homeland Security. Besetzungen in New York, Portland, Denver, St. Louis, Salt Lake City, San Francisco und Oakland wurden eine nach der anderen innerhalb von Tagen geräumt. Die Bürgermeisterin von Oakland, Jean Quan gab in einem Interview zu, sich mit Bürgermeistern aus 18 verschiedenen Städten beraten zu haben, bevor sie dem Überfall auf Occupy Oakland am 14. November grünes Licht gab.
Diese Art der Repression ist nichts Neues – sie begann vor über 500 Jahre mit dem Genozid und der Versklavung der amerikanischen und afrikanischen Ureinwohner. Es ist eine Fortsetzung desselben Prozesses, der heute nur ein anderes Gesicht und einen anderen Namen trägt. Wir leben in einer entfremdeten, erdrückenden gesellschaftlichen Umgebung und erst jetzt, da die Menschen beginnen, kollektiv Widerstand zu leisten und sich den öffentlichen Raum zurückzunehmen, erkennen wir, dass wir immer schon in einem militarisierten Polizeistaat gelebt haben.
In diesem Zeitalter der selbstauferlegten Sparsamkeit wird die Rolle der Polizei deutlich: Sie setzt die kapitalistischen Gesetze durch; ihre Aufgabe ist, sicher zu stellen, dass wir jede Budgetkürzung und jede repressive Verordnung passiv hinnehmen. Wenn wir einen öffentlichen Platz in einen belebten gesellschaftlichen Ort und eine Kommune verwandeln, dann schießen sie mit Plastikgeschossen auf uns. Wenn wir uns eine leerstehende Obdachloseneinrichtung nehmen und Barrikaden bauen, um sie zu verteidigen, schlagen sie uns und beschießen uns mit Tränengas. Wenn wir Zelte aufstellen und Versammlungen auf dem Campus der UC (1) Berkeley abhalten, „stupst“ uns das UCPD mit Schlagstöcken, wegen des Verbrechens einander eingehakt zu haben und standzuhalten.
Der aktuelle Zyklus der Revolte geht über die Occupy-Bewegung hinaus. Wie der Aufstand in Ägypten, der von dem Polizeimord an den 28jährigen Khaled Said angefacht wurde, wurde der Ärger in Oakland durch die konstante Polizeischikane und -gewalt geschürt, die oft die schwarze Jugend zum Ziel hat. Diese Gewalt wurde nun gegen die Protestierenden gewendet und sogar gegen Studenten: Am 15. November wurde Christopher Travis, Student an der UC Berkeley von einem UCPD(2)-Beamten erschossen und getötet. Es ist nicht genug, die Polizeigewalt anzuprangern, stattdessen müssen wir die Polizei als einen gemeinsamen Feind begreifen und sie abschaffen.
Jetzt, da die sozialen Unruhen und Proteste gegen das krisengeschüttelte kapitalistische System die Vereinigten Staaten erreicht haben, wollen die Machthaber sie daran hindern, sich weiter auszudehnen. Occupy Wall Street war ursprünglich den öffentlichen Platzübernahmen im mittleren Osten nachempfunden. Trotz der um den arabischen Frühling aufgebauten pazifistischen Mythologie waren diese Aufstände gewalttätige Kämpfe gegen unterdrückerische Regime und keine friedlichen Revolutionen. Die Ägypter haben genauso die Regierungsgebäude und die Polizeistationen niedergebrannt und die Polizei und andere bezahlte Schläger (die Baltagiya – Axtträger) mit Steinen und Knüppeln bekämpft, wie sie an Massendemonstrationen teilgenommen und sich die öffentlichen Plätze zurück genommen haben. Aber es geht nicht um Gewalt oder Gewaltfreiheit: Es geht um Passivität oder Widerstand.
Die Besetzungen werden nicht geräumt, weil sie eine eine Gefahr für die Gesundheit oder der öffentlichen Sicherheit darstellten, wie die Medien und die Polizei uns glauben machen wollten, sondern weil sie eine unmittelbare Gefahr für die gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung darstellen. Statt sich den Entscheidungen unserer Repräsentanten zu unterwerfen, halten die Leute Vollversammlungen ab, um Entscheidungen durch einen Konsensprozess zu treffen. Sie versorgen sich gegenseitig, ohne dafür im Austausch Geld zu verlangen. In Oakland trafen sich einander vollständig Fremde auf der Straße und richteten eine öffentliche Bibliothek, Diskussionsgruppen und eine freie Schule ein. Sie boten medizinische Hilfe durch ausgebildete Rettungssanitäter an, eine belebte Küche, die kostenlos Essen ausgab, einen Schlafplatz für Langzeitobdachlose oder gerade Zwangsgeräumte und eine pulsierende Gemeinschaft.
Die Besetzungen sind keine utopischen Räume: Tatsächlich sind sie konzentrierte, sichtbare Embleme all unserer gesellschaftlichen Mißstände. Gleichzeitig weisen sie in Richtung einer direkten Lösung für diese Mißstände. Der Oscar Grant Plaza war vorübergehend eine polizeifreie Zone, was nicht nur hieß, dass wir die Freiheit hatten, das Gesetz offen herauszufordern, sondern auch, dass wir unsere eigenen Probleme lösen mussten. Es musste letztendlich deswegen verschwinden. Für die Politiker und die Polizei ist es nicht akzeptabel, wenn Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen oder eine neue Lebensweise erschaffen. Darum wurden Scott Olsen, Kayvan Sabeghi und viele andere vom OPD und dem Alameda County Sherrifs brutal misshandelt – weil sie erkennen, dass wir anfangen, unsere Macht zurückzunehmen.
Lasst uns die Kräfte von Recht und Ordnung verdammen und bekämpfen. Lasst uns unseren Widerstand gegen die Polizei, den Staat und die Wirtschaft intensivieren und eskalieren. An die mutigen Seelen an den Frontlinien, an die in den Ghettos und Gefängnissen: Wir können Komplizen, Mitverschwörer gegen diese Welt sein.
In Solidarität mit Kenneth Harding, Charles Hill, Oscar Grant, Raheim Brown und unzähligen ungenannten anderen. Kein Vergeben, kein Vergessen: Erinnerung ist eine Waffe.
Kämpferische Grüße,
ein Teilnehmer von Occupy Oakland
19/11/2011
LANG LEBE DIE KOMMUNE VON OAKLAND!
(1) University of California
(2) University of California Police Department
Quelle: http://www.bayofrage.com/from-the-bay/state-repression-of-the-occupy-movement