Ich habe die (bürgerliche) Hölle von Nuit Debout erlebt
Aus Gründen, die nicht unbedingt alle von meinen Willen abhingen, habe ich mich an Bord der Nuit Debout wiedergefunden. Ich hatte nicht den geringsten Willen, die Revolte der Mittelklassen zu „radikalisieren“, aber es wurde mir gesagt, das sei nicht das Bild, das ich mir davon als revolutionäres Einzelwesen machen sollte. Zugestanden.
Ich habe mich also bei einer Besetzung von Nuit Debout wiedergefunden. Allerdings schaffte ich es nur hinein, weil ich Leute von drinnen kannte, sonst wäre der Eintritt untersagt gewesen (natürlich für den Fall, dass die „Steinewerfer“ kämen und Schaden anrichteten…). Am Eingang wurde mein Rucksack von zwei Securitys durchsucht… Fabelhafte „Besetzung“, bereits jetzt mit Anführungszeichen, und schon bald werde ich einen anderen Ausdruck finden, wohl wissend dass der Chef des Ortes seine Zustimmung gegeben hat. Zugestanden.
Beim Eintreten hatte ich das völlig zweifelhafte Vergnügen, viele leere Flaschen Alkohol vorzufinden und Hippies, die Tüten rauchten und Gitarre spielten. Weiter hinten eine VV (sitzend). Schlimmer, auch ein paar aktive Fotografen. Schlimmer, eine Fahne von Che. Gut. Ich merkte, dass es mühsam werden würde, neue fabelhafte Leute zu treffen, außer denen, die ich kannte. Es passierte daher nichts, die Hippies rauchten, tranken, klampften und die anderen genauso. Ich fand schnell eine Ecke, um mein müdes Gehirn zu erholen. Bis dann frühmorgens eine Horde Bullen ankam, um alle zu kontrollieren. Und nichts wie ab, Richtung Ausgang. Zittere, Bourgeoisie, die Kleinbourgeoisie kommt.
Einige Zeit später befand ich mich bei der echten Nuit Debout in der Großstadt. Gut. Warum nicht, es gab Konzerte. Hauptsächlich ein Konzert einer Reggaegruppe, die den Bürgern bekannt, mir allerdings unbekannt war. (Wie man sieht, stinkt der Rastafarismus noch mehr als die Staatsbürgerlichkeit…). Ich machte eine Runde bei den Ständen, man hat mir gesagt, das sei nicht das Gleiche… Eine gigantische Palästina-Flagge (niemals eine solch große Fahne gesehen). Weil, liebe Genossinnen, liebe Genossen und ihr anderen Proleten, schreibt euch das ein für alle mal in den Schädel: Der Nationalismus der Unterdrückten hat nichts mit dem bürgerlichen Nationalismus zu tun, wobei übrigens diese französische Flagge auf den Platz gemalt ist, immer mit einem „Ich bin Charlie“ dabei. Und da ist die Wahl auf Palästina gefallen: GA Abdallah, BDS, palästinensische Studentinnen, Essen auf Spende, alles auf rund 30 Metern. Ansonsten bemerkte ich noch eine aktivistische Buchhandlung, die ihre Gaben zeigte, vor allem… die Humanité. Und auch andere mir unbekannte Zeitungen, deren Namen allerdings träumen lassen: Der Patriot, Die Marseillaise. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass die rotbraube PRCF sich gemächlich ausbreitete, ohne dass die Nuit Debout, die mit Hand auf dem Herz geschworen hat, Verschwörungstheoretiker, Faschos und Ko herauszuschmeißen, sich gerührt hätte. Die Humanité hatte auch einen Stand (Tja, keine Partei als die Parteizeitungen). Stände der Psychos im Aufstand (psys debout), ein Stand von Antispeziisten, vielleicht der am wenigsten schlimme. Ein kaum erstaunlicher Stand gegen Französischafrika. Ein Stand ökologischer Pseudobürger. Der Höhenflug. Nein, noch schlimmer, die Libertalia, begleitet von die Stars des „Milieus“, hatte quasi ein Festzelt. Fehlten nur noch die Antisemiten und Rassisten von PIR.
Gut. Gehen wir zu den Kommissionen über, vom Oxymoron „IT-Sicherheit“, dem „Aktions“-Kommittee (ah), bis zur Kommission „Bürgergericht“ mit ihrem „Rekrutierungsbüro“ – und allen voran die Kommission…… „Trennung von MEDEF (Unternehmerverband) und Staat“. Ich gebe zu, dass die Staatsbürgeristen ein Talent haben, sich neu zu erfinden. Zwischenzeitlich dachte ich, mich auf einem situationistischen Rummel wiedergefunden zu haben. Beschissen war an diesem 15. Mai vor allem eine Debatte mit den Nuit Debouts von überall, Brüssel, Berlin, Brasilien, Spanien (die den Geburtstag des 15M hatten), und so weiter und so fort. Und die Botschaft war war eigentlich jedes Mal die gleiche: „Vereinigt die staatsbürgerlichen Kämpfe gegen den Neoliberalismus“.
Kurz, ein ziemlich schwerer Moment. Ein sich revolutionär gebendes Flugblatt prangerte die Revolutionäre an, die Nuit Debout kritisieren, eine Bewegung, die ein Bruch sei, die die Logik der Repräsentation zerreiße… Man hat dergleichen noch nicht gesehen. Die Revolte der Mittelklassen ist ein reales konterrevolutionäres Werkzeug. Es gibt von dieser Bewegung nichts zu erhoffen. Nichts. Ich kam, ich sah, ich rannte.
Staatsbürger aller Länder, bestraft euch.
Ernest Coeurdeuaine.
Quelle: http://www.non-fides.fr/?Paris-Clermont-J-ai-vecu-l-enfer-citoyen-a-Nuit-Debout