Die kurdischen und christlichen Oppositionsparteien
Ich erwähnte bereits, dass es mehr als 20 kurdische politische Parteien gibt. Einige wenige haben sich der DSV angeschlossen. Sechzehn haben das nicht getan. Einige haben sich aus der Politik zurückgezogen, während andere sich zu einer größeren Partei zusammengeschlossen haben. Nun gibt es zwölf Parteien unter einem Dach: Die Patriotische Versammlung von Kurdistan in Syrien. Diese Organisationen teilen mehr oder weniger die gleichen Ziele und Strategien. Die Mehrheit der unter diesem Schirm vereinigten Parteien unterstützt Masoud Barzani, den Präsidenten der Regionalregierung Kurdistan (KRG), der auch Anführer der Kurdischen Demokratischen Partei (PDK – Partîya Demokrata Kurdistan) in Irakisch-Kurdistan ist.
Zwischen der PDK und der PKK gibt es eine blutige Geschichte, die in die 1990er Jahre zurückreicht. Es gab schwere Kämpfe zwischen beiden Gruppen in Irakisch-Kurdistan, die tausende Tote auf beiden Seiten zurückließen und diese Wunde muss erst noch heilen. Ich muss erwähnen, dass die türkische Regierung in diesen Kämpfen mitmischte, da sie der PDK sehr nahe steht und aus eigenen Gründen dabei half, die Kräfte der PKK an der türkisch-irakischen Grenze anzugreifen.
Es gibt einen anderen Streit zwischen Barzani und seine Familie und dem ehemaligen Anführer der PKK, Abdullah Öcalan, bei dem es darum geht, wer die Rolle des kurdischen Nationalführers für sich beanspruchen kann. Während die Leute aus Westkurdistan (Syrisch-Kurdistan) es geschafft haben, ihre Gesellschaft kollektiv zu organisieren, sie vor dem Krieg schützen und ihre eigene DSV aufgebaut haben, sind ihre Beziehungen zur PDK immer noch nicht gut.
Die PKK und die Partei der Demokratischen Union (PYD) waren für die gesellschaftlichen Veränderungen in Syrisch-Kurdistan eine große Unterstützung. Aber das war sicher weder ein Vorteil für die Türkei noch für die KRG. Währenddessen stehen sich die Türkei und die KRG weiter sehr nahe.
All das ist eine Erklärung, warum die PDK in Irakisch-Kurdistan mit den Geschehnissen in Westkurdistan unzufrieden und sowohl der DSV als auch der Tev-Dem gegenüber feindlich gesinnt ist. Die PDK sieht in dem, was da passiert, ein großes Geschäft und entweder dieses Geschäft sollte gar nicht laufen oder, wenn es denn läuft, dann muss die PDK den größten Anteil an diesem Geschäft haben. Die PDK unterstützt immer noch einige Leuten in Westkurdistan finanziell und mit Waffentraining, um zu versuchen, Truppen für einige der politischen Parteien aufzubauen, um die Gegend und deren Pläne zu destabilisieren. Die Patriotische Vereinigung von Kurdistan in Syrien, die durch die erwähnten zwölf Parteien gebildet wird, steht der PDK sehr nahe.
Unser Treffen mit den Oppositionsparteien dauerte über zwei Stunden und die Mehrheit von ihnen war anwesend. Wir begannen mit der Frage, wie sie mit der PYD, DSV und der Tev-Dem auskommen. Ob sie Freiheit hätten? Ob irgendwelche Mitglieder oder Unterstützer von den Volksverteidigungs- und Frauenverteidigungskräften verfolgt oder verhaftet wurden? Ob sie die Freiheit hätten, Menschen zu organisieren, zu demonstrieren oder für andere Aktivitäten? Es wurden noch viele weitere Fragen gestellt. Die Antwort auf jede unserer Fragen war positiv. Keine Verhaftungen wurden durchgeführt, es gab keine Einschränkungen der Organisations- oder Demonstrationsfreiheit. Aber alle waren sich darin einig, dass sie nicht an der DSV teilnehmen wollen.
Sie haben drei Streitfragen mit der PYD und der DSV. Sie glauben, dass die PYD und die Tev-Dem das kurdische Volk verraten haben. Ihr Grund dafür umfasst den Umstand, dass die Hälfte von al-Hasakah unter der Kontrolle der Regierung seht und die Regierungstruppen sich immer noch in der Stadt Quamishli befinden, wenn sie auch zugaben, dass diese Kräfte wirkungslos sind und nur wenig Land kontrollieren. Ihrer Ansicht nach ist das ein großes Problem und die PYD und die Tev-Dem hätten sich durch diesen Kompromiss mit dem syrischen Regime stark kompromittiert.
Wir sagten ihnen, dass sie die Politik der PYD und Tev-Dem als Politik des „Weder Frieden, noch Krieg“ nehmen sollten, welche die Lage im Gleichgewicht hält. Das sie erfolgreich war und jedem in der Region Nutzen brachte, auch für die Oppositionsparteien und zwar aus den oben erwähnten Gründen. Wir sagten auch, dass sie besser als wir wissen sollten, dass es ein Leichtes für die PYD wäre, Assads Truppen rauszuschmeißen. Es würde das Opfer einiger weniger ihrer Kämpfer bedeuten, aber was würde danach passieren? Wir sagten ihnen, wir wüssten, dass Assad al-Hasakah nicht aufgeben will und daher der Krieg wieder anfangen würde, mit Mord, Verfolgungen, Bombardements und der Zerstörung von Städten und Dörfern. Auch würde das dem IS und al-Nusra die Tür für einen Angriff auf sie alle öffnen. Es gäbe die Möglichkeit, dass Assads Armee, die Freie Syrische Armee und der Rest der Terrororganisationen einander in der Region bekämpfen würden, mit dem Ergebnis, alles bisher Erreichte zu verlieren. Darauf wussten unsere Gesprächspartner keine Antwort.
Die Opposition will der DSV nicht beitreten und wenn die Situation gleich bleibt, wird die nächste Wahl für diese Körperschaft in einigen Monaten stattfinden. Ihre Gründe dafür sind erstens, dass sie die PYD der Kooperation mit dem Regime bezichtigen, wobei sie keinen Beweis für diese Anschuldigung hatten. Zweitens würden die nächsten Wahlen nicht frei sein, da die PYD keine demokratische, sondern eine bürokratische Partei sei. Aber wir wissen, dass die PYD in der DSV fast die gleiche Anzahl und Ämter inne hat, wie jede andere Partei der DSV, so dass dies nicht stimmt. Wir sagten ihnen, dass sie an den Wahlen teilnehmen sollten, wenn sie an den Wahlprozess glauben und eine weniger bürokratische und stärker demokratische Verwaltung haben wollten. Sie sagten, dass die PYD sich aus der Kurdischen Nationalkonferenz der KRG zurückgezogen hätte, die im letzten Jahr in der Stadt Irbil stattgefunden hat, um die kurdische Frage zu diskutieren. Aber als wir später bei den Leuten der PYD und der Dev-Tem nachfragten, sagten sie uns, sie hätten den Beweis eines geschriebenen Dokuments, welches zeige, dass sie diesem Bündnis zugestimmt hatten, nicht aber die Opposition.
Die Opposition will ihre eigene Armee aufstellen, aber das erlaubt ihnen die PYD nicht. Als wir diesen Punkt zur PYD und den Tev-Dem zurücktrugen, wurde uns gesagt, dass die Opposition ihre eigenen Kämpfer haben könne, aber dass diese unter der Kontrolle der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten stehen müssten. Sie sagten uns, die Lage sei sehr heikel und angespannt. Das könnte zu Kämpfen untereinander führen, das ist unsere größte Furcht und dass können wir nicht zulassen. Die PYD sagte einfach, dass sie nicht die selben Fehlschläge in Westkurdistan wiederholt haben wollen. Mit dem fehlgeschlagenen Experiment bezogen sie sich auf das Experiment von Irakisch-Kurdistan in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert, dass bis zum Ende des Jahrhunderts ging und bei dem es so viele Kämpfe zwischen unterschiedlichen kurdischen Organisationen gab. Am Ende wurden wir von der PYD und den Tev-Dem aufgefordert, zu den Oppositionsparteien zurückzukehren, um ihnen im Auftrag der PYD und der Tev-Dem alles anzubieten, außer Streitkräften unter ihrer eigenen Kontrolle.
Einige Tage später trafen wir in Qamishli fast drei Stunden lang die Anführer dreier kurdischer Parteien: der Demokratischen Partei Kurdistans in Syrien (PDKS – Partiya Demokrat a Kurdistanê li Sûriyê), der Kurdischen Demokratischen Partei der Gleichheit in Syrien (Partiya Wekhevî ya Demokrat a Kurdî li Sûriyê) und der Kurdischen Patriotischen Demokratischen Partei in Syrien. Auf diesem Treffen wiederholten sie mehr oder weniger die Gründe ihrer Kollegen von dem vorherigen Treffen, warum sie nicht an der DSV und den Tev-Dem teilnehmen wollen, um die kurdische Gesellschaft zu entwickeln und aufzubauen. Wir hatten eine lange Diskussion mit ihnen, bei der wir sie davon zu überzeugen suchten, dass sie, wenn sie die kurdische Frage lösen wollten, wenn sie eine starke Macht im Land wollten und wenn sie Krieg und Zerrüttung vermeiden wollten, dass sie dann unabhängig von der KRG und der PDK sein und im Interesse von niemanden anderem als dem Volk Westkurdistans handeln sollten. Meistens waren sie still und hatten keine Antwort auf unsere Vorschläge.
Einige Tage später trafen wir auch Vertreter einiger der christlichen Parteien und der christlichen Jugendorganisation von Qamishli. Aus je eigenen Gründen hat sich keine dieser Parteien der DSV oder der Tev-Dem angeschlossen, aber sie gaben zu, dass sie mit der DSV und der Tev-Dem gut auskämen und mit ihrer Politik zufrieden seien. Sie würdigten außerdem die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten, die ihre Leben geopfert hätten, um für alle Bewohner der Gegend für Sicherheit und Schutz vor der syrischen Armee und den terroristischen Gruppen zu sorgen. Allerdings waren die Leute von der christlichen Jugendorganisation nicht so glücklich mit der DSV und den Tev-Dem. Ihre Klage ging darüber, nicht genug elektrische Energie zu haben und dass die Jugend nicht genug zu tun hätte bzw. nicht genug in den Vierteln eingebunden würde. Daher, so sagten sie, würden sie nach einer Alternative zu der DSV und den Tev-Dem suchen und wenn die Situation gleich bleiben würde, so hätten sie keine Alternative als nach Europa auszuwandern. Der Anführer einer der anwesenden politischen Parteien antwortete ihnen: „Worüber redest du, Sohn? Wir sind mitten im Krieg, siehst du was im Rest der größeren Städte Syriens passiert? Siehst du wie viele Frauen, Männer, Alte und Kinder jeden Tag getötet werden? Es gibt eine wichtige Sache im Leben. Macht ist in dieser besonderen Lage ist nicht so wichtig; wir können statt dessen andere Mittel benutzen. Gerade ist es wichtig, dass man zuhause sitzen kann, ohne Angst, getötet zu werden, dass man die Kinder auf der Straße spielen lassen kann, ohne Angst sie würden entführt oder getötet. Wir können unsere Geschäfte wie normal betreiben, keiner beschränkt uns, keiner greift uns an oder beleidigt uns… Es herrscht Frieden, es gibt Freiheit und es gibt soziale Gerechtigkeit…“ Die Mitglieder der anderen politischen Parteien stimmten zu und bestätigten diese Einschätzung.
Bevor wir diese Region verließen, entschieden wir uns noch mit Ladenbesitzern, Geschäftsleuten, und Marktleuten zu reden, da uns auch ihre Sichtweise sehr wichtig war. Alle schienen eine sehr positiven Blick und eine positive Meinung von der DSV und der Tev-Dem zu haben. Sie waren glücklich über den Frieden, die Sicherheit und die Freiheit, ihre eigenen Geschäfte ohne jede Einmischung irgendwelcher Parteien oder Seiten führen zu können.