Bündnis für den Widerstand gegen Schädigungen aller Art
Vorläufige Auflistung unserer Einwände gegen die Tyrannei der Geschwindigkeit anlässlich der Erweiterung der TGV-Strecken (Juli 1991)
»Das ganze System des Reisens mit der Bahn ist für Leute gemacht, die in Eile sind – und folglich in einer beklagenswerten Lage. Niemand würde auf diese Weise reisen, der es vermeiden könnte – der die Zeit hätte, gemächlich über Hügel und zwischen Hecken dahinzureisen, anstatt durch Tunnel und zwischen aufgeschütteten Dämmen zu fahren. Zumindest haben diejenigen, die Letzteres vorziehen, keinen so ausgeprägten Sinn für Schönheit, als dass es sich lohnen würde, diesen im Bahnhof anzusprechen. Die Eisenbahn ist in jeder Hinsicht eine ernste Angelegenheit, die schnellstmöglich erledigt werden sollte. Sie verwandelt einen Reisenden in ein lebendes Paket. Für die Dauer der Reise gibt er die edleren Eigenschaften seines Menschseins zugunsten der planetarischen Kraft der Fortbewegung auf. Erwarte von ihm nicht, irgendetwas zu bewundern. Du könntest ebenso gut den Wind fragen. Befördere ihn sicher, entlasse ihn bald: Er wird dir für nichts anderes danken.«
John Ruskin, Die Sieben Leuchter der Baukunst (1849)
Im 19. Jahrhundert wurde Frankreich durch eine erste Industrialisierungswelle und besonders durch den flächendeckenden Ausbau des Eisenbahnnetzes vollkommen verändert. Kritik an diesem neuen Verkehrsmittel wurde von jenen Teilen der herrschenden Klasse geäußert, die weiterhin dem Müßiggang frönten und deren Geschmack und Empfinden noch an den altgewohnten Freuden des Reisens hingen, die der Zug abschaffen würde. Andererseits ermöglichte die Eisenbahn tatsächlich eine größere Bewegungsfreiheit – mit all ihren vorteilhaften Folgen für das gesellschaftliche Leben. Einige der emotionalen Argumente, die damals gegen die ersten Eisenbahnen vorgebracht wurden, kann man heute mit noch größerer Berechtigung wieder gegen den TGV ins Feld führen. Dies umso mehr, als die Einführung des TGV keinerlei Vorteile mit sich bringt, im Gegenteil, trägt dieser doch zur weiteren Isolierung ganzer Regionen, zur Verödung des verbliebenen ländlichen Raums und zur Verarmung des gesellschaftlichen Lebens bei. All das vom persönlichen Geschmack her zu beurteilen oder gar irgendeine historische Wahrheit zu formulieren, wird freilich – anders als damals – kein Angehöriger der heutzutage herrschenden Klasse riskieren, in der jeder wie verrückt arbeitet und seine Ellenbogen gebraucht, um im wirtschaftlichen Wettlauf mitzuhalten. Dies ist daher die Aufgabe von Menschen, die am Gegenpol der Gesellschaft stehen. Sie werden von keinem Interesse an irgendeiner Art von Karriere getrieben – nicht einmal als »Gegenexperten« oder offiziell anerkannte Gegner – um all die guten sowohl subjektiven als auch objektiven Gründe dafür aufzuzählen, sich dieser neuerlichen Beschleunigung der Unvernunft entgegenzustellen. Das Bündnis, zu dem sie sich für die Veröffentlichung des vorliegenden Textes zusammengeschlossen haben, wird zweifellos noch zu anderen Gelegenheiten in Erscheinung treten und sich erweitern.