Einheit über alles, Wa!
Adresse an die Lokführer, Zugbegleiter, Arbeiterinnen und Arbeiter Berlins und der BRD
Wer in diesem Land es wagt, den diktierten sozialen Frieden zu stören, kann sich des Unmuts der Verwalter der Ordnung und ihrer Pressefatzken sicher sein. Wenn an diesem Wochenende die Einheit des deutschen Volkes beschworen wird, gemahnt der Streik der tapferen GDL daran, dass es mit der Einheit dieser Gesellschaft nicht weit her ist.
Die Bonzen toben und rufen nach der Macht, der Macht des Gesetzes, die etablierten Gewerkschaften fürchten um ihre Position; ihre zahnlosen Rituale enttarnt dieser Streik als Friedensschluss mit den Unternehmern. Und die Schleimer der herrschenden Klasse bemühen sich fleißig, Lügen über den Arbeitskampf in die Welt zu setzen, die bei denjenigen Arbeiterinnen und Arbeitern auf fruchtbaren Boden fallen, die ihr Dasein demütig ertragen – ihr Dasein für die herrschende Klasse als Lohnabhängige in Produktion, Transport, usw. (Ja, es gibt sie noch, die Klassenspaltung zwischen Proletariern und Kapitalisten! Und sie wird auch erst verschwinden, wenn das Kapital aus der Welt geschafft worden ist.)
Streiken darf man in Kaltland nur, wenn es niemandem schadet – es geht hier deutsch zu! Jeglicher Schwachsinn, den man sich aus den Fingern saugen kann, wird über die in der GDL organisierten Lokführerinnen und Zugbegleiter ausgeschüttet. Solange man sich verhält, wie es den Eigentümern passt, für die man seine Arbeitskraft gegen etwas Lohn verschwendet, hat man nichts zu befürchten. Wehe aber den Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich das nicht gefallen lassen!
In Berlin bemüht die Geschäftsführung der S-Bahn die Einheitskeule mit dem Vorwand, „(d)ass nicht nur die Verdienste um die Einheit in Berlin in der Vergangenheit, sondern auch unser Image in der Zukunft (…) irreparablen Schaden nehmen.“ Mit ihrem an die Öffentlichkeit gelangten Schreiben fordern die Bosse der S-Bahn zum Streikbrechen auf; es gehe um die Solidarität mit dem Unternehmen, mit der Stadt Berlin! Sicherlich fühlen die Kolleginnen und Kollegen mit „ihrem“ Unternehmen, sie haben ja auch soviel von dessen millionenschweren Gewinnen!
Am Ende sollen einmal mehr die Ausgebeuteten zugunsten des Unternehmens genauso wie die Proletarier insgesamt zugunsten der Nation auf ein besseres Leben verzichten. „Gemeinnutz geht vor Eigennutz!“, das aber meinte schon immer, dass der Gemeinnutz nichts anderes als der Eigennutz der Kapitalistenbande ist.
Die Bosse, die Politiker und die etablierten Gewerkschaften haben gute Arbeit geleistet, die Erinnerung an das Kampfmittel der Arbeiterinnen und Arbeiter auszulöschen. Die GDL zeigt, was es bedeuten könnte: ein schmerzlicher Druck auf die Unternehmen. Neben dem eigenen Interesse für ein einigermaßen gutes Leben, das sich die Arbeiter schon immer erkämpfen mussten, stehen die Streikenden auch für ihre Würde ein, sich nicht bloß herumkommandieren zu lassen. Was die Bosse und Bürokraten verdient haben, ist ein Tritt in den Hintern! Wir sollten ihnen ihre Verdienste nicht länger vorenthalten!
Wir – einige Arbeitslose, Studenten und Lehrlinge – grüßen die Streikenden!
Wir fordern alle, die sich unter Leben noch etwas anderes vorstellen können als
Arbeit – Arbeit – Arbeit
zur Solidarität mit den Streikenden auf!
Alle Verachtung den Streikbrechern!
Gegen den Schulterschluss mit den Bossen!
Nieder mit der faulen Einheit!
Klassenkampf!
November 2014