Editorial
Mit der fünften Ausgabe des Magazins stellen wir dieses Periodikum ein.
Das hätte sich bereits nach drei Heften angeboten; Sokrates, die Typologie und
der Illuminatenessai enthalten unser Programm vollständig. Dessen ungeachtet
ist die vierte Ausgabe erschienen, quasi automatisch – wahrscheinlich erschien
uns die Dreizahl zu abgeschmackt, oder wir hatten einfach vergessen, das
kleine Projekt formell zu beendigen. In Zeiten, wo Gruppen, Periodika und
sogar Parteien zwar schnell gegründet, aber nie freiwillig aufgelöst werden, ist
es besser, einmal einen Schlußpunkt zu setzen. Daher also diese fünfte Ausgabe
des Magazins, welche sicher einiges Hübsches zu bieten hat. Etliche bisher
nur in Ansätzen zu findende Gedanken werden ausgeführt; substantiell Neues
jedoch darf nicht erwartet werden. Sicher könnten wir auch fortfahren. Die
mystische Siebenzahl streben wir allerdings nicht an, weil sie uns endgültig
in die Esoterik geführt hätte. Nicht zu vergessen auch, daß wir unser Studium
beendet haben uns daher momentan die Muße fehlt, die es braucht, um ein Heft
herauszugeben, welches keine konkreteren Ziele hatte, als seine Leserinnen
ganz allgemein zu ermutigen, mit der Welt, wie sie zufällig auf uns gefallen ist,
zu brechen.
Das Magazin war im Wesentlichen ein Übergangsprodukt. Wir hatten mit
sämtlichen Strömungen der alten, noch im Bann von 1967ff. stehenden Linken
abgeschlossen, ohne daß sich bereits eine neue Bewegung angedeutet hätte.
In dieser Situation erwiesen sich die Toten lebendiger als die Lebenden. Auf
Werbung haben wir daher verzichtet. Daß dann ein Teil des Publikums dachte,
das Magazin wäre gar nicht zum Lesen gedacht, mag damit zusammenhängen,
daß es in einem doppelten Sinne überflüssig war: zur unmittelbaren Handlungsanleitung
nicht zu gebrauchen und – als ein der Verflüssigung des Denkens
gewidmetes Erzeugnis – zu flüssig, um von den formellen Verstandeskategorien
erfaßt zu werden. Trotzdem fanden unsere Hefte eine gewisse Verteilung
in allen wichtigeren Städten und einigen Dörfern dieser Republik und darüber
hinaus.
Keines unserer Ziele haben wir erreicht. Aber leider auch sonst keiner um uns
herum. Nach wie vor gibt es keine revolutionäre Bewegung. Beim Schreiben
haben wir uns mit einer etwaigen untergründigen Wirkung unserer Texte getröstet
und waren etwas stolz, weil wir es immerhin geschafft hatten uns in die Tradition
der ganzen Aufklärung zu stellen, indem wir andererseits die ganze Aufklärung
hinter uns gelassen haben. Die Zivilisation hat zu lang gewährt, und es braucht
einen neuen Ansturm, um sie zu überwinden. Die Geschichte ist dabei nur ein
Trümmerfeld, von dem man sich alles nehmen soll, was der Sache dient: Die
Revolution wird ihre Poesie nicht von den Toten nehmen können, aber doch ihr
erstes Material. Das immerhin haben wir getan und so finden sich Wieland, Münzer,
Weishaupt, Lenin, Sokrates, Freud, Nietzsche, Musil, Mahler etc., ohne daß
wir einem dieser Männer anhängen würden: „Der nächste Anlauf wird sie beiseite
schieben; er wird die Erfahrungen aller vergangenen Versuche in sich aufnehmen
und völlig verwandeln.“ (Magazin No. 4) Indem wir auf unser Material konsequent
die Technik der Zweckentfremdung angewandt haben, haben wir geholfen,
es seinem wahren Zwecke zuzuführen. So halten wir alles, was wir gebracht
haben, nach wie vor für brauchbar, und das wird es wohl noch einige Zeit bleiben.
Intellektueller Trost ist denn auch wieder nur Rationalisierung. Not tut der
wirkliche Eingriff in die Zeit. Sinnvoll zu dessen Vorbereitung erscheint uns hier
ein möglichst breiter, zunächst bewußt informeller Kontakt der Gleichgesinnten,
von denen es mehr gibt als jeder Robinson Crusoe auf seiner Insel denkt. Nützlich ist hierzu
sicher ein kommunistisches Schriften- und Korrespondenzwesen mit entsprechendem
Verteilungsnetz sowie zahlreichen Treff- und potentiell auch Versammlungspunkten.
Insbesondere muß es wieder eine kommunistische Zeitung geben
und der entstehende Haufen in breiterer Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Hier lagen auch unsere Ziele. Aber die Art, wie wir sie zu erreichen versucht haben,
war auf die Dauer nicht befriedigend genug, erfolgreich auch nicht. In diesem
Zusammenhang ist der Hinweis auf den von der Redaktion teilweise unterstützten
Versuch, einen Mopsorden in Berlin zu gründen, vielleicht nicht ganz überflüssig:
Bei etwa alle zwei Wochen stattfindenden Treffen sollte möglichst zwanglos, nur
auf die spontane Sympathie der Geister und Körper bauend, eine Keimzelle der
Negativität jenseits der bestehenden Gruppen entstehen. Der sogenannte Club für
sich – den es noch eine Weile geben wird – blieb weit hinter seinen Möglichkeiten,
und wir fragen uns inzwischen, ob das Attraktionsgesetz überhaupt noch gilt.
Aber lassen wir auch das und damit die Misanthropie. Denn es erscheint uns
nach wie vor richtig, einer Bewegung ans Tageslicht zu helfen, die den Kampf
mit der verfluchten Eigentumsordnung endlich aufnimmt. Wir werden unmittelbar
nicht zu helfen wissen und so möge uns und auch die Leser der Fungus nicht
zerfressen – viel Glück.
DIE REDAKTION
