Einführender Lektürekurs
Karl Marx: Das Kapital, Band 1
„Praxislos ist die Lektüre des ‚Kapital‘ nichts als bürgerliches Studium“, schrieb einst der studentische Flügel der deutschen Stadtguerilla und verschwand – nicht ohne eine Menge lokalen Ärger zu verursachen – im Knast. Bleibt die Lektüre des Kapitals. „Das Kapital ist immer noch und gerade erst ein zentrales Werk für jede, die es mit der Theorie der Gesellschaft ernst meint“, schreiben immernoch einige Studentinnen und so soll es also diskutiert werden: Schön ordentlich, an der Uni, mit Seminarplan und so. Gibt sogar Studienpunkte!, also kommt, wenn ihr Studentinnen seid? „Theoretischer Klassenkampf“ inklusive.
• Donnerstags, ab dem 20. Oktober 2016 • 18:00-20:00 • Theologische Fakultät der HU • Burgstr. 26 • Raum 306
Während der Besezung des sozialwissenschaftlichen Instituts wurde der Kurs dorthin verlegt.
* * *
Karl Marx: Das Kapital, Band 1
* Einführender Lektürekurs *
Stellt man die Frage nach der Aktualität von Marx, wiederholt man eine historische Geste, die schon von Philosophen vollzogen wurde, die heute selbst als veraltet gelten. So fragte sich Theodor W. Adorno am 8. April 1968 in Frankfurt öffentlich, ob der Kapitalismus noch ein Kapitalismus sei, und damit gleichzeitig, ob Marx noch zu gebrauchen ist. Inzwischen leben wir in einer digitalen Welt und die Fabriken sind nicht mehr hässlich, sondern schön und heißen Startups. Die Frage aber bleibt die gleiche: Leben wir im Kapitalismus oder ist Karl tot? Die Antwort ist simpel: Weiterhin „wird Herrschaft über den Menschen ausgeübt durch den ökonomischen Prozess hindurch“ (Adorno). Diese ist, in welcher Form sie auch erscheint - ob dilettantisch ungeschminkt oder individualerotisch verzaubert -, ohne den „Schlüsselbegriff Kapitalismus“ nicht zu begreifen.
Das Kapital ist deshalb immer noch und gerade erst ein zentrales Werk für jede, die es mit der Theorie der Gesellschaft ernst meint. Im kommenden Semester wollen wir uns deshalb mit dem zentralen Werk von Karl Marx beschäftigen. Anders als viele der sonstigen Einführungen in das Kapital ist unsere orientiert an der kritischen Theorie der Frankfurter Schule, d.h. es geht uns nicht um dogmatische Exegese, sondern um die kritische Aneignung des Textes. Die Lektüre des Kapitals ist kein wissenschaftlicher Selbstzweck, kein Sport. Alle theoretischen Bemühungen müssen sich auf die praktische Aufhebung derjenigen Verhältnisse richten, die zu jenen zwingen. Als solche sind sie als vereinzelter oder sektiererischer Versuch, als bloß weiterer Standpunkt im philologischen Mensch- ärgere-Dich-nicht, zum Scheitern verurteilt. Zugleich können wir jedoch den Unwillen gegenüber der Arbeit am Begriff, die wir als Gesellschaftskritikerinnen unvermeidlich leisten müssen, nicht teilen. Doch allein dadurch, dass unsere theoretische Arbeit auf die Aufhebung jedes Arbeitszwanges zielt und keine Vorarbeiter als solche kennt, ist sie erträglicher als andere. Die selbsttätige Aneignung einer Kritik der uns beherrschenden Lebensbedingungen fordert die Aufhebung der auch universitär forcierten Isolation. So ist die Lektüre des Kapitals theoretischer Klassenkampf, emanzipatorische Theorie.
Unser hiermit propagierter Lektürekurs des Kapitals (Band 1) ist selbstredend offen für alle: Neuankömmlinge an der Universität, Studentinnen aller Fachrichtungen und Universitäten sowie Studentinnen ohne Studierendenstatus sind herzlich eingeladen.
Donnerstags 18:00-20:00 Uhr // Erster Termin: 20.10.2016
Burgstr. 26 (Theologische Fakultät der HU) // Raum 306