An Kugelmann, 11. Juli 1868
… Ich danke Ihnen bestens für Ihre Zusendungen. An Faucher schreiben sie ja nicht. Dies Manneken Pis kömmt sich sonst so wichtig vor. Das ganze, was er erreicht hat, ist, daß ich, wenn eine 2. Ausgabe kömmt, bei betreffender Stelle über die Wertgröße dem Bastiat einige obligate Hiebe geben werde. Es geschah nicht, weil der III. Band ein eigenes und ausführliches Kapitel über die Herren der „Vulgärökonomie“ enthalten wird. Sie werden es übrigens natürlich finden, daß Faucher und Konsorten den „Tauschwert“ ihrer eigenen Sudeleien nicht aus der Masse verausgabter Arbeitskraft sondern aus der Abwesenheit dieser Verausgabung, nämlich aus „ersparter Arbeit“ ableiten. Und der würdige Bastiat hat diesen, jenen Herren nach seiner Manier nur viel früheren Autoren „abgeschrieben“. Seine Quellen sind natürlich dem Faucher et Cons. Unbekannt.
Was das „Centralblatt“ angeht, so macht der Mann die größtmöglichste Konzession, indem er zugibt, daß wenn man unter Wert sich überhaupt etwas denkt, man meine Schlußfolgerung zugeben muß. Der Unglückliche sieht nicht, daß, wenn in meinem Buch gar kein Kapitel über den „Wert“ stünde, die Analyse der realen Verhältnisse, die ich gebe, den Beweis und den Nachweis des wirklichen Wertverhältnisses enthalten würde. Das Geschwätz über die Notwendigkeit, den Wertbegriff zu beweisen, beruht nur auf vollständiger Unwissenheit, sowohl über die Sache, um die es sich handelt, als die Methode der Wissenschaft. Daß jede Nation verrecken würde, die, ich will nicht sagen für ein Jahr, sondern für ein paar Wochen die Arbeit einstellte, weiß jedes Kind. Ebenso weiß es, daß die den verschiedenen Bedürfnismassen entsprechenden Massen von Produkten verschiedne und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen. Daß diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen durchaus nicht durch die bestimmten Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident. Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiedenen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin jene Gesetze sich durchsetzen. Und die Form, worin sich diese proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeitsprodukte geltend macht, ist eben der Tauschwert der Produkte.
Die Wissenschaft besteht eben darin, zu entwickeln, wie das Wertgesetz sich durchsetzt. Wollte man also von vornherein alle dem Gesetz widersprechenden Phänomene „erklären“, so müßte man die Wissenschaft vor der Wissenschaft liefern. Es ist gerade der Fehler Ricardos, daß er in seinen ersten Kapitel alle möglichen Kategorien, die erst entwickelt werden sollen, als gegeben voraussetzt, um ihr Adäquatsein mit dem Wertgesetz nachzuweisen.
Allerdings beweist andererseits, wie sie richtig unterstellt haben, die Geschichte der Theorie, daß die Auffassung des Wertverhältnisses stets dieselbe war, klarer oder unklarer, mit Illusionen verbrämter oder wissenschaftlich bestimmter. Da der Denkprozeß selbst aus den Verhältnissen herauswächst, selbst ein Naturprozeß ist, so kann das wirklich begreifende Denken immer nur dasselbe sein und nur graduell, nach der Reife der Entwicklung, also auch des Organs, womit gedacht wird, sich unterscheiden. Alles andere ist Faselei.
Der Vulgärökonom hat nicht die geringste Ahnung davon, daß die wirklichen, täglichen Austauschverhältnisse und die Wertgrößen nicht unmittelbar identisch sein können. Der Witz der bürgerlichen Gesellschaft besteht ja eben gerade darin, daß a priori keine bewußte gesellschaftliche Reglung der Produktion stattfindet. Das Vernünftige und Naturnotwendige setzt sich nur als blindwirkender Durchschnitt durch. Und dann glaubt der Vulgäre eine große Entdeckung zu machen, wenn er der Enthüllung des inneren Zusammenhangs gegenüber darauf pocht, daß die Sachen in der Erscheinung anders aussehn. In der Tat, er pocht darauf, daß er an dem Schein festhält und ihn als letztes nimmt. Wozu dann überhaupt noch Wissenschaft? Aber die Sache hat hier noch einen anderen Hintergrund. Mit der Einsicht in den Zusammenhang stürzt, vor dem praktischen Zusammensturz, aller theoretischer Glaube in die permanente Notwendigkeit der bestehenden Zustände. Es ist also absolutes Interesse der herrschenden Klasse, die gedankenlose Konfusion zu verewigen. Und wozu anders werden die sykophantischen Schwätzer bezahlt, die keinen andren Wissenschaftlichen Trumpf auszuspielen wissen, als daß man in der politischen Ökonomie überhaupt nicht denken darf?
Jedoch satis superque. Jedenfalls zeigt es sich wie sehr die Pfaffen der Bourgeoisie verkommen sind, daß Arbeiter und selbst Fabrikanten, und Kaufleute mein Buch verstanden und sich darin zurechtgefunden haben, während diese „Schriftgelehrten“ (!) klagen, daß ich ihren Verstand gar Ungebührliches zumute …
KARL MARX