Totengespräch IV
SCHILLER: Man wird streben, die Schönheit zur Vermittlerin der Wahrheit zu machen und durch die Wahrheit der Schönheit ein dauerndes Fundament und eine höhere Würde zu geben. Soweit es tunlich ist, wird man die Resultate der Wissenschaft von ihrer scholastischen Form zu befreien und in einer reizenden, wenigstens einfachen Hülle dem Gemeinsinn verständlich zu machen suchen. Zugleich aber wird man auf dem Schauplatze der Erfahrung nach neuen Erwerbungen für die Wissenschaft ausgehen und da nach Gesetzen forschen, wo bloß der Zufall zu spielen und die Willkür zu herrschen scheint. Auf diese Art glaubt man zu Aufhebung der Scheidewand beizutragen, welche die schöne Welt von der gelehrten zum Nachteile beider trennt, gründliche Kenntnisse in das gesellschaftliche Leben und Geschmack in die Wissenschaft einzuführen.
SCHLEGEL: Der Plan des Journals ist nicht übel.
SCHILLER: Was auf diese Aufsätze öffentlich erfolgen wird, bin ich wirklich begierig. Stille gehen sie nicht durch die Welt, und ihre größere Deutlichkeit erlaubt auch, daß man sich mehr darauf einlässt.
GOETHE: Im Waimarischen Publico rumoren die Horen gewaltig, mir ist aber weder ein reines pro noch contra vorgekommen, man ist eigentlich nur dahinter her, man reist sich die Stücke aus den Händen, und mehr wollen wir nicht für den Anfang.
SCHILLER: Für die Horen mag es schon genug sein, wenn sie Aufsehen erregen, von welcher Art dieß auch seyn mag.
MANSO: Schillers Stil ist nichts anderes, als eine ununterbrochene widerliche Mischung von gelehrt aussehenden abstrakten und schöngeistigen Phrasen, eine lange Reihe von rethorischen Künsteleyen und ermüdenden Antithesen.
SCHILLER: Die Urtheile sind so allgemein und zu übereinstimmend, als daß wir sie zugleich verachten und ignorieren könnten.
NICOLEI: Formale Spekulation … unverständliche Schreibart … philosophische Querköpfe … Hirngespinste … krankhaft.
MACKENSEN: Abentheuerliche Gedanken … Bombast, der selbst als Bombast falsch ist … faules Wasser … prächtige Kaskaden.
SCHILLER: Es ist jetzt platterdings unmöglich, mit irgend einer Schrift, sie mag noch so gut oder noch so schlecht sein, in Deutschland ein allgemeines Glück zu machen. Der Geisteszustand der mehrsten Menschen ist auf einer Seite anspannende und erschöpfende Arbeit, auf der anderen erschlaffender Genuß. Das Publikum hat nicht mehr die Einheit des Kinder-Geschmacks und noch weniger die Einheit einer vollendeten Bildung. Es ist in der Mitte zwischen beiden, und das ist für schlechte Autoren eine herrliche Zeit, aber für solche, die nicht bloß Geld verdienen wollen, desto schlechter.
GOETHE: Und so schnurrt auch wieder durch das Ganze die alte, halbwahre Philisterleier: daß die Künste das Sittengesetz anerkennen und sich ihm unterordnen sollen. Das erste haben sie immer getan und müssen es tun, weil ihre Gesetze so gut als das Sittengesetz aus der Vernunft entspringen; täten sie aber das zweite so wären sie verloren und es wäre besser daß man ihnen gleich einen Mühlstein an den Hals hinge und sie ersäufe, als daß man sie nach und nach ins Nützlich-Platte absterben ließe.
SCHILLER: Mit den Horen gebe ich zuweilen die Hoffnung auf. Nicht allein deswegen weil es zweifelhaft ist, ob uns das Publicum treu bleiben wird, sondern weil die Armuth am Guten und die kaltsinnige Aufnahme des wenigen Vortrefflichen mir die Lust mit jedem Tage raubt. Ich werde zwar nicht vorsätzlich zum Untergang des Journals beytragen, aber es auch nicht sehr emsig in seinem Falle zu halten bemüht seyn. Wenn es Leser giebt, die lieber die Wassersuppen in anderen Journalen kosten als eine kräftige Speise in den Horen geniessen wollen, so ist dieses freylich sehr übel, aber zu helfen weiß ich nicht. Ich selbst werde alle meine Stunden daran wenden und die besseren Mitarbeiter gleichfalls dazu vermögen. Wenn aber aller dieser Bestrebungen ungeachtet die öffentliche Stimme gegen uns ist, so muss die Unternehmung aufgegeben werden. Mir ist es unmöglich, mich lange gegen Stumpfsinnigkeit und Geschmacklosigkeit zu wehren, denn die Lust und Zuversicht allein sind die Seele meines Wirkens.
GOETHE: Den Einfall, auf alle Zeitschriften Epigramme, jedes in einem einzigen Disticho, zu machen, wie die ‚Xenia‘ des Martials sind, der mir diese Tage gekommen ist, müssen wir kultivieren und eine solche Sammlung in Ihrem Musenalmanach des nächsten Jahres bringen. Wir müssen nur viele machen und die besten aussuchen.
SCHILLER: Denken Sie darauf Reichardten unseren soi distant Freund mit einigen Xenien zu beehren. Ich lese eben eine Recension der Horen in seinem Journal, wo er sich über die Unterhaltungen und auch noch andere Aufsätze schrecklich emancipiert hat.
GOETHE: Sollten Sie sich nicht nunmehr überall umsehen? Und sammeln, was gegen die ‚Horen‘ im allgemeinen und besonderen gesagt ist, und hielten am Schluß des Jahres darüber ein kurzes Gericht, bei welcher Gelegenheit der Günstling der Zeit auch vorkommen könnte. Das Hällische philosophische Journal soll sich auch ungebührlich betragen haben. Wenn man dergleichen Dinge in Bündlein bindet, brennen sie besser.
BÖTTIGER: Der neue Schillersche Musenalmanach ist ein wahres Revolutionstribunal, ein Terrorism, gegen welchen alle guten Köpfe in Masse aufstehen müssen.
CAROLINE SCHLEGEL: Ich kann Dir sagen, daß mir das Ding immer weniger gefällt und ich Schiller (ganz unter uns) seitdem nicht gut bin.
CHARLOTTE VON SCHIMMELMANN: Ach lieber Schiller Sie sollten nicht so scheint es mir sich an der Spitze des kriegführenden stellen, nicht im nahmen der musen die Geißel schwingen – verzeihen Sie meine aufrichtigkeit ich hörte schon so manches urtheil so manch giftige anmerkung – – auch aufrichtige klagen der gutgesinnten – über die enge verbindung zwischen Schiller und Göthe –, lassen Sie nicht ab nur das schöne ideal zu zeigen.
WIELAND: Ein widerliches Gemisch von Witz, Galle, Gift und Unrath, womit die Verfasser dieser Distichen so manche im Besitz der öffentlichen Achtung stehende, oder doch wenigstens eine öffentliche Züchtigung keineswegs verdienende Männer übergießen.
HENNINGS: Kotwürfe einer beleidigten Eigenliebe.
KRAUS: Höchste Vorbilder deutschen Mißhumors. Dioskuren der Witzlosigkeit.
HEGEL: Viele sind in der Tat Brandraketen und haben verdrossen – zur unendlichen Ergötzlichkeit des besseren Teils des Publikums, der sich freute, als das mittlere und schlechte Gesindel, das sich lange breitgesetzt und das große Wort gehabt, tüchtig aufs Maul geschlagen und ihm der Leib mit kaltem Wasser übergossen wurde.
GOETHE: Hier ein paar zur Probe.