Vorrede
Marx hat eigentlich nur einen gigantischen Stapel an verstreuten Schriften hinterlassen. Lauter Zeitungsartikel, Adressen, Manifeste, Fragmente, Streitschriften gegen Hinz und Kunz, politische Prosa, Agitation, philosophische Schriften, ökonomische Schriften. Insgesamt gibt es wenige Bücher, die er wirklich veröffentlicht hat und die interessantesten Gedanken finden sich mitunter in unveröffentlichten Fragmenten, Briefen oder beiläufigen Artikeln. Selbst sein Hauptwerk, das dreibändige Kapital, ist Fragment und nur der erste Band dieses ursprünglich auf sechs Bände angelegten Monstrums wurde auch fertig. Wir hätten hier sogar eine Kritik des Staates erhalten sollen, nur die Kritik der bürgerlichen Familie hätte auch im sechsbändigen Kapital gefehlt. Die schöne Dreizahl des Kapitals verdanken wir wiederum seinem Freund Friedrich Engels, der aus den zahllosen Fragmenten noch zwei weitere Bände zusammengestellt hat. Überhaupt hat erst der ältere Engels angefangen, aus der Marx’schen Gedankenflut eine Lehre zu formen und es finden sich von ihm zahlreiche gute Bücher zur Einführung in dessen Denken. Diese Lehre wurde dann in Folge der siegreichen russischen Revolution dogmatisch kanonisiert und so kennt man heute das Werk von Marx hauptsächlich aus den „Marx-Engels-Werken“: über vierzig Bände im harmonisch-beruhigendem Blau, versehen mit erklärenden Vorworten eines zentralen Komitees. Heute ist dieser Spuk glücklicherweise vorbei, der dichte Nebel, den das 20. Jahrhundert über Marx gelegt hatte, kann sich jetzt lichten und man soll dem seltsamen, untergegangenen Königreich DDR nur dankbar sein, dass es so viele Ausgaben druckte. Eine Anzeige im Neuen Deutschland genügt und man hat sie alle. Allerdings muss man die Bücher natürlich trotzdem noch lesen. Der Umfang dieser Schriften und die Menge ihrer Gegenstände macht den Zugang etwas schwierig, daher hier einige einführende Gedanken und der Versuch, etwas Ordnung zu schaffen. Im Grunde sollte alles im gefälligen und populären Stil gehalten sein. Ist es aber dummerweise nicht. Der Autor hielt sich einen Augenblick lang für talentierter als er ist und er hatte die zahlreichen Zitate von Marx, die zu verwenden er sich vorgenommen hatte, als weniger sperrig in Erinnerung. Vielleicht soll man auch Marx nicht zitieren, aber dann müsste man selbst schreiben.