Statt eines Kommentars zur Ukraine
Wolfgang Pohrt über den Beginn des jugoslawischen Bürgerkriegs
Entscheidung in Jugoslawien (September 1991)
Die Bombe tickt (Juli 1992)
Der Durchbruch der deutschen Politik in die gleiche Richtung (Januar 1992)
Thesen (Januar 1992)
Tödliche Liebschaften (Anfang 1992)
Das ist Wahnsinn da draußen (August 1992)
Anmerkungen zu den Texten
Da gerade eine gewisse Aussicht auf einen handfesten Bürgerkrieg in der Ukraine besteht, hier ein paar Artikel von Wolfgang Pohrt über den den Anfang des Bürgerkriegs in Jugoslawien und die deutsche Außenpolitik dieser Zeit. Es sei dahingestellt, ob es in der Ukraine so weit kommt, wie dann im Verlauf erst in Bosnien und dann im Kosovo, aber besser wäre es, die Ukrainer würden sich dem Desaster des Zerfalls in Jugoslawien rechtzeitig besinnen, um nicht dieselbe Farce in ihrem Land zu wiederholen.
Die Essais von Pohrt waren damals Teil einer umfassenderen Debatte unter den verbliebenen kritischen Individuen. Dementsprechend anachronistisch wirken sie heute. Und avantgardistisch, da er den Untergang des Ostblocks ebenso als Untergang der westlichen Nachkriegsordnung interpretiert. Der Verfall der westlichen Welt vollzieht sich dabei aber weder als Wiederholung der Vergangenheit noch als schlagartig hereinbrechende Katastrophe. Umgekehrt scheint die permanente Drohung mit einer erst noch kommenden Katastrophe momentan das geeignete Mittel, um die permanenten Katastrophen zu verdrängen: Golden Dawn ist in Griechenland nicht an der Macht – leben läßt sich dort aber jetzt schon in gesteigerter Erbärmlichkeit. Die Neonazis bilden nur einen Teil der neuen „Regierung“ in der Ukraine – doch alle anderen ‚neuen‘ Kräfte bieten nur eine variierte Fortsetzung des Gangstertums auf Kabinettsebene. Der Anschluß der Krim ist ohne jeden Schuß passiert – die Menschen dort erwartet nun zwar etwas mehr materielle Subvention, allerdings unter dem Putinschen Autokratismus moderner Prägung, der ohnehin auch für Westeuropa ein Modell für die Zukunft bietet. Und selbst Israel steht noch – iranisches Atomprogramm hin oder her – die Drohung in Permanenz jedoch bleibt für die Israelis, und das Leben der sogenannten ‚arabischen Massen‘ wird weiterhin von Gewalt und Entmündigung geprägt.
Dennoch gab es die von Pohrt angekündigten Gemetzel, typischerweise eher in fern vom Westen dahinwesenden Gebilden wie Ruanda und heute in Libyen oder Syrien. Das muß sicher nicht so bleiben, und streng genommen gab es ja schon auch in Europa einen Bürgerkrieg, nämlich eben in Jugoslawien – aber alles in allem besteht in Deutschland die Katastrophe zumeist in der Langeweile und Frustration des Alltags mit seinen unendlichen Verwicklungen. Unter der Hand ändert sich dabei vieles, die neue Paranoia in der Kindererziehung ist dafür nur ein augenfälliger Ausdruck, wie auch das umfassende öffentliche Rauchverbot oder die inflationäre Flucht in psychische und sonstige Behandlung, um überhaupt noch eine Art von Identität sich erschleichen zu können. Die politische und wirtschaftliche Zukunft „Europas“ ist ungewiß, der illusionäre Wohlstand der 70er erscheint zunehmend passé und so gibt es einigen Grund für Hypochondrie und Unsicherheit. Bei jedem noch so kleinen Schritt in die falsche Richtung wird man sich weiter sagen, dass der große Knall noch ausgeblieben ist, aber die eine oder andere neue Schrulle bleibt, Frühvergreisung und Spätpubertierung greifen um sich, „und manchmal geht einer verloren irgendwo da draußen“. Bis zum ganz großen Knall, von dem man nur weiß, dass er kommen muß, aber niemals wann oder auch wie.
Ende August 2014