Lilly Lent
Viel Spass
Im Winter bin ich gerne an der Uni angekommen. Zuhause hatten wir einen Kohleofen, und ich schaffte es nicht, diesen kurz nach dem Aufstehen in der Berliner Dämmrigkeit anzuzünden, ein knappe Stunde durchglühen zu lassen und aufmerksam auf den richtigen Moment zu lauern, in dem man die Klappen schließen muss. Zuhause war es also kalt, und in der Uni war es warm. Es gab Kaffee und belegte Brote zum Frühstück. Im Oktober, zu Beginn des Wintersemesters, war auch der Weg hübsch. In Dahlem war es still, die Luft war gut und man lief durch gelbes Laub, fast ein Herbstspaziergang. Im Sommer konnte man von dort aus mit dem Fahrrad zum Schlachtensee fah- ren und baden. Anwesenheitslisten gab es nicht; meine erste Note bekam ich nach zwei Jahren. Ich saß auch pflichtbewusst in Seminarräumen und zeichnete dort zur Beruhigung immer wieder meine linke Hand. Was verlangt wurde, schien mir nichts Unmäßiges. Ich beteiligte mich also an den gepflegten Diskussionen und fertigte 15-seitige Hausarbeiten an. Beim Unistreik schrieb ich dann Flugblätter und pflegte meine Liebschaften. Ich hatte nichts gegen die Universität, es war nur ein wenig langweilig, und ich war jedes Mal froh, wenn ich nach Hause fahren konnte. Mir gingen die vielen Leute auf die Nerven, die surrenden Lampen in der Bibliothek und die Gänge mit hässlichem Teppichboden, die Flugblätter und der Anblick meiner linken Hand. Ein einziges Mal habe ich mich aber wirklich wohl gefühlt und wollte gar nicht wieder weg. Während eines Unistreiks haben wir nachts versucht, die Eingänge zu blockieren. Wir schraubten an den Schlössern herum und klebten dieses und jenes zu. Es war eine komplett blödsinnige Unternehmung und hatte fatale Folgen. Ein Freund hatte zwei gebrochene Füße, eine wurde angezeigt, alle stritten sich. Ich erinnere mich aber daran, dass ich beim Schrauben und Kleben vergnügt dachte: Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier so viel Spaß haben kann.