Zapata Springsteen
Der Sturm
„Wir haben allerhand Rumore im Kopfe und auf dem Kopfe, dabei lässt sich der deutsche Kopf eher eine Schlafmütze ganz ruhig sitzen und operiert innerhalb seiner“ (Hegel)
Meine schwerhörige Liebste ereilte heute eine traurige Nachricht. Das regelmäßige Treffen mit Bezug auf die Gebärdensprach-Kultur, an dem sie jeden Freitag teilnahm, wurde abgesagt, weil sämtliche Beteiligten sich vor dem großen, apokalyptischen Sturm in Acht nahmen. Dieser Sturm ist wie das Schwanken einer Schneekugel. Er wurde vorausgesagt, erwartet, ersehnt und traf schließlich sogar ein.
Uns wurde nicht lediglich ein Sturm versprochen, nicht nur Windböen und Orkane, wie sie jeder schon erlebte; jene Wetterphänomene der hässlicheren Art. Naturgewalten, denen die Industriegesellschaft bisher mit Regenjacken und Gummistiefeln zu trotzen gewusst hat.
Nein, es wurde mal wieder der hervorstehende Weltuntergang prophezeit und ein Katastrophismus beschworen der die Leute dazu veranlasste, das zu tun, was sie in den letzten zwei Jahren so gut zu beherrschen gelernt haben.
Und zwar; sich selbst zu beherrschen und zu hause zu bleiben, wenn ein Fingerzeig es wähnt; selbst wenn das Wetter dem Blick aus dem Fenster folgend dann gar nicht mal so wild erschien. (Das ist keine Opferverhöhnung)
Es ist Freitag Abend; sorry guys; alles abgesagt – die Party in gecanceld. Der Blick in den Bildschirm hat den Blick in die Welt ersetzt.
Hätte man während der statuierten Lockdowns nicht genug Zeit gehabt, die Fenster zu putzen, durch deren Verglasung zu blicken und in eigener Erwägung den Wetterhahn in dessen Tänzen ernst zu nehmen?
Wer kann sich noch an den Hurrikan 2004 und das darauf folgende moralische Obligatorium erinnern, durch dessen gesellschaftspolitisch und exekutiv bedingte Übereinkunft dem damaligen Hitradio „die perfekte Welle“ als einem in Dauerschleife laufenden Chart-Hit die Sendegenehmigung entzogen worden war.
Trotz des nationalen Taumels, in dem sich Deutschland damals befand und für eine „Deutsch- Quote“ im Radio warb, die im furchtbaren WM-Jahr 2006 schließlich ihren Klimax fand, wurde der sogenannte Hit fortan im Radio nicht mehr gespielt.
Ein Auszug des Textes lautet wie folgt:
„Mit jeder Welle kam ein Traum
Träume gehen vorüber
Dein Brett ist verstaubt
Deine Zweifel schäumen über
Hast dein Leben lang gewartet
Hast gehofft, dass es sie gibt
Hast den Glauben fast verloren
Hast dich nicht vom Fleck bewegt
Jetzt kommt sie langsam auf dich zu
Das Wasser schlägt dir ins Gesicht
Siehst dein Leben wie ein Film
Du kannst nicht glauben, dass sie bricht
Das ist die perfekte Welle
Das ist der perfekte Tag
Lass dich einfach von ihr tragen
Denk am besten gar nicht nach“
Der Ausdruck von deutscher Ideologie und dem damit verbandelten Patriotismus ist heute vollkommen anders gestrickt.
Man gibt sich pluralistisch, ökologisch und divers und reitet doch auf jener oder diesen (Corona-)Welle mit, lässt sich einfach von ihr impfen, preist sich selbst als guten Deutschen und denkt am liebsten gar nicht nach.
Ich mag das Lied aber ohnehin nicht sonderlich. „Video killed the radio star“ gefällt mir da wesentlich besser und wird der Sache auch gerecht:
„I heard you on my wireless back in ’52
Lying awake, intent at tuning in on you
If I was young, it didn’t stop you coming through
Oh-a, oh-a
They took the credit for your second symphony
Rewritten by machine and new technology
And now I understand the problems you can see“
Wer Wind sät, wird Sturm ernten, hat mal wer gesagt.
Wohl möglich gibt es in Europa morgen übrigens Krieg.
Ich muss gestehen, dass ich diese Information selbst auf dem Radio erfuhr.
Ich bin ein friedensbewegter Mensch. Stell dir vor es gibt Krieg und sie machen „stay at home“.
ZAPATA SPRINGSTEEN
PS:
Gerade forderte eine Radiosprecherin, es sollten zukünftig viel mehr Frauen bei der Feuerwehr arbeiten. Um einer Quotisierung der Feuerwehr gerecht zu werden, ließen sich dann immer noch Brände legen. Der Genderismus ist gegenüber den Hexenverbrennungen in vielerlei Hinsicht ein humanitärer Fortschritt.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es morgen möglicherweise einen Krieg gibt? Der hat ja schließlich auch irgendwas mit Feuerschusswaffen und verbrannter Erde zu tun.
Vielleicht ein guter Anlass, die eigene „Konsumentenmentalität“ zu überdenken und während des wütenden Feuer und Inferno nochmals die Lektüre der Rundfunktexte von Walter Benjamin zur Hand zu nehmen.
18.02.2022