Die Röteln präsentieren:
Das Seminar zur Kritik der Naturwissenschaften
Einer weit verbreiteten Meinung nach ist die Naturwissenschaft an sich vernünftig und erst ihre Anwendung z.B. in der Atom- und Gentechnologie sei kritikabel. Im Gegensatz dazu soll auf dem Seminar die Denkform der Naturwissenschaft selbst zum Gegenstand der Kritik werden. Die Naturwissenschaft, als eine dem Produktionsprozess nahe Denkform, die dazu dient, diesen am Laufen zu halten, kann kaum der herrschenden Ideologie entzogen sein. Inwieweit der in den Naturwissenschaften übliche Brauch, undurchschaubare Begriffe und Formeln zu predigen, nicht zu einer besseren Eerkenntnis der Natur, sondern zur Disziplinierung und Verwirrung der Menschen führt, soll auf dem Seminar diskutiert werden. Dies betrifft nicht nur diejenigen, die das Pech haben, eine Naturwissenschaft zu studieren oder gar sie praktisch zu betreiben, sondern auch die Schar der Ehrfürchtigen, die aufgrund irgendeiner Studie sich ängstlich um ihren Cholesterinspiegel sorgen oder ihre jeweiligen Gebrechen mit unbegriffenen zellularen Vorgängen in Verbindung bringen.
Aufgrund dieser „grenzenlosen Zauberformeln“ (Goethe) ist die naturwissenschaftliche Praxis und der Glaube an diese nicht nur maßgeblich an der Schaffung der arbeitsfähigen Subjekte beteiligt, sondern entfremdet die Menschen auch weitgehend vom Produktionsprozess, der ihnen als so kompliziert, und nur von Spezialisten einsehbar erscheint, dass dem Gros der Menschen, der Glaube, diesen in die eigenen Hände nehmen zu können, als unmögliches Märchen vorkommt.
I. In einem ersten Referat sollen die Anfänge moderner Wissenschaft beleuchtet werden. Hier geht es darum, dass die zu Beginn der bürgerlichen Epoche sich vollziehende Spaltung von Vernunft und Natur gleichzeitig der Disziplinierung der inneren Natur diente, wie der Beherrschung der äußeren, nun auf manipulierbaren Stoff reduzierten Natur. Diese erscheint in der naturwissenschaftlichen Denkform bereits theoretisch entsinnlicht und entseelt, bevor sie in der Industrie praktisch verunstaltet wird. Das damit die moderne Naturwissenschaft notwendig patriarchal ist, soll historisch an der Hexenverfolgung aufgezeigt werden. Denn diese wurden verbrannt, weil sie für die unkontrollierbare als weiblich gedachte Natur standen. In diesem Verfolgungsprozess wurde u. a. das sich selbst disziplinierende Subjekt geschaffen, dass in der zum selben Zeitpunkt sich entwickelnden rationalen Naturwissenschaft, die Mannigfaltigkeit der Natur ausgrenzt und statt dieser nur noch die Abstraktion der Natur übrig lässt und so den Hexenwahn auf ihrem Gebiet reproduziert.
II. In einem zweiten Referat soll es um die Kehrseite dieser Entsinnlichung oder Entqualifi tierung gehen: Der Vernunftlosigkeit der Naturwissenschaft. Diese ist in ihrer aktuellen Form allen Studentinnen eine Zumutung und wird von allen Nichtnaturwissenschaftlern, gleich der lateinischen Bibel, angestaunt. Indem nämlich die Naturwissenschaft die Qualitäten ihres Gegenstandes verdrängt, verdrängt sie auch, daß sie es mit qualitativen Begriffen zu tun hat. Die Naturwissenschaft inkl. Mathematik ist so nicht in der Lage vernünftige Begriffe der Natur zu bilden und gesteht im modernen Positivismus diese Unfähigkeit auch ein.
III. „Die Revolution muss den naturwissenschaftlich vermittelten Stoffwechselprozess der Gattung erfassen, oder es ist keine.“ Die Wertabstraktion ist das Apriori der naturwissenschaftlichen und technischen Vernunft. Naturwissenschaftliches Wissen folgt dem gleichen Schema wie seine technologische Anwendung. Es ist Produktivkraft ersten Ranges. Im gleichen Prozess, in dem der Tauschverkehr den Naturstoffwechsel als industrielles Kapital organisiert, setzt das Kapital die Arbeit als reine Subjektivität der Natur als reine Objektivität gegenüber. Die objektive Notwendigkeit und Allgemeinheit des Naturgesetzes ist Resultat der Trennung der Produzierenden von den Produktionsmitteln. Philosophisch ablesbar ist dies am neuzeitlichen Primat des Subjekts. Das Ich denke, das alle meine Vorstellungen muss begleiten können, ist eine Maske der naturbeherrschenden Rechtsperson. In der Industrie verwirklicht sich das Erkenntnisideal der aufklärerischen Naturphilosophie, und der Mensch wird zum Deus per machina. Die transzendentale Einheit der Subjektivität, die Bedingung ist, um Natur zu unterwerfen, ist Produkt der Affi rmation von Prinzipien der Naturbeherrschung auf Menschen, die sowohl eine nie da gewesene Emanzipation vom Naturprozess ermöglicht, als auch in der Setzung des Menschen als Mittel und nicht als Zweck, den Naturprozess bloß verlängert. Adornos programmatischem Ausspruch vom „Vorrang des Objekts“ folgend, soll eine negative Metaphysik der Natur skizziert werden. Eine solche zeigt die Grenze der wissenschaftlichen Naturerkenntnis auf, in dem sie deren historische Vermittlung mit der durch abstrakte Arbeit gestifteten gesellschaftlichen Totalität ausweist, ohne dass die objektive Wahrheit naturwissenschaftlicher Kenntnisse abstrakt negiert wird.
Anmeldung: die.roeteln@gmx.net
Die Unkosten für das Seminar belaufen sich auf 25€. Inbegriffen sind Unterkunft und Verpfl egung, sowie die Kosten für die Anreise.
(Für Bahnfahrer: 50% Bahncardpreis oder der Plan- und Spartarif.)