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Drei Blicke auf Zombies und ein schielender
I. Böse Zombies
Da die Filmindustrie nun einmal darauf verfallen ist, den Kampf Gut gegen Böse in mannigfaltigen Variationen zu reproduzieren, eignen sich Zombies ganz gut für eine Armee der Finsternis. Sie fin- den sich in vielen Filmen dieser Art, wobei es aber eigentlich egal ist, ob es sich wirklich um Zom- bies handelt oder um andere Kreaturen der Dunkelheit. Auch die Orks in Lord of the Rings ähneln den Zombies, und in Buffys finaler Schlacht, dem großen Mackermassaker am Ende der siebenten Staffel, befinden sich unter den die Männer vorstellenden Kreaturen viele zombieähnliche Gestalten. Im Wesentlichen geht es darum, daß die Normalen, indem sie die Zombies umbringen, ihre eigene schlechte Seite loswerden. Nur in seltenen Fällen gelingt es, einen Bösen zum Guten zu läutern.
Diesem Schema folgen auch gute Filme wie Romeros Erstlingswerk Night of the living Dead, in dem die Zombies im Grunde einen Südstaatenpogromhaufen darstellen, die einen Schwarzen belagern. Man braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn diese Kreaturen wie die Fliegen fallen, sie zahllose Kopfschüsse verpaßt bekommen etc. – der Gegner ist ausreichend entmenschlicht. Man würde – zumindest im Film – solche schamlosen Metzeleien weniger dulden, wenn die Armee des Bösen etwa von Vietnamesen gespielt würde. Auch das gibt es zuhauf, wird aber anders inszeniert. (Rambo tötet seine Feinde, um seine Freunde zu retten, der Massenmord wird auf diese Weise erträg- lich. In Apocalypse Now erscheint die Metzelei weniger rationell, dafür ähnelt dieser Film in seinen Endpassagen einem Kannibalenfilm, nähert sich also dem Zombiefilm an.)
II. Passive Zombies
Der Zombie im eigentlichen Sinne ist ein lebender Toter, und bekanntlich wirken die Bewohner der Zivilisation ein wenig wie tote Lebendige. Keiner wundert sich daher über die Darstellung von Einkaufenden durch als Zombies verkleidete Schauspieler. Die Zombies stellen hier die vereinseitigte Passivität der Konsumenten vor und sind dementsprechend tumb und langsam. Das unterscheidet sie von anderen Armeen des Bösen, die immerhin leidenschaftlich sind und mit Waffen umgehen können. Zombies haben keine Leidenschaft, es sei denn, sie schaffen es, jemanden zu zerfleischen. Dabei gilt aber genau wie beim Fastfoodkonsum: Andauernde Befriedigung erlangen die Zombies durch ihre Speise nicht. Natürlich könnte man sie auch edle Speisen essen lassen oder sie als Manager darstellen. Es gibt keinen Grund, die Zombies immer in dieser passiven Konsumentenseite erstarren zu lassen. Warum keine arbeitenden Zombies? Romero hat in seinem jüngsten Film einige arbeiten- de Zombies eingeführt und es klappt gut, auch wenn es nur Provinzarbeiterzombies sind. (Es gibt Bauern und Postboten.)
In dieser zweiten Variante sind die Zombies genießbarer. Sie sind nicht mehr einfach das Andere. Konsumenten gibt es ja wirklich bzw. jeder moderne Arbeiter ist gezwungen, auch passiver Konsument zu sein; es gibt gute Gründe, das abzulehnen oder zu bekämpfen. Die allgemeine soziale Passivität der durch die Produktionsverhältnisse voneinander isolierten Individuen verhindert den Aufstand. Deshalb findet sich die Zombiemetapher auch bei denen, die behaupten, den revolutionären Krieg bereits angefangen zu haben. Die postanarchistische Guerillagruppe „Verschwörung der Feuerzellen“ schreibt etwa: „Die Unterstützer einer Partei ziehen genauso wie Fußballhooligans von einer Stadt zur anderen, nehmen an allen Veranstaltungen teil. Sie schleppen ihre lebenden Körper und rufen Parteiparolen. Wenn der Vorsitzende kommt und seine zwei Stunden Theater spielt, ist die Masse zu Tränen gerührt und vor Emotionen betäubt. Diese an die Filme mit lebendigen Toten erinnernde, idiotische Masse kann nur Angriffsziel sein.“ Die „Feuerzellen“ haben tatsächlich eine propagandistische Massenveranstaltung unter Zuhilfenahme einer kleinen selbstgebastelten Bombe erschreckt, wobei niemand zu Schaden kommen sollte und auch niemand kam. In den Zombiefilmen gibt es dagegen zahllose Kopfschüsse. Aber im Ernst kann das nicht das Mittel sein, diese Plage los zu werden. Noch ist kein Kraut gegen die allgemeine Integration der Massen in ihre eigene Unterdrückung gewachsen.
III. Lustvolle (schwule) Zombies
Die Fixierung der Zombies auf der Seite des Bösen ist ein großes Problem. Denn schon im Einkaufsoder Parteizombie entpuppt sich, daß es sich nur um das Alter Ego des bürgerlichen Individuums handelt. Die Arbeitenden sind zu Stumpfsinn in ihrer freien Zeit verdonnert. Erschrecken mag da hingehen, aber nicht umbringen, und indem die Zombiefilme immer das propagieren, sind sie reaktionär; sie nähern sich dann der Euthanasie an. (Angedeutet in Braindead, wo der Pharmazeut, der dem Helden den Tranquilizer für die Zombies verkauft, ein Nazi ist.)
Die ewig unbefriedigten Zombies mit ihren offenen Wunden stellen auch die geschundene Kreatur dar und wenn sie sich schmatzend einen Genuß genehmigen, wird das als Kannibalismus dargestellt. Die Kopfschüsse gelten dem leidenden Menschen und mögen auf diese Weise einer Menge Jungs helfen, sich zum Mann zu machen, indem sie ihr Leiden verdrängen. Schön ist das nicht. Einerseits besteht eine gewisse Furcht vor der Auflösung der Disziplin, und tatsächlich tendieren die Zivilisierten zu Infantilismus und Regression. Neben der Angst gibt es andererseits aber auch einen starken Wunsch, die Disziplinierung loszuwerden. Die Lösung dieser Klemme kann in der Ausmerzung eines stellvertretenden Objekts bestehen. Es gilt dabei als das Schlimmste, selbst zu einem Zombie zu werden – als ob man es nicht bereits wäre, was aber in den Filmen nur manchmal eine Rolle spielt. Klassisch sind die Szenen, wo ein Kumpel den anderen erschießen muß, um die Transformation in einen Zombie rechtzeitig zu unterbinden, nachdem der zu Ermordende bereits durch einen Biß infiziert wurde. Weniger klassisch ist ein zentraler autoritärer Charakter in Romeros Land of the Dead, der am Ende den Wunsch äußert, die andere Seite einmal kennenzulernen, und sich dann – als Zombie – gegen seinen Herrn wendet. Häufiger, aber selten in der nötigen sexuellen Konnotation, wird die Zerfleischung und Transformation lustvoll dargestellt, was Sinn ergeben würde, da es sich ja eigentlich darum handelt, den Ich-Panzer loszuwerden. Angedeutet wird das in der ersten Aufstandszene von Ein Heldenleben, wo die ganze Sache darin endet, daß ein Nazi zerfließt, ganz analog zur Reaktion eines autoritären Charakters nach einer schwulen Rede eine Szene früher.
Sex unter Zombies ist weitgehend tabu. Erste Ansätze dazu kann man in Braindead sehen, aber im Allgemeinen gibt es wenige weibliche Zombies. Bei Night of the living Dead ist eine solche Zombiefrau aus vielen Schnittfassungen herausgefallen, sie ziert aber das Cover der DVD-Ausgabe und deutet so an, worum es auch gehen könnte. In Zombiefilmen dreht es sich allerdings nicht so sehr um die Abwehr des Weiblichen, sondern um die der männlich-schwulen Seite. Was das angeht, ist Bruce LaBruces L.A. Zombie stark zu empfehlen, wo die Toten von schwulen Zombies ins Leben zurückgefickt werden. Und natürlich auch Snyders Remake von Dawn of the Dead.
Schielender Blick (Rebellische Zombies)
Wenn die Lebenden heute eher tot sind, so können die lebendigen Toten nicht so schlecht sein. Indem die Zombies sich manchmal als verbotene Triebregung kenntlich machen, beginnt das Böse, seinen Sinn zu bekommen, wird Triebkraft der Entwicklung. Überhaupt ist das, was man das Gute nennt, nur das, was man zufällig auf uns gebracht hat. Moral im Kino ist immer Scheiße. Interessant wird es, wo mit der Umwertung aller Werte begonnen wird. Während die Zombies immerhin beim Morden Lust empfinden, sind ihre Jäger oftmals noch beim Töten tot. „Ziemlich vergammelter Haufen“, sagt ein Sheriff am Ende von Night of the living Dead und erschießt – mehr so nebenbei – den Helden. Die Zombies werden in dieser letzten Szene – dem sonstigen Drehbuch widersprechend – zu Vietnamesen, die von der US-Army gnadenlos dezimiert werden. Der schwarze Held ist plötzlich einer von ihnen. Hier beginnt die eigentliche Karriere der Zombies.
In Dawn of the Dead verwendet Romero ein konfuses Drehbuch, um den wahren Sinn seines Films anzudeuten und für Hollywood und Publikum erträglich zu machen. Erste Szene: In einer Talkshow wirbt ein Experte für ein hartes Vorgehen gegen eine um sich greifende Seuche. Man sieht keine Zombies, dafür Ansätze von Disziplinlosigkeit unter Arbeitern, genauer: Medienarbeitern. Als nächstes wird gezeigt, wie die Polizei ein Haus räumt, dabei einen Anarchisten abknallt und hinterher zahlreiche Schwarze. Als Reaktion beißt ein rebellischer Schwarzer seine ängstliche Ehefrau, und erst jetzt steigen aus den Lagern der Verwundeten die Zombies und nehmen den Kampf auf. Es handelt sich um eine kühne Exposition; die Zombieseuche wird als Rebellion dargestellt. Im Prinzip wird gesagt, daß das keine Zombies sind, daß die Herrschaft das nur gerne so sieht, damit sie Polizei und Militär gegen einen Aufstand schicken kann. Der gefürchtete Biß wird als Übertragung der Rebellion angedeutet, was ja realistischer ist als z.B. die rationalistische Annahme, Argumente würden ausreichen. Am besten wäre es natürlich, auch reflexive Momente einzubeziehen, aber dazu sind Zombies noch nicht in der Lage. (In Day of the Dead sind Zombies immerhin begrenzt lernfähig, aber das ist kein guter Film.) Dawn of the Dead schweift stattdessen ab. Einige Überlebende verschanzen sich in einem mit allerlei der Warenform entkleideten Dingen gefüllten Kaufhaus, die Zombies fallen auf Stufe II zurück und werden zu kannibalistischen Einkaufszombies. Die exponierte Handlung wird nicht mehr fortgesetzt, es gibt kaum noch Sinn, wenn auch einige Witze. Man sieht aber durch die Anfangsszene immerhin, was die Zombies hätten sein können, wenn Romero den Mut gehabt hätte – oder wenn man ihm die Mittel für diesen Film gegeben hätte. Andererseits gefällt an der Kaufhausszene, daß alle Figuren großen Spaß daran haben, in der Welt der freigewordenen Waren zu schwelgen, zumindest anfangs. Es gibt das Gefühl der Freiheit: sich das anzueignen, was einem bisher verboten war, d. h., verschlossene Räume zu begehen etc. Das macht einen Teil des Reizes solcher Filme aus, diese plötzliche Möglichkeit, über die Welt verfügen zu können (natürlich in dem engen Rahmen, den die Zombiemassen lassen). Hier erscheinen die Zombies als negatives, aufrührerisches Element und die Überlebenden nutzen den von den Zombies geschaffenen Freiraum, ohne dass allerdings jenseits der Kampfhandlungen ein Kontakt zu den Aufständischen hergestellt würde.
In Romeros Land of the Dead organisieren dann die Zombies unter Luther King einen Marsch auf die Metropole und eignen sich dabei das Werkzeug an, um es gegen ihre Unterdrücker zu richten. Gleichzeitig fangen die menschlichen Arbeiter an, sich zu sammeln, und – wie schon erwähnt – wechselt ein Hauptprotagonist freiwillig die Seiten, wird zum Zombie und tötet den obersten Verwalter der Zivilisation. Die Zombies ähneln den Bewohnern der ehemaligen Kolonien, und tatsächlich sahen hier einige Feuilletonschreiber den Djihad über unsere Zivilisation hineinbrechen. Es dürfte schwer sein, einen anderen Zombiefilm zu finden, der die Umwertung so weit treibt, wenn auch leider die Lernfähigkeit sehr begrenzt ist und die Zombies im Wesentlichen doch nur knurren und zerfleischen. Aber sie entwickeln auch Mitleid, was bei den Menschen noch nicht so durchgesetzt ist. Auch ist dieses Drehbuch in sich konsistent.
Indessen wird im Remake von Dawn of the Dead wieder das Mittel der Drehbuchverwirrung verwendet, um anzudeuten, worum es eigentlich geht. Im Intro dieses Films werden zwischen die Zombies Bilder von Aufständen eingeblendet, wodurch deutlich wird, was für ein Virus das in Wirklichkeit ist. (Dieses Intro ist so gut, daß es auch als Werbeclip für We are an image from the future taugt.) Um seine wahre Botschaft zu übermitteln, wurden außerdem noch zwei Zusatzclips gedreht, die mit der DVD vertrieben werden. Diese enthalten einige gute Witze, z.B. einen Soziologen, der über die Zombieunruhen spricht: „Was wir hier erleben, ist der spontane Ausbruch einer aufgestauten Wut, angefacht von der Frustration über die Zwänge der Gesellschaft.“ Außerdem die Hinteransicht eines Waffennarrs, der mit seinem Goldfisch redet. (Im Hauptfilm kommt nur die Vorderansicht desselben Typen.) Ansonsten zieht dieser Film seine Stärke aus der oben beschriebenen Befreiung der Überlebenden, und es gibt auch hier kaum Erbarmen für die Zombies. (Die Heldin stellt eine Ausnahme dar.)
In Romeros neuestem Film, Survival of the Dead, treten die Zombies in den Hintergrund. Aber auch hier werden die Arbeiterzombies wenigstens einmal auf ihren Herrn losgelassen.