Sexismus und Antifeminismus in linken Räumen
Zurückweisung eines Vortrags auf dem kommunistischen Tresen durch die Frauenantifa Nemesis
Flugblatt der Frauenantifa Nemesis gegen den kommunistischen Tresen. Ursprünglich stand auf dieser Seite vor diesem Text dieser Kommentar sowie eine Zusammenfassung des Vortrags, den die linken Analphabten (Männlein wie Weiblein) tatsächich weder hören noch lesen konnten. Der Vortrag „Wozu Phallus in dürftiger Zeit?“ selbst findet sich hier. Außerdem erschien hier die Kritik von Béatrice Bagarre: „Von linken Waschzwängen und schmutzigen Methoden“.
Täglich sind wir Frauen* Zugriffen auf unsere Körper ausgesetzt. Sei es durch Blicke in der Öffentlichkeit, in Gesprächen nicht ernstgenommen zu werden, ungefragt berührt zu werden oder auf ein Nein gewaltvoll dem männlichen Willen untergeordnet zu werden. Sexismus und sexualisierte Gewalt gehören zu unserem Alltag.
Die Vorfälle auf den Festivals Monis Rache und Fusion wie auch im Conne Island in Leipzig zeigen, dass Frauen sich nirgends sicher fühlen können und dass sie sich auch nirgends sicher fühlen sollen – auch nicht in sogenannten linken Räumen. Wir beobachten den Unwillen vieler linker Projekte, sich einzugestehen, dass auch linke Männer in den eigenen Kreisen es einfach nicht lassen können, Frauen* zu erniedrigen. Dieses Totschweigen und Wegignorieren erschafft Räume, die das Gegenteil von emanzipatorisch sind: Sie sind unerträglich.
Die Probleme, vor denen wir stehen, müssen klar benannt werden: Sie heißen Sexismus, sexualisierte Gewalt, Misogynie, Patriarchat.
Auf dem „Kommunistischen Tresen“ in Berlin wurde zuletzt versucht, diese Begriffe aus dem Vokabular zu streichen und den Gewaltverhältnissen, denen Frauen* ausgesetzt sind, ihre gesellschaftliche Relevanz abzusprechen. Daher möchten wir mit unserem Statement Transparenz darüber schaffen, wie ein linker Raum als Plattform für reaktionäre und antifeministische Thesen genutzt wurde und dafür noch Applaus bekam. Mit unserem Text sprechen wir uns gegen jeden Sexismus und Antifeminismus in der Linken und darüber hinaus aus. Wir solidarisieren uns mit den weltweit geführten feministischen und emanzipatorischen Kämpfen.
Seit über zwei Jahren findet der sogenannte „Kommunistische Tresen“ monatlich in der Brauni statt, organisiert von einem von der Brauni unabhängigen Kollektiv. (1) Ein Saufabend, dessen Ertrag meist an einen solidarischen Zweck gespendet wird. Dort werden Arbeiterlieder gesungen und es gibt immer wieder inhaltliche Inputs von Beteiligten des Tresenkollektivs.
Seit einiger Zeit wird dort Stimmung gegen Antifaschismus, Ökologie, Basisdemokratie und Feminismus gemacht. In Pamphleten von Teilen des Tresenkollektivs wurden diese als die vier Ideologien bezeichnet, die linkes Denken „verstopften“. (2) Es gab keinerlei öffentlich einsehbare Reaktion des restlichen Kollektivs auf dieses Schreiben. Vielmehr widmete sich der Tresen im Dezember dann mit dem Titel „Wozu Phallus in dürftiger Zeit?“ voll und ganz dem Antifeminismus, ironischerweise unter dem Namen „Antifa C“. Auf FB wurde die Veranstaltung vorübergehend wie folgt beworben:
„Feminismus ist kein Schicksal! Er wurde von Menschen gemacht, kann also auch von ihnen überwunden werden. Mehr dazu und über den Begriff der toxischen Weiblichkeit: Diesen Freitag am kommunistischen Tresen. Im Anschluss wie immer das Beste aus 150 Jahren Arbeiterliedern.“
Im weiteren Ankündigungstext vermischt sich die Haltung alter autoritärer Kommunisten mit verschwörungstheoretischen Gedanken. So wird dort der Umsturz der Eigentumsordnung als Heilsversprechen auch aller sexistischer Probleme stilisiert. Gleichzeitig heißt es, bürgerliche Ideologen versuchten „durch die Errichtung medialer Frauenklagemauern die bröckelnde Legitimation ihrer Herrschaft zu retten“. (3) Dass eine mediale Äußerung der Wut über die Verhältnisse, wie bei „metoo“ oder „Aufschrei“, von einer ominösen Elite zur Herrschaftssicherung gelenkt sei, auch noch symbolisiert durch eine religiöse Stätte des Judentums, erinnert an Äußerungen der extremen Rechten.
Hinweise genug, dieser Veranstaltung keinen Raum und keine Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Doch die Veranstaltung fand ungestört mit weitgehend interessierten Zuhörer*innen statt.
Das Interesse des Vortrags erschließt sich nur darin, dass Feminismus als Irrweg der Linken aufgezeigt werden soll. Dafür wird schlicht die Behauptung aufgestellt, dass es einfach kein Patriarchat gäbe und auch keine strukturelle Gewalt gegen Frauen*. (4) Selbst von Femiziden zu sprechen wird im Vortrag als wahnhaft bezeichnet. All das ist angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse eigentlich rechten und reaktionären Diskursen zuzuordnen.
Mit pseudointellektuellem Gerede wird dann das Fehlen jeglicher Begründung für diese Annahmen verdeckt. So werden gekränkter Narzissmus und die Charakterschwäche Einzelner als Gründe für Gewalt gegen und Mord an Frauen* vorgetragen. Auf die Idee, dass narzisstische Kränkungen, die sich regelmäßig in Gewalt ausdrücken, Ausdruck patriarchaler Strukturen sind, und dass diese Verhältnisse benannt und bekämpft werden sollten, kommt man aber nicht. Vielmehr wird die „Argumentation“ noch mit rassistischen Thesen verknüpft. Die sogenannte „westliche Gesellschaft“ habe nur ein herbeigedachtes Problem mit sexualisierter oder misogyner Gewalt. Wenn überhaupt wird Sexismus zum vollständigen Problem des Islams, des Anderen gemacht. Und dies ist nach Logik der Vortragenden damit weder ein „deutsches“ Problem, noch eines der sogenannten „westlichen“ Gesellschaften.
Progressive Ansätze im Hinblick auf tagtäglich stattfindende Gewalt lassen sich im Vortrag nicht finden. Vielmehr ist über den ganzen Beitrag die Sprache patriarchal und beleidigend. Queerfeminismus wird als „weitere Degenerationsstufe“ des Feminismus bezeichnet. Mithilfe pseudointellektueller Formulierungen und Namedropping wird versucht, den in den Thesen transportierten Frauenhass zu verschleiern. Gleichzeitig gibt es aber auch Raum für Bierzeltstimmung. So erwähnen sie nebenbei „dass Sex“ mit einer feministischen Autorin ihrer Vorstellung nach keinen „Spaß machen könnte“. All das macht aus dem Tresenabend im Dezember einen durch und durch exklusiven Raum und auch die Gegenrede und Empörung einer Genossin findet dabei keine Unterstützung sondern nur hämisches Gelächter.
Der Vortrag wurde angekündigt und konnte in dieser Weise beim „kommunistischen Tresen“ stattfinden. Es fanden sich 30 bis 50 Besucher*innen ein, die sich nicht in Wut und entschiedener Gegenrede äußerten, sondern vielmehr zu großen Teilen die Vortragende beklatschten, um sich dann in ganz akademischer Weise bei jeder Nachfrage und jedem Beitrag erstmal höflich zu bedanken. Autoritarismus und seinen Aggressionen sollte aber kein Raum für respektvollen Austausch geboten werden. Stattdessen hätte es eine Abgrenzung durch die übrigen Beteiligten geben müssen. Bisher blieb aber jegliche Distanzierung des Kollektivs aus.
Dass ein solcher Vortrag bei dieser Veranstaltung gehalten werden konnte, passt leider auch in die Atmosphäre dieses Raums. Mackerdynamiken machen sich regelmäßig breit und Strukturen, um bei Übergriffen Ansprechpersonen zu haben, sind gar nicht erst vorhanden.
Wir sind verletzlich und was seid ihr?
Behauptungen, wie wir sie im Vortrag finden, sind sowohl klassisch, als auch paradox. Feministinnen wird unterstellt, dass sie rumheulen und passiv seien. Zugleich scheint aber der solidarische Zusammenschluss von FLINT*-Personen und solidarischen Feministen doch Angst zu machen und wird wohl genau deshalb zum Ziel der antifeministischen Intervention beim „Kommunistischen Tresen“. Was bleibt ihnen da anderes, als sich reaktionärer und rassistischer Argumente zu bedienen und dann Einblick in ihr verschwörungtheoretisches Konstrukt dahinter zu geben?
Wir sollten derart reaktionäre, antifeministische und rassistische Veranstaltungen bei der CDU oder AfD vermuten – und ihnen im gemeinsamen Kampf entgegentreten. Doch treffen wir auch im Nahumfeld auf sie. Sie finden statt: Sie finden Unterstützung und Applaus statt entschiedene Gegenrede, Wut und Empörung.
Uns bleibt nur, uns gegen diese Umtriebe zu stellen und sie vor allem in linken Räumen zu verunmöglichen. Wir wollen uns weiterhin in unseren Kämpfen gegen patriarchale Verhältnisse solidarisieren. Daher stimmen wir mit ein in Monis Rache am Patriachat: „Denn es ist die Gewalterfahrung, die Erfahrung verletzbar zu sein und verletzt zu werden, die uns überall auf der Welt verbindet. Aus unserer Verletzung wird Wut, aus unserer Angst Solidarität.“ (5)
(1) https://www.facebook.com/Kommunistischer-Tresen-112205620246118
(2) http://magazinredaktion.tk/docs/Was_wollt_ihr_mit_Kurdistan.pdf
(3) https://www.facebook.com/events/2380807978848990
(4) http://www.magazinredaktion.tk/docs/phallus.pdf
(5) https://www.facebook.com/events/170965020910254