Anonyme Aphorismen
alles, was auf wackligen füßen steht, wird ohnehin zusammenbrechen. und nicht sind es die eingebildeten bündnisse, die menschen in allen möglichen formen glauben zu schließen, welche wacklig sind. wacklig sind die menschen, welche glauben, solche bündnisse schließen zu können und damit auch behaupten, sie täten irgendetwas, was auch nur einen moment bestand hat. sie selber sind es, die wacklig sind, nein, die sich von einem zusammenbruch zum nächsten schleppen und dabei alle möglichen tricks parat haben, dies nicht auffällig werden zu lassen. wie, wenn ein geheimes abkommen bestehen würde zwischen allen, will es auch tatsächlich niemandem auffallen, stattdessen findet man sich jeweils andere, bei denen’s schon zu bruch gegangen sei, die ein debakel oder wahlweise traurig, lächerlich oder haßerfüllt anzuschauen seien. und findet, dies ist sicher, immer andere, die dies auch so meinen, und das bündnis ist schon wieder geschlossen, welches erlaubt, das debakel, das man selbst darstellt, zu übersehen. ein debakel: das ist das menschengeschlecht. jeder lebt nur, um sich selber zu retten – mit den erbärmlichsten und fadenscheinigsten tricks. worum es ginge, ist jedoch: sich zu verlieren. und das einzige bündnis zwischen menschen, der einzige verein, der bestand verspricht und möglichkeit, ist derjenige, welcher sich von vorneherein als verloren und hoffnungslos ansieht; und das nochmal: der sich ansieht. der sich erkennt. und welcher verein ist das? der verein, dem es um die auflösung des bestehenden zu tun ist. der verein, der beenden will, daß die menschen sich als geknechtete und verwerfliche wesen begegnen und deswegen beständig auch verwerfen und knechten, in endloser reihe, kein unterschied sei hier gemacht. alle geraten aneinander, wie grobe klötze, die sich gegenseitig auf einmal zum kunstwerk gestalten sollten, dabei tun sie natürlich nur, was grobe klötze einander antun können: ihre grobheiten in allen möglichen stellungen und variationen sich unter erzeugung unschöner geräusche, die das ganze weltenall erfüllen, zu bestätigen, ihre grobheiten gewissermaßen zu addieren.
dunkle nacht herrscht auf der erde. das einzige licht, das zuweilen erscheint, ist ein schwaches, ist nur das licht, das einem die dunkelheit bemerken läßt. kein licht, das eigenen bestand hat, kein licht, das der dunkelheit entgegensteht, schon gar keines, das der dunkelheit ferne steht. nur das licht der dunkelheit, nur das licht, welches die dunkelheit nicht ohne hohn zuläßt. kein licht.
eignet sie euch an, die erde. sie ist eure. oder sie ist nichts. wie auch ihr nichts seid ohne die welt.
und laßt euch berauschen. laßt euch berauschen. doch niemals, niemals von dem, was ist. nur von dem, was sein könnte, was sein soll, was sein kann. und laßt euch nur mit denen ein, die nichts wissen, die nüchtern bleiben im bestehenden, die nichts finden, die nur suchen, die süchtig sind. und von denen nichts übrigbleibt, wenn ihr ihnen ihre sucht nehmt. an die haltet euch, mit denen haltet es. an denen, die in ihrem wahn leben, um ihn zu verlieren.
solche menschen sind gefährlich. doch leider, leider nicht gemeingefährlich. nur sich selber sind sie gefährlich. nicht, weil sie sich an den rand ihrer existenz bringen, nicht, weil sie an die grenze gehen. nein, das ist harmlos, das ist allzu bekannt. nein, weil sie so tun, als ob sie schon jenseits der existenz wären, als ob die grenzen schon verschwunden wären; ganz selbstverständlich tun sie so, ‚gehen davon aus‘. und müssen bei dieser dummheit immer wieder ‚zurückgeholt‘ werden. und das geht nie glimpflich zu – die sucht, an der sie leiden, ist nicht die glimpflichste, sie ist die schlimmste, die heilloseste. doch bildet euch nicht ein, sie könnten euch gefährlich sein. wenn sie’s nur wären! doch dafür sind sie selber viel zu schwach, zu schlecht. was euch weh tut, was euch schmerzt, was euch dazu bringt, sie zu hassen, das sind doch nicht sie, diese kleinen menschen, diese erbärmlichkeiten. das seid doch ihr selbst, ihr selbst in eurer existenz. versprecht euch kein heil und auch kein heilchen, indem ihr sie haßt, indem ihr gerade sie verachtet anstatt euch selbst. alles wird dadurch nur schlimmer. laßt sie doch in unruhe, wenn ihr ruhe sucht.
priester! gerade priester müssen wir werden. das kläglichste, was wir kennen gelernt haben. unser einziges glück ist es, daß wir priester sind ohne kirche, ohne irgendwas. und sollten wir irgendwas haben, sind wir keine priester mehr. aber bis dahin müssen wir reden und reden und reden wie die priester, nein, nicht vom himmelreich, aber vom erdenreich müssen wir reden, damit es nicht ganz verloren geht. laßt uns doch endlich innehalten. werdet doch endlich selber priester zur abschaffung des zutiefst lächerlichen priestertums. stopft doch endlich unser unberufenes maul. wir würden’s uns gefallen lassen und vermutlich sogar genuß verspüren und eine ungekannte leichtigkeit.