1. Mai Berlin: Mild wie Omikron
Nebst Dokumentation eines Flugblatts
Ein Ei auf die Bürgermeisterin war vielleicht noch das bemerkenswerteste Ereignis des diesjährigen 1. Mai, wenn es auch nach Berufsaktivismus riecht und nicht getroffen hat.
Ansonsten gab es mittags die linke Querfront der Aufrechten im Wedding. Vorneweg die Freie Linke mir ihren roten und schwarzen Fahnen, dann die Basis mit bunten Streifen und hinten der berüchtigte Kapitän Future mit mäßiger Musik. Am Rand ein paar krakeelende Kinder mit dummen Sprüchen. Letztere hatten sich dieses Jahr sogar mit sogenannten Outingplakaten am Rummel beteiligt und Gesichter wie Namen einiger Organisatoren plakatiert. „Fanposter“ nannte es der Kapitän. Dazwischen etwas Polizei, die den direkten Kontakt dieser beiden Fraktionen leider unterband, so dass es bei einem schüchternen „Arbeiterverräter! Pharmavertreter!“ der Demonstranten blieb. Alles mild, wenn man sich erinnert, dass im letzten Jahr Polizisten noch jeden ohne Staubmaske und Attest bestraften und man schon verhaftet werden konnte, wenn man bei einer Polonaise mitmachte. Im ganzen kein Skandälchen mehr.
Abends dann die Querfront der Linken aller anderen Fraktionen. Keine Ukrainefahnen. Immerhin. Viele Leute, aber politisch nichts bemerkenswertes. Als ob man keine Probleme hätte und so uninspiriert wie schon vor der Königsgrippe. Letztes Jahr ist diese Demo, kaum losgegangen, grundlos von der Polizei verprügelt und aufgelöst worden und die Stimmung der Polizei war, als man um 22:00 die Ausgangssperre durchsetzte und die Reste der Demo und Schaulustigen davonjagte oder festnahm, deutlich ruppig. Diesmal lies man dagegen die vergammelte Linke gewähren, sprich die Polizei hielt sich weitgehend zurück und irgendwie zerlief sich alles, ganz ohne Ausgangssperre. Bleibt daran zu erinnern, dass der konfuse erste Mai 2020 eigentlich die bessere Idee war, da es keine offizielle Demonstration gab.
Auf diesen Umzug wurden auch einige hundert Exemplare eines improvisierten Flugblatts der Solipsistischen Aktion mit der Imaginären Kommunistischen Partei verteilt, dass sich an diejenigen im unorganisierten Teil des Umzugs richtete, die keine Staubmaske trugen.
4.5.2022
Mal wieder 1. Mai – Es ist Zeit sich gerade zu machen
Schon vor der Operation Königsgrippe war die hiesige revolutionäre Linke ein vergammelter Haufen. Vor allem der Teil, der sich in einer minimalen Organisation versucht hat. Die verbreitete Illusion einer Todesseuche gab ihr schließlich den Rest. Man verliebte sich sofort in die Maßnahmen und die Einsperrung der ganzen Gesellschaft; in die Maske und folgerichtig in die Impfung genannte Injektion. Der Verfassungsschutz attestierte „im Hinblick auf Beschränkungsmaßnahmen ein hohes Anpassungsniveau“.
Die Demo am ersten Mai wurde dadurch nicht mal unbedingt kleiner. Der Mangel an Organisation ist kein Nachteil. Keiner hat den Linken zugehört und so vermisst sie auch keiner.
Der erste Mai bleibt!
Es ging eben nie um Gesundheit, es sei denn darum, die Gesundheit der Bevölkerung zu ruinieren. Etwa die Alten, die man in den Heimen isolierte und denen die Pflegerinnen dann beim Verwelken zusehen konnten. Oder reden wir über die Kinder, denen man die Luft zum Atmen und sogar ihre Spielkameraden nahm. Es handelt sich um ein großes Verbrechen.
Der westliche Kapitalismus ist in der Krise, er ist es schon länger. 2007/08. Ein Datum, dass sich eingeprägt hat. Der Dollar ist de facto Quark. Zuviel davon gedruckt, sagt jetzt selbst die Yellen. Was, wenn die Welt ihn nicht mehr trägt, wenn die USA ihre Geldschwemme alleine tragen müssen und in ihr ersaufen? Gas bitte jetzt in Rubel und saudisches Öl ab sofort auch in Yuan.
Und Europa? Die Mauern fester geschlossen denn je. Polen baut einen neuen Zaun an der Ostgrenze. Derweil grassiert die Armut, die man mit dieser Mauer abschirmen möchte, längst im inneren. Lebensmittelschlangen in Italien, nicht mehr nur in Griechenland. Oder allein die Armee der Obdachlosen von Berlin.
Es geht an die Substanz und man versteht die laufende Krise besser, wenn man die letzten 2 Jahre einfach als ihre Vorwäsche ansieht. Es war wirklich nur eine Maske und wirklich nur ein Piecks, nur anders als die Apologeten es vorgaben. Die Zukunft wird es zeigen.
Das eben ist das wahre Wesen der Königsgrippe. Der König hat die Grippe.
Man kann darüber jammern und es ist in der Tat viel gejammert worden. Die alte Welt, sie liegt einmal mehr in Scherben. Alle wollen im Grunde zurück in die Zeit, als der westliche Kapitalismus uns noch wohl nährte und sogar einige oppositionelle Nischen zuließ. Die berühmten Querdenker wollen zur alten Normalität zurück, in der man gerne zum Hausarzt ging und man - nach einem Leben voller Arbeit und Familie - eine gute Rente bekam. Die untergegangene Linke will zur alten Normalität zurück, als die Mieten noch erschwinglich waren und die autonome Bar um die Ecke. Der einzige Unterschied ist, daß die Querdenker das ohne mRNA-Spritze wollen und die Linken mit.
Die Uhr der Geschichte aber lässt sich nicht zurückdrehen.
Die schlimmsten Verschwörungsphantasien werden durch die Realität getoppt. Das solidarisierte Ensemble der covidianischen Volksgemeinschaft verpulvert seine Schausteller schon während der Werkschau. Die eigentliche Premiere steht aber noch aus. Es handelte sich um eine präventive Eindämmung, da die Verwaltung der kommenden Verwerfungen ohne Reibung verlaufen soll. Der Erfolg dieser gewaltigen Live-Übung verheißt insofern nur gutes. Jedenfalls für die Herrschaft. Alle anderen hatten genug Zeit sich an eine Lebensform zwischen Survival-Camp und Reality-TV zu gewöhnen.
Nicht nur kein Sand im Getriebe. Vielmehr ein perfekter Elektromotor. Ohne Geräusch und ohne Reibungsverlust.
Aber heute ist eben der 1. Mai. Es geht um die Arbeit, darum wie man sie organisiert, wer sie organisiert und welches Werk von ihr verrichtet wird. Brot für alle! Wohnraum für alle! Gesundheit für alle! Forderungen, die auch in Deutschland eine neue Qualität entwickeln, wenn auch hier die Illusionen des Wohlstands so fest verankert sind.
Es fehlt dabei an keiner Organisation, es fehlt an Partisanen der Idee. Die Eigentumsbestie muss beseitigt werden, aber dafür braucht man die Idee der freien Assoziation, der vernünftigen Organisation der Arbeit. Kommunismus. Aber auch und zuerst richtig verstandenen Individualismus. Und vor allem Leute, die ein wenig in die Puschen kommen. Ohne Rückendeckung durch eine der herrschenden Ideologien oder - modern ausgedrückt - eine der diversen Identitäten. „Es ist Zeit sich gerade zu machen.“
Also bildet - so nannten und nennen es die Autonomen - Zusammenhänge. Bezieht euch auf eure liebsten und findet sie. Findet in kleinen Kreisen zusammen. Kommuniziert. Streitet. Aber auch nach außen.
Nehmt euch ein Vorbild am Libanon: Schert euch nicht um Konfessionen. Schert euch um Arbeit und Brot. Wohnung und Pflege. Vor allem auch um die Liebe.
Oh und lasst euch kein weiteres Mal freiwillig einsperren. Wir kennen wirklich Leute, die das Social Distancing praktizierten. Wir nicht! Und wenn wir auch nicht viel erreicht haben: Es ging uns besser als den anderen.
(Anti-) Solipsistische Aktion / Imaginäre Kommunistische Partei (l)