Doc McCoy
Die Verschwörung der Feuertonnen
Auf Non zwecks Mobilisierung zur Veranstaltung zum Konspirationistischen Manifest am 2. Juni erschienener Text. Außerdem dann als Flyer verteilt.
Jede große revolutionäre Erzählung speist sich entweder aus der melancholischen Erinnerung an eine historische Niederlage oder aus einer Ahnung der künftigen aufständischen Konfliktualität. Der Kommende Aufstand des Unsichtbaren Komitees, der in fast schon beängstigender Präzision die folgenden Aufstände des 21. Jahrhunderts vorhersagte, entstand unter dem Eindruck des landesweiten Aufstandes der Banlieues 2005, der fast einen Monat andauerte und erst durch die Ausrufung des Ausnahmezustandes erstickt werden konnte. Die Ausrufung dieses Ausnahmezustandes erfolgte aufgrund des Notrechts das letztmalig während des Algerienkrieges Anwendung fand. Der Krieg des Imperiums war also in gewisser Weise heimgekehrt.
Nun, da wir in jene Epoche eingetreten sind, in der der Ausnahmezustand die Permanenz der Governance geworden ist, der Ausrufung der Pandemie Diktatur auf dem Fuße der Krieg der Imperien um die Hegemonie folgte, die hybriden Kriegshandlungen sich im exponentiellen Wachstum befinden, jederzeit bereit, zu der gefährlichen Killervariante des heißen Krieges zu mutieren, findet erneut ein visionärer Text aus Frankreich weltweite Verbreitung. Dem Konspirationistischen Manifest diesmal in anonymer Autorenschaft, gebühren viele Verdienste, sich die Erzählung der Verschwörung wieder angeeignet zu haben, muss als sein wichtigster angesehen werden.
Als in der Nacht auf den 1. Januar 2023 in vielen Teilen Berlins die Wut des (vorwiegend migrantischen) Surplus Proletariats explodierte, war dies nicht weniger als ein stadtweite Verschwörung von Jugendlichen, die fast 3 Jahre lang Ziel des Terrors der Bullen gewesen waren, die systematisch jegliche Lebensäußerung der Jugendlichen im öffentlichen Raum kontrolliert und drangsaliert hatten. „Wir wollen Rache! Für zwei Jahren weiße Folter.“ schrieben die Autoren des Konspirationistischen Manifest im Sommer 2022, die Berliner Jugendlichen vollzogen diese Rache in jener Silvesternacht. Die Waffe der Kritik kann nicht die Kritik der Waffen ersetzen.
Wir haben fertig. Mit der historischen Linken. So sagen es die französischen Gefährten ebenso wie die aufständische chilenische Jugend, deren Revolte von der Präsidentschaft der Linken beerbt und verraten wurde. So sagen es auch hier die bescheidenen Versuche einen grundsätzlichen Antagonismus aus dem Nichts aufzubauen. Historisch gesehen stehen wir hierzulande immer noch vor der Unmittelbarkeit jener Situation, von der das Unsichtbare Komitee 2006 schrieb: „Wir gehen aus von einem Punkt der extremen Isolation, der extremen Ohnmacht. Alles ist aufzubauen im aufständischen Prozess. Nichts scheint unwahrscheinlicher als ein Aufstand, aber nichts ist notwendiger“.
Nun also schließen sich gewissermaßen einige historische Kreise. Wenn am 2. Juni, dem Tage, der in der Konsequenz die Entstehung eines neuen gesellschaftlichen Antagonismus im Nachfolgestaat des Nationalsozialismus entscheidend geprägt hat, in jenem Viertel, das 1987 den einzigen Aufstand eines gesamten Stadtteils in der BRD erlebt hat, zu einem großen Palaver über das Konspirationistische Manifest geladen wird und der Erlös des anschließenden Umtrunk den mit Repression überzogenden Akteuren der Silvesternacht gewidmet wird. „Zeit sich zu verschwören“.
Geschichte schreiben immer die Sieger. Eine müde, alte Linke, der als letzter verzweifeltem Ausweg nur noch der Abwehrkampf zum Erhalt des bestehenden Status Quo verbleibt, schreibt keine Geschichte mehr. Außer vielleicht noch jene des wiederholten Verrats, der Kapitulation und des Andienens an die Macht. Wer aber keine Geschichte mehr schreiben (ver)mag, wer keine ernsthaften Anstrengungen unternimmt, wieder Geschichte schreiben zu können, hat alles schon aufgegeben. Uns, unsere Welt, jene einzige, die wir haben und in der wir leben, unsere Liebe und unseren Hass. Gegen diese Bodenlosigkeit muss sich gestemmt und gekämpft werden.
„Wir sind die Träumer, die von unseren Vorfahren geträumt wurden.“ (Die Apokalypse neu denken - Ein indigenes anti-futuristisches Manifest)
17.05.2023
Diskussionsveranstaltung zum Konspirationistischen Manifest
und Soli-Abend für die Silvester-Krawalle
2. Juni 2023 19:00 Uhr im Biergarten Jockel
Ratiborstraße 14c in Berlin Kreuzberg