Matthias Hering
Die Axt im Hause
Die Axt im Hause (A6)
Die Axt im Hause (Booklet zum falten, heften, schneiden, auslegen)
Flur, Wohnungstür von innen. Ein Klingeln. Eine Hand öffnet die Tür.
Vor der Tür Meikie.
MEIKIE: Sach’ma, lauerste imma mitta Axt hinter die Türe?
MICHIE macht die die Tür zu: Diese schöne Axt muß ick jetz’ vabrennen.
Diesen Stiel rieb schon Großvattas Hand jeschmeidich.
Unnjetzte? Ab ints Feua.
MEIKIE: Wat’n, haste keen Holz mehr?
MICHIE: Ne, is wejen den Blut.
MEIKIE: Stimmt, die troppt ja. Haste Dir wieda ins Knie jefickt, alte Sau.
MICHIE: Is von’ Vamieter.
Kommta hier rin, wie ick jrade die Axt
Schleiffe, mitte Hand, wie Großvatta einst,
Unn knallt mir’n Wisch uffn Tisch, janz frisch.
Mietahöhung, bitte, jejenzeichnen.
Dann sachta, soll ick Fensta und Tür’n streichen,
Von wejen Schönheitsreparaturen
Im Vertrach unnso, und es röche böse.
Dann sachta, wenn ick nich regulär lüfte,
Kanna mir kündjen. Und dit wird’a ooch
Tun, wenns hier weita so stinkt, sagta.
Überhaupt, sollt ick nach dreißich Jahren
Mal umzieh’n, er könnt da helfen,sagta.
Unn eh ick mir versehe, hatta die Axt inn Kopp.
MEIKIE: Wieso willst’n die dann vabrenn’? Die is doch noch jut.
MICHIE: Wejen die Spuren, Mann.
Findense die Leiche, suchense ne Axt.
Und die Axt suchense hier im Hause.
MEIKIE: Zeich mal her dit jute Stück Leiche.
Beide ab in die Küche
Küche. Bierflaschen. Leiche, in der Hand Papiere. Kopf in einer Plasteschüssel.
MEIKIE: Dit mit die Schüssel is jut.
MICHIE: Bin ja nich blöd, Mann. Willst’n Bier?
MEIKIE: Naja, jib her. Wat wollst’n machen, mit den Wichsa.
MICHIE: Dachte, ick wart bißdunkeliß, unndann ab in sein
Kabriolet, steht vorm Haus. Prost.
MEIKIE: Prost. Bist doch blöd. Dachte, die Axt is dir wichtich.
Unnuff die Mieterhöhung willste ooch scheißen, dacht’ick.
MICHIE: Mensch, an die Mieterhöhung ha’ick jarnich mehr jedacht.
MEIKIE: Deswegen hat die Axt doch den Sprung in die
Selbstständigkeit jewagt, dacht’ick.
MICHIE: Ick kenn mir mit Äxten nich so aus.
MEIKIE: Michie, dit is so: keene Leiche, fragt keena nach die Axt,
unn nach die Mieterhöhung ooch nich. Unnzwar im janzen
Haus. Wollt bestimmt danach zu mir, die Sau.
MICHIE: Scheiße. Reißt der Leiche die Papiere aus den Händen.
MEIKIE: Siehste. Wenn eena vaschwunden is, dauert dit sieben
oder neun Jahre, biß’n’n Jericht für tot erklärt. Sieben Jahre
keene Mieterhöhung. Kommt eena mit sowat, sagste:
meines Wissens gehört dies Haus Herrn Axtimmkopp und
wirfst’n weg, den Wisch.
Is besser als’n Fünfa im Lotto, heutzutarje.
MICHIE: Da haß’te ma’ Recht. Unnwie vaschwindet so’ne Leiche aus
eina Küche?
MEIKIE: Großvattas Axt is’n jutet Stück. singt: Hermann heeßta.
MICHIE: Nee, der hieß Haberle, Dr. Haberle, Stuttgard.
MEIKIE: Nee, Harmann hießa. War’n Profi. Hat’n paar hundert
Jungs durchs Fallrohr jejagt und dit Fleisch vaakooft.
MICHIE: Willst Du den essen? Noch’n Bier?
MEIKIE: Naja, jib her. Den kann doch keena essen, kieck dir den
mal an, Pillen jejen Impotenz, jede Woche zu’n Arzt wejen
cholesterolsenkende Mittel unndit janze Kokain unndie
Betablocker, dit nimmt doch keena. Prost.
Nee, nee, Klamotten runta, Fleisch runta, Kopp ab, Fleisch
zu den Ratten unten am Fallrohr und die Knochen ab int
Flüßchen, dit sich durchs Städtchen schlängelt.
MICHIE: Ja, so’n Fluß is imma inne Nähe. Und wer soll dit machen?
Icke?
MEIKIE: Ick sitz’ hier, und zu Hause läuft die Miete.
Kann ick den Kopp ha’m?
MICHIE: Den Kopp?
MEIKIE: Kriegst Du dit Kabriolet. Mein Enkel ist sehr interessiert
an’t Mittelalter und wünscht sich’n Totenkopp zun
Jeburtstag.
Setz’ ma’ Wasser uff.
Untersucht den Toten.
Erst kochen wa die Axt aus, iß’it Blut wech, dann den
Kopp. Müssen wa bestimmt dreimal kochen, bis die fiese
Fresse runter iß.
Kiekmal eena an, Zweitausendeier in bar.
Allens unsre Miete.
MICHIE: Und die Siebzich für die Mieterhöhung ham war ooch
jespart.
MEIKIE: Beim letzten Mal warns ooch siebzich, dit fällt jetz’ schon
mal wech.
MICHIE: Meikie, könn wa nich die Messer nehmen?
Die Axt iss mir irgendwie zu schade.
Er setzt Wasser auf.
MEIKIE: Naja, für die Knochen werden wa se brauchen.
Muß ja irgendwie zusammenjefaltet werden, allens.
MICHIE: Und dann müssen wa dit allet kleenfriemeln, scheiße.
Mann.
MEIKIE: Fallrohrkleen, nur dit Fleisch. Kleinet Steinchen zwischen
die Knochen, schön zusammenjewickelt mit Packetschnur,
die sich sachte ufflösen tut im Flüßchen, ab inne Plastetüte.
Dann nehm wa dit Kabriolet, fahrn zum Fluß, schütteln dit
Tütchen auß-ßu den Fischchen, müssen ja ooch wat zu
knappern ham,
und dann nach Polen in Puff. Haun die zwei Tausies raus
unn lassen uns dit Kabriolet klauen.
Und dit Haberle is vaschwunden. Kieck mal, Kreditkarte
und Zulassung sind ooch dabei. Behalten wa die zwei
Tausis, zahl’n im Puff mit Karte, lassen uns die ooch klauen
und jut iß.
MICHIE: Prima, so machen wa dit.
MEIKIE: Dit Wasser kocht. Faß mal an.
Sie tragen die Leiche ins
Bad.
Zum juten Jlück, schleifste ooch die Messer mitta
Hand. Ick mach dit, jeh du mal putzen.
Der tote Körper plumst in die Badewanne
MICHIE: Und ick kann die Axt jetzt kochen?
MEIKIE: Ja, und ab in Ofen mit die Klamotten und die Putzlappen.
MICHIE: Meikie, du bist’n dufta Nachbar.
MEIKIE: Michie. Sieben Jahre Null Mieterhöhung, dit is mal
Nachbarschaftshilfe. Michie.
Anschluß
Wohnung, gute Stube, Geburstagstafel, Kuchen, Familie, ein Enkel, 13, in Schwarz. Öffnet ein Paket.
ENKEL: Opa! ’N Totenkopf! Mensch danke! Wo hast’n den her!
MEIKIE: Also dit war’ne komplizierte Operation.
Erst mußt’ick’n Kabriolet klauen, dann in Polen elf
falsche Blondinen vanaschen und zum Schluß war det
Wasser fast vakocht.
VATER: Opa, hör’uff mit die Scheiße, noch’n Schnaps?
MEIKIE: Schnäpse. Mein lieber Sohn, Schnäpse.
ENKEL: Und Goldzähne hatta und’n Loch im Kopp!
Der is bestimmt ermordet worden!
MEIKIE: Naja, darvon würd’ick mal nich unbedingt ausjehen, Leute
mit Joldzähnen sterb’n imma in’t Bett.
ALLE: Prost, Opa.
MEIKIE: Prost.
Black
Mai 2015.