Club für sich: Psychologin
Der ‚Club für sich‘
Der Club für sich wurde im Dezember 2005 ‚für sich‘ gegründet und im darauf folgenden Januar in der Kreuzberger Kneipe ‚Das Leben ist kein Ponyhof‘ öffentlich ins Leben gerufen. Die zugrunde liegende Idee entsprang der Beobachtung, dass Vortragsveranstaltungen mit auswärtigen oder heimischen Experten oft nur die eine Funktion erfüllten, Gäste und alte Bekannte hernach an Kneipentischen zu versammeln. Letzteres sollte doch auch möglich sein, ohne dass sich jeder die Mühe des Haltens oder Anhörens eines Referats machen müsste. Seit Beginn wurden die Kneipenabende wiederholt von Umzügen unterbrochen und mal von mehr und mal von weniger Menschen besucht. Während der zwei Jahre seines Bestehens ist der Club sicherlich von mehr als 100 verschiedenen Personen aufgesucht worden, was trotz mancher beschaulicher Abende in bekannter Runde doch zeigt, dass es unter Kommunisten ein Bedürfnis nach einem regelmäßigen Anlaufpunkt gibt.
Die Themenabende
Wir, die Gäste und Gastgeber des Clubs, wollen diesen fortführen und dabei stärker auf ein paar Entwicklungen in unseren eigenen Kreisen eingehen. Dazu zählt am Rande auch, dass Vortragsveranstaltungen, wie sie vor wenigen Jahren noch recht häufig stattfanden, seltener geworden sind – sei’s aus Erkenntnis ihres Mangels, aus Ermüdung, oder sei’s, weil längst andere Fragen als die der Theorie ins Leben von früheren Veranstaltern getreten sind. Dem liegt vielleicht eine Veränderung zugrunde, die wir nun zur Sprache bringen möchten.
Einige von uns gehen bereits seit ein paar Jahren verschiedenen Lohnarbeiten oder den Drangsalierungen des Amts nach, andere mussten damit vor kurzem beginnen und wieder andere werden bald aus der Bildungsschleife entlassen und dann gleichfalls von der Proletarisierung erfasst. Die Einzelnen werden in die verschiedensten Ecken der Gesellschaft gespült – und oft in völlig unerwartete. Das gibt uns die Gelegenheit, uns über die Grenzen der unterschiedlichen Sektoren von Produktion und Reproduktion hinweg zu assoziieren, weil wir einerseits jeweils andere Ausschnitte kennen lernen und in den Besitz von spezialisiertem Wissen gelangen und anderseits ganz ähnliche Probleme bekommen. Wir wollen daher künftig häufiger Personen aus unserm Kreis und Umfeld einladen, uns über Erfahrungen, Beobachtungen und Gegenstände zu berichten, mit denen sie sich auskennen. Beginnen wollen wir mit Abenden zur Arbeitswelt, weil hier oftmals Einblicke über lange Zeit gewonnen und Einzelheiten kennengelernt werden, die nur selten wertvoll genug erscheinen, in Büchern niedergeschrieben zu werden, oder über die man nicht sprechen darf, weil ein Arbeitsvertrag die Redefreiheit aufhebt. Zudem kommen konkrete Erfahrungen aus der Arbeitswelt nur sehr selten öffentlich zu Wort und bieten sich zugleich als konkrete Klammer für eine Reihe von Themenabenden an, für die es noch kaum Vorläufer und bekannte Muster gibt. Wir werden also ein Experiment beginnen, das wir bisher nur umschreiben können:
Das Schicksal der Proletarisierung, gegen das uns bisher noch keine handfeste und gründliche Abhilfe zur Hand ist, verallgemeinert eine Reihe von wirklichen Problemen und Fragen. Es geht ja los mit Dingen wie: wie organisiere ich meine Krankenversicherung, wie kriege ich Hartz4, wie komme ich an einen Job oder ein Stipendium ran. Probleme, die aufreibend sind, wenn man nicht weiß, wo es guten Rat gibt, für die sich aber letztlich oft jemand findet, der sie schon durchgemacht hat. Und wenn man einmal in der Mühle drinnen ist, dann eröffnen sich erst recht andere, viel weitergehende Fragen, z.B. wie verhalte ich mich auf der Arbeit und wie gehe ich mit meinen Kollegen um. Was tu ich hier überhaupt? Was mache ich eigentlich als Kommunistin auf der Arbeit, wenn ich nicht einmal weiß, ob nicht all das, was existiert, wert ist, zugrunde zu gehen.; was mache ich, wenn ich dort Ansichten vertreten oder Anweisungen ausführen soll, die ich in meinem Leben nach Feierabend zu untergraben suche? Gelingt es anderen, mit ihren Kolleginnen über den Lohn oder die Chefin zu sprechen? Wie kann ich Unmut stiften, ohne selber als der Unruhestifter dazustehen? Hat vielleicht bereits jemand Erfahrung damit gemacht, wie man an seinem Arbeitsplatz die anderen Kollegen für konkrete Forderungen mobilisiert?
Hierum soll es an den kommenden Abenden, die wir jeweils einzeln ankündigen werden, gehen. Wir erwarten von den Eingeladenen dabei natürlich nicht, dass sie alle diese Fragen selbst bereits wortreich aufwerfen, geschweige denn beantworten können; wir können nicht viel mehr tun, als diejenigen einzuladen, die Interessantes und Nützliches berichten können. Wie die einzelnen Abende ablaufen werden, hängt daher sehr von denen ab, die berichten, und denen, die sich durch Anwesenheit oder Meldungen einbringen.
Am Donnerstag, den 24.4.
Am kommenden Donnerstagabend wollen wir eine lockere Reihe von Themenabenden beginnen. Zum Auftakt haben wir eine Psychologin eingeladen, die seit einem drei viertel Jahr in einer Berliner Psychiatrie arbeitet. Die Genossin hat sich bereit erklärt, all denen, die Interesse haben, von ihren Erfahrungen aus der Arbeit und aus dem Umgang mit Patienten zu berichten. Zunächst einmal soll es darum gehen, was eigentlich eine Psychiatrie ist und was in ihrem Inneren los ist, wie psychiatrische Behandlung aussieht und was für Möglichkeiten Psychopharmaka bieten. Ebenso möchte sie zur Sprache bringen, wie ihre höchst eigenen Arbeits- und Lohnbedingungen sind.
Die Genossin hat sich ein paar Gedanken dazu gemacht, wie sie ihre Erfahrungen einem Publikum vortragen kann, das sich weder mit Psychologie oder Arzneimittelkunde noch Psychiatriewesen auskennt. Sie wird deswegen keinen Vortrag von einem Podium aus halten, sondern in einer Runde am Tisch sprechen und nach ein paar einleitenden Worten entlang von aufzuwerfenden Fragen auf Einzelheiten eingehen – soweit ihre Kenntnisse reichen. Alle, die Lust und Interesse haben sind eingeladen, ab 20:00 Uhr in die Friedelstraße 54 zu kommen. Wir möchten vergleichsweise früh beginnen, damit der Bericht genügend Platz während der erste Hälfte des Abends erhält und sich die Runde gegen 21:30 Uhr öffnen und in kleine Gesprächskreise übergehen kann. Wer nicht so früh da sein kann oder anderes vorhat, kann daher zur bisher üblichen Zeit zum gewohnten lockeren kneipenähnlichen Abend kommen.