Vier Notizen Pohrts
Aus Anlaß des Erscheines seiner Werkausgabe. Thema: Flüchtlinge und Riesenhaß auf Gender-Quark.

Die Werke von Wolfgang Pohrt sind nun herausgekommen. 12 Bände mit hässlichem Plastikeinband, der auch noch an die Marx-Engels-Werke erinnern soll. Why ever. Aber seine Essais, Bücher, Interviews und Glossen sind vollständig gesammelt, und so ist es gut, dass sich Klaus Bittermann die Mühe gemacht hat. Im Folgenden seien exemplarisch vier im zuletzt erschienenen Band 9 zum ersten Mal veröffentlichte Notizen aus den Jahren 2015/16 dokumentiert. Es geht um Genderquark und Flüchtlinge.
12. März 2015
Mich interessiert immer noch, woher der Riesenhass auf den Gender-Quark kommt.
Warum ist das Quark? Weil sich keine klare Trennungslinie zwischen natürlich und gesellschaftlich ziehen lässt. Alles Natürliche sehen wir nur als gesellschaftlich Präformiertes, alles Gesellschaftliche hat einen natürlichen Kern.
Genderforschung ist also Hokuspokus. Aber das ist auch Konjunkturforschung. Woher also der Hass speziell auf die Genderforschung?
Es kommt wohl daher, dass speziell Männer unter einer großen Verunsicherung leiden. Der Mann weiß nicht mehr, welche gesellschaftliche Rolle er spielen muss und welcher Status ihm zukommt.
Seine gesellschaftliche Identität ist bedroht. In dieser Situation ist die Natur, der natürliche Geschlechtsunterschied, seine einzige Zuflucht in der Odyssee um die Frage „Wer bin ich?“
Ich würde die (durch Studien zu verifizierende oder falsifizierende) Hypothese wagen, dass es vor allem ältere Männer sind, welche sich über die Genderforschung empören. Und zwar deshalb, weil das Alter eine Nivellierung der Geschlechter bewirkt und somit bei der Sorge um die eigene soziale Identität das Fass zum Überlaufen bringt.
13. September 2015
Als Deutscher könnte man anfangen, an die Vorsehung zu glauben, die für jedes Wehwehchen ein Pflästerchen im Koffer hat. Schwarz sah unsere Zukunft aus, rabenschwarz. Die Überalterungskrise war allenthalben spürbar, bald würde die Hälfte der Bevölkerung dement und unversorgt im Pflegeheim hocken und darauf warten, dass jemand eine warme Suppe bringt. Begründet oder nicht, das waren die Sorgen im Hinterkopf, die jeden quälten.
Aber dann ist in Syrien ein Krieg ausgebrochen, der die Menschen dort gezwungen hat, ihre Heimat zu verlassen. Für die Menschen, die sich auf den mühseligen und gefährlichen Weg zu uns machen mussten, war er ein Verhängnis, ein Fluch. Doch des einen Freud ist des anderen Leid, für uns war dieser Krieg, der die Massen nach Westeuropa trieb und viele von ihnen im Mittelmeer ertrinken ließ, die Rettung.
Wir haben nun zwei Krisen, deren eine die Lösung der anderen oder das Heilmittel gegen sie ist, nämlich eine Überalterungskrise und eine Flüchtlingskrise, deren Nutznießer wir sind, während viele Flüchtlinge sie mit dem Leben bezahlen. Gerecht ist das nicht, aber das ist nicht unsere Schuld. Uns bleibt nur die Wahl, eine einmalige unverdiente Chance zu erkennen und zu ergreifen oder so dumm zu sein, diese Chance auszuschlagen.
9. Oktober 2015
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Erinnert sich noch jemand an den alten Spruch? Er wurde früher oft skandiert auf linken Demos.
Jetzt könnte er wieder gerufen werden, weil die Sozialdemokraten Wiederholungstäter sind. Steinmeier und Gabriel haben gerade »eine Begrenzung der Zuwanderung« gefordert mit dem bekannten Argument: »Wir können nicht dauerhaft mehr als eine Million Flüchtlinge aufnehmen.« Wie schön. Profitieren werden davon die CSU und die AfD, weil die Leute lieber das Original wählen als die schlechte Kopie.
Selbstmord aus Angst vor dem Tod, dieses Spiel kann die SPD am besten.
23. August 2016
»So wie es auch eingeschlechtliche Arten gibt, hat die Natur auch ein drittes Geschlecht vorgesehen. Sonst würde es keine Intersexuellen geben.«
Es existiert kein drittes Geschlecht. Geschlecht ist mit weiblich und männlich ein Gegensatzpaar wie warm und kalt oder wie hell und dunkel. Solche Gegensatzpaare dienen den Menschen als Orientierung im Ungefähren.
Empirisch existieren nicht mal zwei Geschlechter in Reinform, weil jeder Mensch aus dem Weiblichen und Männlichen zugeordneten Zügen gemischt ist. Es gibt den weibischen Mann, der eine männliche Frau heiraten und sich in der von der Frau ihm zugewiesenen passiven Rolle wohlfühlen wird, es gibt das Gegenteil, den betont virilen Mann, der am Ende seiner Tage das Altersmatriarchat erlebt, und es gibt jede Menge Zwischenstufen. Die Welt wäre langweilig, gäbe es diese Phänomene nicht.
Neue Geschlechter erfinden ist nicht Sexualaufklärung, sondern das Gegenteil. Eigentlich geht es um Ausgrenzung. Die »anderen« sind mir ganz fremd, sagt der Verdrängungskünstler. Sie sind anders als ich, nämlich ein anderes Geschlecht.
Dann kann er sich wieder als Mann fühlen, der mit all diesen verstörenden Sauereien nichts zu schaffen hat.