Filmvorführung im Laidak
La Haine – Der Hass

Einmal mehr taten sich die Tore der Hölle auf, die Banlieues in Frankreich sind explodiert. Polizeistationen wurden angegriffen, Geschäfte geplündert, ganze Gebäude niedergebrannt. Man hat es mit reiner Negativität zu tun und wenn Macron einmal fragte: „Wie sollen wir unseren Mitbürgern begreiflich machen, dass die Marktwirtschaft die richtige Organisationsform ist?“, so ist es einfacher für das Bürgertum, die Bewohner der Banlieues vom Status eines Mitbürgers freizusprechen und sie zu Wilden zu erklären. Heute ohnehin unbezahlbare Pädagogen wären doch nur hilflos, im Angesichts einer „einer global zukunftslosen Klasse, eines Teils des Proletariats, der an bedeutenden Beförderungs- bzw. Integrierungschancen nicht glauben kann“, – wie man wiederum schon 1966 erfahren konnte. Also hilft nur die Polizei und als ultima ratio die Armee. 44.000 Gendarmen im Einsatz, tausende Festnahmen und irgendwann brennt der Aufstand aus.
Solche Aufstände geben Anlaß zu einer gewissen Romantik. Die sonst vermißte Negativität, stellvertretend bei den Randbewohnern. Im Grunde ist diese Sehnsucht wahr, denn alle anderen Segmente befinden sich vollständig im Nexus der Herrschaft, deren Prinzipien sie mit jedem Atemzug bestätigen müssen. Nehmen wir die riesigen Demonstrationen der Gewerkschaften von diesem Frühjahr und auch in Frankreich: Man bracht sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Casseurs in den Banlieues nur eine abstrakte Negation dieses immanenten Gezanks um Rente und Demokratie sind, eine Negation bleiben sie trotzdem und die allgemeine gesellschaftliche Bewegung braucht solche Negationen oder sie bleibt zahnlos.
Dann wieder tröstet die Romantik nicht über die eigene Ohnmacht. Der Mangel an Perspektive mag bei solchen wilden Aufständen offen zu Tage treten und man wird auch schnell zugeben, dass man das verstehen kann, denn diesen Leuten bieten sich auch sonst keine Perspektiven. Aber umgekehrt spiegelt sich in der Perspektivlosigkeit der anderen nur die eigene Perspektivlosigkeit und ein Teil der Faszination dürfte sich aus diesem Umstand speisen.
Beliebt war früher der Film „La Haine“, der die Verhältnisse in den Banlieus plastisch zeigt, wenn auch anzunehmen ist, dass sich die Stimmung dort in den folgenden Jahrzehnten noch verschlechtert hat. Er wird wieder gezeigt, um eine gewisse Gesprächsgrundlage zu bieten, denn solche Unruhen sind immer auch ein Bild der Zukunft und, die hiesigen Silvesterausschreitungen und die neuen Neuköllner Sparpläne im Kopf, auch nicht besonders weit weg. Daher scheint das Thema angemessen.
La Haine, 1995. Regie: Mathieu Kassovitz. 97 Minuten. Frz. mit dt. Untertitlen.
• Schankwirtschaft Laidak • Boddinstr. 42/43 • Berlin-Neukölln • Donnerstag, 6.7.2023 • ab 19:30 (Kleiner Raum)