Keine Angst vor H & M
Zweitagesseminar mit Franz Hahn in Halle, 30.11. und 1.12.2019
Eines der fürchterlichen Vorurteile der unserer Zeit ist eigentlich, dass unsere Welt schwierig zu verstehen sei. Und wie immer haben solche Vorurteile auch ein Quentchen Wahrheit: der Kapitalismus ist undurchschaubar und keiner weiss, was wann wie und warum produziert wird. Nichtmal die Arbeiter, die Studenten noch weniger. Man schaue nur in den Börsenteil einer Zeitung. Aber wie es so mit Vorurteilen ist, sie irren in der Hauptsache und so wird diese Unverständlichkeit dem Einzelnen zugemutet, nicht den Verhältnissen. Selbst das Denken wird zur Arbeit. Die Arbeit am Begriff diesmal oder auch am eigenen Hirn. Die philosophische Tradition macht es diesem Vorurteil leicht. Kant und Hegel mit ihrer verworrenen Sprache geben sogar einem gewissen antiintellektuellen Sentiment Raum. „Die Kunst besteht darin, den Leser so zu mystifizieren und ihm Kopfbrechen zu verursachen, damit er schließlich zu seiner Beruhigung entdeckt, daß diese hard words nur Maskeraden von loci communes sind.“ (Mohr Marx an General Fred)
Die Kopfmenschen behaupten weiter tapfer, dass es sich bei Gesellschaft um keine einfache, sondern um eine komplexe Sache handele. Sie müssen das, sie wären sonst Arbeitslos. Es ist dies nebenbei der tiefere Grund, warum man den Friedrich Engels an allen Akademien scheut. Zuviel Klarheit schadet dem Kopfmenschen, sie müssten sich dann dem Leben widmen. Mithin der vollständigen Umgestaltung unseres Lebens. Natürlich das, was man Politik und Wirtschaft nennt, aber auch das, was man so Liebe, Freundschaft, Party nennt. Selbst Riechen, Fühlen, Schmecken stehen zur Disposition oder genauer unsere beschränkter Gebrauch dieser Sinne. Erst im Rahmen dieser Änderung werden unsere Hirne ein wenig flüssiger, tritt die Einfachheit des Denkens hervor.
Nun war es Karl Marx, der das Denken vom Kopf auf solche Füße stellte. Über den soll der zweite Teil des Doppelseminars handeln. Wer sich vorher schlau machen will, lese am besten Engels, „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“. Von Marx vielleicht die ersten 60 Seiten der deutschen Ideologie. Hilfreich ist immer auch sein Buch gegen Bakunin. Im Seminar werden wir dann einige Stellen aus dem Marxischen Werk lesen, einen Querschnitt seines Werkes wird in Form kleinerer Abschnitte Absätzen und Zitate diskutiert. Revolutionstheorie, Materialismus, Geschichtliches, Ökonomisches. Ernüchterndes. Vorausgesetzt wird nichts, als der ehrliche Imperativ, dass alle Verhältnisse umzuwerfen sind, in denen der Mensch ein erniedrigtes, verlassenes, verächtliches und geknechtetes Wesen ist.
Mit Karl Rauschenbach
30.11./1.12.2019
Diese Veranstaltung wurde im Juli 2020 fortgesetzt: Der gelangweilte Marx