Auflösungserklärung der Axt
Als das Büro für mentale Randale 2013 seine erste Axt herausgab, brachte diese mit ihrer Rüpelhaftigkeit einen neuen Ton in unser etwas behäbig gewordenes Intellektuellenmilieu. „Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass!“ Diesen zu schüren und mit der kommunistische Kritik der Produktion zu verbinden, war der Anspruch der Axt.
Jedoch sind weder das Büro noch die Leserinnenschaft über diesen verünftigen Impuls hinausgekommen und die weiteren Ausgaben der Axt fügten der ersten Nummer nichts Wesentliches hinzu. Das ist keineswegs außergewöhnlich: Auch die Redaktion des Magazins, beispielsweise, gestand in ihrem letzten Editorial ein, dass ihr bereits nach Ausgabe 3 nichts substantiell Neues mehr eingefallen ist. Und auch bei diversen praktischen Versuchen erweist sich der hoffnungsvolle Auftakt im Nachhinein bereits als Höhepunkt, auf den nichts mehr folgt.
Umso wichtiger ist die Analyse der Gründe des Scheiterns, damit man es beim nächsten Versuch womöglich besser macht. Ein ehemaliges Mitglied des Büros widmet sich im folgenden Text dieser Aufgabe.
Elendige Betrachtungen
Reflexionen zu den Bedingungen von Komposition und Dekomposition subversiver Assoziation
Es ist vielleicht eine der wichtigsten Eigenschaften, betreibt man ernsthaft das Spiel gegen die gesellschaftliche Verfasstheit, zu wissen, wann man mit einer Sache aufhören muss, wenn sie Gefahr läuft, sich selbst zu neutralisieren und wie so viele andere Projekte zu einer irrelevanten Beschäftigung für Narren geworden ist. Deren intellektuelle Potenz eines „Wir haben es euch doch gesagt“ vom barbarischen Erfolg der objektiv herrschenden Verhältnisse belächelt werden kann. Im schlimmsten Falle stellen solche Projekte noch das Alibi einer Gesellschaft, deren Pluralismus nur die autoritäre Vergewisserung darstellt, dass alles so bleibt wie es ist: unter Kontrolle.
Die kurze Geschichte des Büros für Mentale Randale Berlin soll Anlass zu einigen Betrachtungen über Erfolg und Elend der Herrschaft von Staat und Kapital und der gegenwärtigen Versuche, ihre Denunziation und Abschaffung zu organisieren, geben. Es läge fern, das Büro dafür herzunehmen, weil es etwa einen bedeutenden Konzentrationspunkt revolutionärer Kritik dargestellt hätte. Es teilte vielmehr alle Schwächen der Versuche, aus dem Morast der gegenwärtigen „Nicht-Zeit“ herauszutreten und es ist somit vielleicht nicht unerheblich, anhand dieser Splittergruppe einige profunde Probleme nachzuzeichnen. Es ist sogar gewissermaßen die Pflicht jeder revolutionären Organisation und jeder einzelnen Revolutionärin und jedes Revolutionärs, sich Rechenschaft darüber zu geben, ob man schritthalten kann mit der gesellschaftlichen Entwicklung, d.h. wirklich radikal wirken kann.
Die Axt – mehr als nur ein Zine?
Zugegebenermaßen war die Axt sogar weniger als ein Zine. Wie sie anfangs nur ein gefaltetes A3-Blättchen war, hatte sie im Grunde auch nur eine Botschaft: die Aufrechterhaltung der Forderung nach Zerstörung eines Zustandes, der nur noch von Angst zerfressene Zombies produziert und die selbsternannte radikale Opposition auf einen Haufen jammernder Sozialdemokraten und kleinbürgerlicher Speiseplanrevoluzzer reduziert hat.
Der Ultra-Radikalismus des Blattes war ein Versuch, anarchistischen Hass mit kommunistischer Kritik zu verbinden (Hier vorerst der d.i.y. Voluntarismus des Zine-Machens. Die Axt verfügte anfangs über keine finanziellen Mittel als die Geldspenden unserer Sympathisanten). Anarchismus und Kommunismus beanspruchen beide die Feindschaft gegenüber dem Bestehenden, beide, erstarrt in der Isolation als Theorie einerseits und voluntaristische Praxis andererseits, bleiben abstrakt. Die Axt hat sie verbunden, ohne sie aufzuheben. Sie blieb also im Wesentlichen abstrakt (von den Möglichkeiten eines konkreten Angriffs / des dialektischen Begriffs getrennt).
Unseres Wissens nach hat es auch unsere Leserschaft nicht fertiggebracht, besseres zu produzieren, um aus der Gängelung auszubrechen, eine Gängelung zwischen Schule, Uni, Smartphones und immer wieder durchgekauten Plastikpunkritualen mit dem Beigeschmack von Revoluzzertum. Die Axt sollte aufhetzen und polarisieren, zeigen, wo der Feind steht, vor allem der Feind in den Köpfen, Brennstoff für die Wut liefern, fähig zu sein die Apathie der einen wie das „politische Engagement“ der anderen zu zerbrechen. Doch war die Axt eben auch nur ein Zine, wenn vielleicht auch das bessere.
Die Grüppchen und ihre Illusionen
Schon kurz nachdem wir unsere Arbeit aufgenommen hatten, vergrößerte sich unsere Redaktion. Abgesehen vom Zuspruch unseres Symphatisantenkreises, der das Bedürfnis nach einer rücksichtslosen, rüpelhaften Attacke auf das Bestehende und die sie schützenden Ideologien ausdrückte, fand sich eine Handvoll, die sich bereit erklärten, im Büro und der Redaktion mitzuarbeiten. Hier liegt bereits unser erster Fehler. Nicht, dass die Redaktion nicht erweitert werden sollte, nicht dass man Leute, die sich ernsthaft für eine Mitarbeit interessieren, nicht einbinden sollte. Wir haben uns allerdings wenig Gedanken über die formalen und inhaltlichen Konsequenzen gemacht. Unsere Theorie wies schon zu Beginn grobe Mängel auf, die wir nie beseitigen konnten, die hernach zu einem Chaos sich ausbreiteten, weil wir von Anfang an keine Klarheit darüber hatten, so mussten die Arbeit an einem Heft notwendigerweise in ewige Diskussionen um immer wieder gleiche Punkte geführt werden, was sich überaus lähmend auswirkte, wie das beispielsweise auch bei anderen Gruppen der Fall ist. Es ist uns zwar in ein paar Fällen gelungen, relativ schnell zu reagieren, endete aber mindestens in einem Fall in einer desaströsen Einschätzung, die zumindest der fortschrittliche Teil im Nachhinein als Fehler sich eingestehen musste. Es handelt sich hierbei um das Flugblatt, anlässlich des angedrohten Streiks der GEW über das Wochenende der Einheitsfeier dieses Staates.
Doch gehen wir nochmal einen Schritt zurück: Der erste Fehler bezieht sich also auf eine Gedankenlosigkeit der Organisation. Es wurde nie darüber gesprochen, in welchem Verhältnis Redaktion und Büro zueinander stehen, oder ob es gar wünschenswert ist, sich mit Flugblatt-Interventionen o.ä. und nach innen mit festen Plena, Einrichtung einer Kasse, etc. wie ein Polit-Grüppchen aufzuführen, dessen theoretische Basis, abgesehen von der banalen wie abstrakten Plattform, für die staaten- und klassenlose Gesellschaft zu sein, äußerst nebulös blieb. Demnach fehlte auch die Ausrichtung unseres Unternehmens und wurde immer schwammiger, anstatt sich zu fokussieren. Das heißt nicht, dass es in einer Organisation nicht mehrere Positionen geben kann, wenn allerdings jeder Einzelne über den Focus des Projektes etwas anderes zu erzählen hat, dann haben wir ein Problem. Es folgt auf den Mangel der praktischen Organisierung der Mangel an theoretischer Konsistenz.
Da auf diesen Seiten nicht die Reformierung des Büros verhandelt werden soll (warum sollte wir es der geneigten Leserin und dem geneigten Leser in diesen Zeiten des sich stapelnden linksradikalen Papiermülls noch schwerer machen, sich schnellst möglich wieder zu betrinken?) geht es darum, den spezifischen Mangel des Büros und der Axt-Redaktion als eine Erfahrung des allgemeinen Mangels radikaler Splittergrüppchen aufzuzeigen. Die schleppende Phase, in die das Büro dank seiner vergeistigten (es bezieht sich nicht nur auf Weingeist) Geistlosigkeit verfiel, ist ohne Zweifel auch auf die Disziplinlosigkeit einiger Mitglieder zurückzuführen. Es ist uns hier nicht viel anders ergangen als so vielen anderen Häufchen, in der die Routine eines Weitermachens immer einige Mitglieder in Apathie versinken lässt, was weitaus schwerer wiegen mag, als jene Ratten, die schlau genug sind, ein sinkendes Schiff vorzeitig zu verlassen. Die Disziplin jeder und jedes Einzelnen ist die Basis für eine Zusammenarbeit unter den herrschenden Bedingungen, die den Willen und die Fähigkeit zur Opposition stetig schleifen.
Teilnahmslosigkeit und Apathie gegenüber der eigenen Organisation sind dabei tödlich und unterminieren das Projekt, verstärken die reaktionären Positionen, die quasi naturwüchsig den Halt beim Alten suchen. Solche Dynamiken führen einerseits zu hierarchischen Strukturen und führen zu passiven Verhalten, wo doch jede revolutionäre Organisation auf die aktive Mitarbeit aller Teilnehmenden angewiesen ist.
Es ist eine durchaus schwierige Sache, weil es auch vor allem darum geht, die passive Rolle als Befehlsempfänger, welche das Überbleibsel des Individuums einzunehmen gezwungen ist, zu durchbrechen. Ob es sich nun mit der Befehlsgewalt eines Bosses, der staatlichen Arbeitslosenverwaltung oder der Uni herumzuschlagen hat.
Der Versuch, diese Schwäche in eine Stärke zu wenden, hieße die eigene Position im gesellschaftlichen Zusammenhang zu reflektieren und damit den Versuch, die Trennung aufzuheben, die radikale Theoretiker vom Begreifen ihrer alltäglichen Praxis isoliert. Die „Kritiker“ begehen dabei stets den Fehler, wie jene Vertreter positiver Wissenschaften neben der Versuchsanordnung zu stehen, anstatt ihre eigene Position innerhalb der arbeitenden Klasse als Ausgangspunkt ihrer Praxis zu begreifen (Man hüte sich vor dem Fehler, Theorie von Praxis zu spalten. Die Theorie hat durchaus praktischen Charakter, wenn man sie unter die Leute bringt, genauso wie die Praxis nie der Theorie entbehrt auf deren Grundlage sie sich entfaltet). Diese Forderung darf nicht verwechselt werden mit einem Subjektivismus, sie zielt vielmehr darauf ab, die Basis zu untersuchen, d.h. die Entwicklungen in bestimmten Sektoren, ihre Funktionsweise und die Lage der von ihnen abhängigen Arbeitern und inwiefern sich ein Bewusstsein, das mehr ist als ein subjektives, nämlich die Totalität einfangendes, also ein Klassenbewusstsein, sich entwickeln kann, oder was dabei im Wege steht.
Man könnte sich so dann die Diskussionen sparen, welche die Frage der Revolution nur als moralisch richtige Entscheidung vorstellen, als sie solange erscheinen muss, solange sie materialiter vom Eingriff in den Weltenlauf getrennt ist.
Kommunistisch ist die Kritik dann, wenn sie von den materiellen Interessen der Klassen ausgeht und ihren Zusammenhang in der Totalität der gesellschaftlichen Beziehungen aufdeckt. Sich vorzustellen, dass die Spannungen, die die Klassenspaltung weltweit hervorbringt, mir nichts dir nichts in die reine Schlacht des Armageddon, also den finalen Kampf zwischen gut und böse münden, ist so abenteuerlich wie realitätsfern. Man müsste schon hinabsteigen in das irdische Jammertal, welches die Gesellschaft heute darstellt und das wird nicht gehen ohne mit beiden Füßen tief im Morast zu stehen.
Als Büro hatten einige vielleicht so etwas im Auge, als wir auf die verschiedenen Äußerungen von Klassenhass hinwiesen und indem versucht wurde, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, das Programm anarchistischer Zerstörungswut und den Hass auf den Staat und seine politischen Zuarbeiter von links mit dem Kommunismus, also dem Focus auf die Abschaffung des gesellschaftlichen Produktionsverhältnisses, zusammenzubringen, um allen Wächtern der alten Gesellschaft unseren kakophonischen Marsch zu blasen.
Es ist nichts Peinliches dabei, über unsere eigenen Misstöne gestolpert zu sein. Es wäre peinlicher weiterzumachen, als wäre nichts geschehen, wie es so viele andere tun, die die Ohnmacht und Irrelevanz deutlich fühlen. Sie wissen es, aber sie machen weiter.
Abgesehen von der notwendigen Selbstkritik an der gewisse Genossen zu arbeiten haben, um die Bezeichnung „Revolutionär“ zu verdienen, mit der Frage der subjektiven Möglichkeiten, der Depravierteit und Asozialität die dieser Zustand den Subjekten aufherrscht, müssen wir uns eingestehen, bei der Wiederaufnahme und Klärung eines subversiven Programms versagt zu haben. Wie oben bereits erwähnt, war einer der gröbsten Fehler die Gedankenlosigkeit, mit der wir das Büro aufblähen ließen, ohne uns über die theoretische Kohärenz auseinanderzusetzen. Es hätte uns sicherlich anstrengende Diskussionen beschert, hätte jedoch verhindert, unsere Ressourcen zu verschwenden und uns erst in den Zustand versetzt, unsere Kritik zuzuspitzen und sie soweit wie möglich zu verbreiten. Eine solche theoretische Kohärenz herzustellen, welche Organisierung und Ausrichtung reflektiert, ist die erste Bedingung, um aus dem miserablen Zustand, in dem die radikale Kritik steckt, herauszukommen, die Wirklichkeit selbst stellt uns vor diese Aufgabe. Die Gedanken der herrschenden Klasse sind auch in dieser Epoche die herrschenden Gedanken. Bis zum Erbrechen mystifiziert, muss der produktive Grund von aller fetischistischen Schlacke befreit werden, die Ausbeutung durch das Kapital als Kampf um die Aneignung unserer Lebensbedingungen angegriffen werden und die Negation vorbereitet werden, in dem wir den Zunder dort verteilen, wo sich die gesellschaftliche Spaltung zeigt, um so die Kritik zur Krise zu radikalisieren.
Mai 2016