Szene bizarr – Kaffeetisch und Tristeza geben Durruti posthum Hausverbot!
Spanische Revolution möglicherweise ungültig
Ein kleiner Teil der Berliner Linksszene wurde durch ein spektakuläres Hausverbot gegen Durruti verunsichert. Jemand hatte nämlich in der Schankwirtschaft Laidak eine Ausgabe des von Mary Low und Juan Breá herausgegebenen roten Notizbuchs aus der spanischen Revolution gefunden und sich bei dessen Lektüre durch folgende leicht gekürzte Passage an etwas Unangenehmes aus ihrem Leben erinnert:
„Wir, die beiden Ärzte und der Fahrer, gingen mit den Frauen hinunter zum Fluß. ‚Ich wünschte, wir hätten das gewußt, bevor wir hierher gekommen sind‘, seufzte der hellhaarige Arzt, ‚dann hätte ich meine Badehose mitgebracht.‘
Die beiden Frauen schauten sich an und lachten. Ich fragte mich warum.
Ich sollte es bald erfahren.
Plötzlich standen wir am Ufer des Flusses. Überall sprangen nackte Milizionäre umher, lachten und bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Die Sonne schien auf ihre glänzenden Rücken und Bäuche. Etwas weiter weg kletterten dünne, nackte Männer auf die Schultern anderer Nackter, um sodann mit Getöse ins Wasser einzutauchen.
Mary war einen Augenblick lang ziemlich entsetzt, bis wir uns an die Vorstellung gewöhnt hatten.
Ich sah die beiden anderen Frauen eine Weile nicht an. Ich spürte aber, wie sie neben mir am Ufer standen und ihre herrlichen Gewänder sich langsam und farbenprächtig im Wind bewegten. Die Männer plantschten im Wasser, winkten und riefen ihnen zu, sie sollten sich ihnen anschließen und ebenfalls ins Wasser kommen. Dann entledigten sie sich beide ihrer Kleider und stürzten sich an mir vorbei ins Wasser, wo ihre nackten Körper im Sonnenlicht amberfarben grüßten.
Die Ärzte, der Fahrer und wir beide standen da, schauten ihnen zu, warteten und schwiegen. Lediglich der Fahrer gewann schließlich wieder etwas von seiner andalusischen Beredsamkeit zurück.
Er tippte mir auf die Schulter: ‚Ha, ha, Genosse, da hast du deine Revolution.‘
Wir setzten uns ans Flußufer.
Die Schweizerin kam auf uns zu, schleuderte abwechselnd mit ihren Armen Wasser in die Luft, wobei sie bei jeder Armbewegung halb aus dem Naß ragte und ihren vollen Busen zeigte. Als sie zu der Stelle kam, an der wir saßen, fand sie mit beiden Händen an einem Felsen Halt, lag im Wasser und sah uns an, während sie leicht mit ihren langen, muskulösen Beinen paddelte.
Sie sprach uns an, und wir plauderten auf französisch.
Nach einer Weile mußte ich sie einfach fragen:
‚Ist dir das überhaupt nicht peinlich?‘
‚Was?‘
‚Oh, daß du hüllenlos zwischen all den nackten Jungs badest.‘
Sie mußte lachen.
‚Warum sollte es mir peinlich sein? Die sind doch harmlos. Der eine oder andere onaniert dann und wann schon mal, aber so klammheimlich, dass man wirklich nichts sagen kann.‘“ (S.79f)
Die dies lesende Person hat sich sofort an das Thesenpersonal gewendet, aber das hat nicht reagiert – das Buch blieb da. Also schrieb sie mit Edding auf das Damenklo: „Vorsicht sexistische Tresenkraft!“ und wendete sich an eine Unterstützer*innengruppe ihrer Wahl. Eine_ Sprecher_ der Unterstützer@innengruppe nahm darauf zum Vorfall wie folgt Stellung: „Das ist nicht harmlos und schon gar nicht lustig, selbst wenn einige cis-normative Frauen gelacht haben mögen. Und man muß unbedingt etwas sagen! Schon den nackt badenden Jungs hätte klar sein müssen, dass sie durch ihr Verhalten triggern könnten, und sie hätten entsprechende Warnschilder aufstellen müssen. Dass sie das nicht gemacht haben, ist bereits als übergriffiges Verhalten zu werten. Überhaupt fehlte eine Awareness-Group am Fluß. Und dann O****e vor Frauen! Das stellt einen extremen Übergriff dar! Hier wurden Grenzen überschritten, die bis zu diesem Zeitpunkt in Spanien klare Geltung hatten. Da kein konkreter Täter bekannt ist und außerdem diese ganze Revolution ein extrem übergriffiges Klima erzeugt hat – wie man z.B. deutlich an der Äußerung des Fahrers sieht, der die Badeübergriffe für den Inbegriff dieser Revolution hält –, fordern wir Hausverbot für Durruti. Alle seine Bekannten und Anhänger sollen sich ab sofort und langfristig mit Sexismus auseinandersetzen und Antisexismus / Feminismus im Alltag umsetzen, das heißt auch, dass ihr den Leuten, die mit der FAI zusammenarbeiten, diesen Vorwurf offen legt.“
Darauf gab es bislang folgende Reaktionen: Das Kaffeetisch und die Tristeza haben ein Hausverbot gegen Durruti ausgesprochen, ohne groß über den Fall zu diskutieren, da sie sich ein Definitionsmachtprinzip ausgedacht haben und dieses auch anzuwenden versuchen. Insbesondere mit Durruti wurde nicht oder schlecht kommuniziert, da dieser ja nun eh schon lange tot sei und vielleicht, weil einige eine gewisse Scham oder ein gewisses Unbehagen verspürten. So hat es das Kaffeetischkollektiv seinen Angestellten nicht erzählt und die triste Bar nicht einmal Durruti selbst. Die freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) legt Wert auf ihren prinzipiell antisexistischen Anspruch, aber auch darauf, dass es Widersprüche gibt, die man aushalten solle. Ohne Durruti hätte ihre ganze Organisation keine Berechtigung mehr und andererseits würden ihre männlichen Mitglieder nur selten nackt baden gehen und nur alleine onanieren, wenn auch manchmal mit Bildern. Die Zeitung Grasswurzelrevolution (GWR) merkt an, Durruti wäre schon lange wegen teils krasser Gewalt ausgeschlossen worden. Die AGAG der ANA (Arbeitsgemeinschaft alternatives Gedenken der Autonomen Neuköllner Antifa) prüft nun zusammen mit den antideutschen Teilen der Linksjugend, ob die spanische Revolution nicht eher „Teil eines gesamtgesellschaftlichen antifeministischen Rollbacks“ war und damit „kein Bezugspunkt für eine progressive Linke“. Auch der asturische Bergarbeiterstreik solle nochmal einer Neubewertung unterzogen werden, nachdem Quellen mit Playboy-Pinups und der hinzugefügten Sprechblase: „Ich kenne nichts schöneres als mit einem asturischen Bergarbeiter zu schlafen. Das sind Männer!“ aufgetaucht sind. Hierzu plant Solid in Zusammenarbeit mit Cosmonautilus ein kritisches Geschichtsdossier. In einer Presseerklärung schrieb eine_r Sprecher_in des Rosa&Karl-Bündnisses: „Es besteht aber keinerlei Gefahr der Spaltung des alternativ-revisionistischen Gedenkens an Rosa und Karl, weil dort bislang über die Möglichkeit einer spanischen Revolution gar nicht geredet worden war.“ Aber man würde im nächsten Jahr mit einem verstärkten Awareness-Team darauf achten, dass „niemand diesbezügliche Transparente zeigt“, da sich alle auf ihrer Demonstration wohlfühlen sollen, insbesondere die DGB-Jugend. Die Falken Berlin schreiben in ihrer Stellungnahme, dass Nacktbaden schon seit Jahrzehnten nicht mehr Teil ihrer sommerlichen Freizeiten ist, sie allerdings weiter nur gemischtgeschlechtliche Zelte anbieten. Der mehr oder weniger involvierte Rest dieser Subszene behauptet wie immer, dass ginge sie alles nichts an und Durruti wäre eh nicht so nett gewesen oder ähnliches. Oder sie haben Angst, sich mit etwas auseinandersetzen zu müssen und pflegen lieber leere Bekanntschaften. Wieder anderen geht die sogenannte Szene inklusive all ihrer Subszenen und den verschiedenen Unterstrichen eh schon immer oder schon lange am Arsch vorbei, wenn sie auch oft nicht so recht davon loskommen wollen. Wie dem auch sei: Allen gemein ist, dass sie sich schämen lernen müssen, wenn sie Zukunft haben wollen.
Büro für mentale Randale (Abteilung Szenealtglas)