Ein Wort zum Jugendwiderstand
Der Texte hätte auf dem Kommunistischen Tresen im Juni als Flugblatt ausgelegt werden sollen.
Bewaffnete Rasselbanden des Staates haben neun Wohnungen von mutmasslichen Mitgliedern der kommunistischen Gruppierung Jugendwiderstand durchsucht. Die Propaganda verweist dabei immer gerne darauf, dass dieser Jugendwiderstand eine Schlägertruppe sei und führt dafür einiges Gerempel rund um die Frage Israel vs. Palestina oder auch Trotzki vs. Stalin an. Tatsächlich gab es einige Zusammenstöße mit Leuten rund um den Jugendwiderstand. Bemerkenswert ist an diesen periodischen Auseinandersetzungen immerhin, dass die Darstellungen des Jugendwiderstandes immer ehrlich waren und sie dadurch halbwegs durchsichtig werden, während die Gegenseite immer melodramatisierte und vernebelte. Wenn man die Sache dann recht betrachtet, ging es eher um Schubsereien, ne Bierdusche oder ne Schelle. Man muss das nicht besonders toll finden, aber solche kleinen Scharmützel innerhalb einer ansonsten weichgespülten Linken könnten auch dazu dienen, insgesamt latent ernsthafter zu werden, also auch die Konsequenzen der jeweiligen politischen Entscheidung zu akzeptieren und zu tragen. Dabei trennen die Kontrahenten natürlich handfeste und grundsätzliche politische Fragen und statt sich über innerlinke Gewalt zu beklagen, kommt alles darauf an, dass diese klarer gestellt werden. Freund und Feind muss sich erst sortieren und dafür muss man es verstehen, eine Frage von jeder Seite zu betrachten. Über die Kriegskunst sagte daher Sun Dsi: „Kennst du den Feind und kennst du dich selbst – hundert Schlachten ohne Schlappe“. Der Rest ist auch eine Frage des Temperaments, die einen quälen sich mit Psychogedöns, die anderen hauen lieber auch mal zu, wenn der Worte genug gewechselt sind. Und dann besteht das Stichwort des Jugendwiderstands hier grundsätzlich in der Verteidigung der eigenen Propaganda und wer ernsthaft an eine ehrliche revolutionäre Offensive denkt, kommt gar nicht um diese Frage herum. Auch geht es um die Vorherrschaft im Viertel, etwas, das noch kein revolutionärer Eiferer außer Acht gelassen hat.
Klassisch sind hier die Auseinandersetzungen um der Frage, wie man es mit Israel hält. So geschehen schon vor einigen Jahren am Rande einer kombinierten Solidaritätsdemo für Kurdistan und Palästina oder erst neulich bei einer Veranstaltung der Antiimperialisten im Biergarten Jockel. Die liberalen Störer gaben dabei kein gutes Bild ab. Einmal wurden sie von einem kleinen Mob der Demonstranten gezielt und sportlich angegangen und dann prompt von der Polizei in Gewahrsam genommen. Das andere Mal stellten sie sich sofort unter Polizeischutz, da die Veranstalter mittels eines mutmaßlich vom Jugendwiderstand gestellten Schutzes handfest von ihrem Hausrecht Gebrauch machten und die Protestierer des Ortes verwiesen. Die liberalen Israelsolileute wären eigentlich ganz zufrieden damit, wenn sie am Rande einer Demo oder Veranstaltung stehen könnten, um mit ihren Plakaten, Transparenten und Fahnen zu provozieren. Alle schreien dummes Zeugs, vielleicht gibt es sogar das eine oder andere Machowort und gut ist. Das entspricht etwa ihrem Bild einer gelungenen Demokratie. Aber der Jugendwiderstand spielt nicht dieses demokratische Spiel, sondern konfrontiert solche Provokationen ihrerseits und reißt sie so aus dem bloss symbolischen Rahmen. Zweifelsohne werden solche Israelfahnenaktionen dadurch etwas gefährlicher und benötigten ihrerseits etwas mehr Disziplin in der Vorbereitung.
Eher privat-politisch gerieten einige Mitglieder unseres Rotfrontkämpferbundes mit einem trotzkistischem Paradiesvogel und Stern am Himmel irgendeiner der trotzkistischen Attrappenorganisationen aneinander. Dieser hatte ordentlich gegen den Jugendwiderstand gehetzt. Online. Die Vulgärmaterialisten vom Jugendwiderstand erinnerten ihn an die wirkliche Welt und erwischten dabei auch einige zur Hilfe eilende Freunde dieses politischen Individuums. Die Trotzkisten haben dann arg gejammert und die vom Jugendwiderstand sich später kompromißbereit gezeigt: Man wollte ja nur dem Paradiesvogel eine langen und es sei im Grunde so natürlich wie ehrenhaft, dass einige seiner Freunde ihm zur Hilfe eilten. Und die wollte man ja nun nicht hauen, das ist mehr so passiert…
In Flensburg gründete sich auch eine dieser neuroten Gruppen. Hier heißt der Jugendwiderstand Revolutionäres Kollektiv. Dessen Versuch, in der Öffentlichkeit seine Ideen zu propagieren, führte naturgemäß im örtlichen Anarchistensumpf zum Bedürfnis, dies zu unterbinden, indem Plakate und Aufkleber etwa einer Antidrogenkampagne halbsytematisch entfernt wurden. Schließlich aber stellten Leute aus dem Umfeld der Roten diesen Sumpf und suchten klar zu machen, dass dies zu unterbleiben habe. Die darauf eilig gegen das Revolutionäre Kollektiv gebildete Fronde der Flensburger Alllinken musste jeden politischen Punkt ausklammern und sich notdürftig hinter der liberalen Phrase der (innerlinken) Gewaltfreiheit verstecken, sonst wäre der Schwindel der scheinbaren Einheit sofort aufgeflogen. Immerhin die DKP hat versucht, inhaltlich zu argumentieren und stellte diese Roten in die Tradition der Röhm’schen Sturmabteilungen. Man muss allerdings sagen, dass das Revolutionäre Kollektiv diese Debatte leicht gewinnen konnte, da schon einige Leninzitate genügten, um zu zeigen, wer in der Tradition Lenins und auch Thälmanns steht und wer nicht. Und da die Fronde in Flensburg nun wirklich weit gefaßt war und auch die DFG-VK umfasste, gab es einigen Gratisspott über deren Flirt mit dem Islamischen Staat dazu.
Und mal latent andersherum ging es in Hamburg ab, als dieses Silvester einige anarchistische Claquere die Knastkundgebung aufmischten. Die Leute der Hamburger Dependance des Jugendwiderstand wehrten sich und verteidigten in Unterzahl ihr Transparent. Die irgendwie dem Florasumpf entspringenden Anarchisten haben dann noch ein wenig mit Böllern geschmissen. Gab natürlich keine alllinke Fronde gegen diese Leute.
Und dann der Angriff auf den Frauenblock an einem ersten Mai. Wie das auch immer abging: Lächerlich zu behaupten der Frauenblock wäre als solcher angegriffen worden. Es ging um ein Transparent gegen die Kampagne für den Boykott von Israel. Aber das wurde im Gejammer später kaum thematisiert. Hätte auch noch schlechter geklappt, da sich die Leute um Jutta von Dittfurth (Ökolinx) erst kürzlich aus dem Erste-Mai-Bündnis verabschiedet hatten, wegen ihrer Kritik an ebendieser Boykottbewegung. Man hätte sich also vorher klar machen können, dass man einige Leute damit provoziert.
Diese Geschichten sind das eine und der Sache nach hat der Jugendwiderstand diese Auseinandersetzungen gewonnen, indem sie mit flinker Feder und in Kenntnis der revolutionären Theorie ihrer Partei ihre hilflosen Gegner auch verbal in die Tonne traten. Diese Gruppe hat es nämlich verstanden, die Angriffe des Gegners für sich zu nutzen, bis dieser dann einen Gang zulegte und seinen eigenen gut organisierten Schutzdienst einschaltete. Was die jetzige Repression angeht, sind diese Geschichten aber eher Ablenkung und Legitimation. Den mutmaßlichen Mitgliedern des Jugendwiderstandes wird nämlich in der juristischen Hauptsache vorgeworfen, dass sie Nazis verdroschen hätten. Diesmal wirklich und nicht nur geschubst und geschellt wie bei den Linken. Wer da auch immer was gemacht hatte, die Parole „Die Rechte zu Boden – Rache für Thälmann!“ war jedenfalls anscheinend bei einem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch einige Male recht beherzt umgesetzt worden. Für diese Aktionen nun wurden die Wohnungen durchwühlt. Nicht dafür, dass eine benutzte Windel auf „antideutsche“ Liberale geworfen wurde.
Und dann steht allgemein gesprochen die Repression, der die Leute aus dem Umfeld des Jugendwiderstandes jetzt ausgesetzt sind, für die Repression, der alle revolutionären Freischärler der ersten Stunde, also noch bevor der Konflikt wirklich in der Gesellschaft ausgetragen werden kann, ausgesetzt sein werden. Falsche Häme, weil man notfalls sogar mit Recht die politische Linie dieser speziellen Gruppe verachtet oder bekämpft, ist von daher fehl am Platz. Die Gruppe Jugendwiderstand bekommt die Quittung ihres Kampfes mit offenen Visier. Ohne sich zu exponieren, kommt keine Kleingruppe in die Offensive, aber indem man sich so exponiert, macht man sich auch durch die Staatsgewalt angreifbar. Auf jede strategische Offensive folgt eine strategische Defensive und „darum“, um den großen Steuermann des Jugendwiderstandes zu bemühen, „dürfen sich die Führer des Partisanenkriegs während der strategischen Offensive niemals ihren freudigen Gefühlen so weit überlassen, daß sie dabei den Feind unterschätzen und vergessen, den Zusammenschluß ihrer eigenen Reihen zu fördern und ihre Stützpunktgebiete sowie ihre Truppen zu konsolidieren. In dieser Zeit müssen sie scharf verfolgen, was beim Feind vor sich geht, und sorgsam auf jedes Anzeichen achten, das auf eine neue Offensive des Feindes schließen läßt, um – sobald eine solche erfolgt – ihre eigene strategische Offensive in entsprechender Weise abschließen, sich einer strategischen Defensive zuwenden“ (Mao) Der Jugendwiderstand hat sich daher formell schon vor dem jüngsten Gegenangriff des Staates aufgelöst und duckt sich besser eine Weile weg. Der Theorie nach aber nur, um „so wiederum im Verlauf der strategischen Defensive die Offensive des Feindes zerschlagen zu können.“
Juni 2019