Einige neuerliche Anmerkungen zur Gegenwart, aus Anlass des Todes unserer Königin Elisabeth II.

Die Welt liebt Symbole und nun ist die Queen des Vereinigten Königreichs offiziell tot. Zar Putin von Russland hat dem neuen britischen König, Seiner Majestät Karl III., sein „tiefstes Beileid zum Tod von Königin Elisabeth II.“ ausgesprochen. „Der Name Ihrer Majestät ist untrennbar mit den wichtigsten Ereignissen der modernen Geschichte des Vereinigten Königreichs verbunden“. Zwar war die Queen zuletzt nur noch ein Hologramm ihrer selbst und die kurz vor knapp von ihr vereidigte Premierministerin heißt Liz Truss vom World Economic Forum, aber als Urbild für die technische Projektion ihrer Erscheinung hatte man Aufnahmen von 1953 genommen, als sie zu ihren Würden kam und damals war ihr Premierminister niemand anderes als der berühmt-berüchtigte Winston Churchill. Man soll also nicht kleinlich sein, auch weil sie jetzt die Würmer fressen: „Über viele Jahrzehnte hinweg“, so weiter Putin, „wurde Elisabeth II. von ihren Untertanen zu Recht geliebt und respektiert“.
Angriff der Shanghai Cooperation Organisation
Man muss dabei den Namen der Queen für die westliche Welt im Ganzen nehmen. Ihr Tod symbolisiert den Niedergang der alten, von den USA hervorgebrachten und dominierten Welt, die Geschichte durchläuft einen ihrer seltenen Drehpunkte. Die militärische Hauptschlacht wird dabei seit einiger Zeit von Russland in der Ukraine ausgefochten, aber dieser blutige Krieg bildet nur den Vordergrund für den Wirtschaftskrieg; der tiefere Konflikt findet auf ökonomischen Terrain statt. Das alles andere als isolierte Russland ist hier nur eines der Länder, die die alte US-Vorherrschaft beendigen und durch ein zu tarierendes Gleichgewicht diverser Machtzentren ersetzen wollen. Eine ganze antiwestliche Fronde nicht nur der berüchtigten BRICS stürzt sich gerade in einen abenteuerlichen Angriff auf die bisherige Wirtschaftsordnung, an die wir uns gewöhnt haben und aus der wir bislang gehörigen Nutzen zogen. Die ökonomische Hauptangriffslinie für diese anvisierte multipolare Weltordnung ist die zunehmende Ersetzung des Dollars und – solange Europa mit den USA geht – auch des Euros als Verkehrswährung im Handel zwischen den Nationen. Der Euro andererseits war ursprünglich durchaus als Herausforderung des Dollars geschaffen worden und könnte sich jederzeit der sich verallgemeinernden Fronde gegen den Dollar anschließen. Für den gegenwärtigen Angriff auf den Dollar ist insbesondere die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) relevant. Einige jüngere Meldungen hierzu: Die Shanghai Cooperation verkündete anlässlich ihres Jahrestreffens, dass „sich interessierte SCO-Mitgliederstaaten auf einen Fahrplan zur schrittweisen Erhöhung des Anteils der nationalen Währungen im gegenseitigen Zahlungsverkehr“ geeinigt hätten. Die westliche Nachrichtenagentur Reuters erläutert dazu am 16.9.: „Letzte Woche erklärte der russische Gasproduzent Gazprom, dass China die Hälfte seiner russischen Gaslieferungen in Rubel und die andere Hälfte in chinesischen Yuan bezahlen werde. Bisherige Verträge lauteten auf Euro oder Dollar, die vorherrschende Referenzwährung im weltweiten Ölhandel.“ Oder die Finanzblase Bloomberg, am 15.9.: „Die Staatsbank Indiens öffnet Rupien-Konten für den Handel mit Russland“. Die Türkei – immerhin formell ein Teil der hirntoten NATO – akzeptiert nun auch den Rubel und beantragt die Mitgliedschaft in der SCO. Diese Entwicklung vollzieht sich, während sich die NATO in der Sicherheit einer sicherlich höchst verlustreichen, aber – so hört man – doch erfolgreichen Gegenoffensive ihrer ukrainischen Armee wiegt.
Drohende Apokalypse
Die Queen also ist tot, der Westen unter Druck. Nochmal Putin: „Ich wünsche Ihnen allen Mut und Tapferkeit angesichts dieses großen und unwiderruflichen Verlusts.“ Mut und Tapferkeit werden wir brauchen; die Paranoia geht in eine neue Runde. Den Anfang machte Emmanuel Macron zum Ende der Sommerpause, indem dieser petite jupiter einmal mehr das „Ende des Überflusses, der Selbstverständlichkeiten und der Sorglosigkeit“ ankündigte. Wir befänden uns inmitten „eines großen Umschwungs“, auf den seine „Landsleute mit großer Angst reagieren können“. Hierzulande grassiert diese Angst schon, da der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, vor dem allgemeinen Blackout warnt: „Dann läuft kein Wasser, man kann nicht tanken, nach zwei Tagen kann man sein Handy nicht mehr laden. Wir sind in keiner Weise auf so ein Szenario vorbereitet“. Auch ein dahergelaufener Experte, Robert Jungnischke, erklärt im Privatfernsehen von Bild den Unterschied zwischen lokalem Stromausfall und Blackout. Bei letzterem ist nicht nur kurz der Strom weg, vielmehr sind „alle Datendienste, alles was mit Computer, mit Internet und so zu tun hat, auch weg. Alle Hilfskräfte sind auch betroffen. Die sitzen zuhause und kümmern sich um ihre Familie.“ Die Leute würden in den Aufzügen verrecken und Berlin drohe der Bürgerkrieg. The walking dead. Thomas Heilmann von der CDU-Bundestagsfraktion rät in derselben Quatschrunde zwar auch dazu, „einen vernünftigen Wasservorrat zu haben“, beschwichtigt aber ansonsten, da wir vorbereitet sind: „Wir können dann eine Reihe von Maßnahmen bis zur Ausgangssperre machen, wenn es wirklich dazu käme.“ Die Bild veröffentlicht für den Fall der Fälle schonmal eine „Packliste für den Blackout“ und die „Berliner Polizei schmiedet“, so der Focus, „einen Notfallplan für den Energie-Crash“.
Drohende Deindustrialisierung
Dann die Drohung mit einer Insolvenzwelle. Der moderne Bäcker mit seinen schäbigen Elektroöfen zum Aufbacken schlechter Brötchen steht unter Beschuss. In Hannover rufen sie daher „Rettet uns Bäcker“. Aber die Bäcker stehen nur stellvertretend für den berühmten deutschen Michelstand. Die Wirtschaftswoche: „Strom wird nicht nur teurer – sondern ist auch immer schwerer zu bekommen. In Osnabrück kündigen die Stadtwerke über 1000 Unternehmenskunden. Anschlussverträge? Fehlanzeige. Ähnlich geht es Mittelständlern im ganzen Land.“ Schon gibt es Stimmen, die das Ganze für eine Realisierung von Henry Morgenthaus altem Plan halten, da auch die große Industrie vom billigen Gas abhängt und nun nicht weiter konkurrenzfähig ist. „Deutschland droht Deindustrialisierung“, titelt der Focus am 19.9. und führt aus: „Der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau unterbreitete in seinem Buch mit dem Titel Germany is our Problem aus dem Jahr 1945 den Vorschlag, Nachkriegsdeutschland zu deindustrialisieren.“ Als ob wir Griechenland oder die Deutsche Demokratische Republik wären! Präsident Trump jedenfalls spottete jüngst vor seiner Basis: „Seht euch Deutschland an. Sie werden kein Land mehr haben. Wer hätte gedacht, dass es so schnell geht.“
Etwas Realismus
Dieses apokalyptische Szenario – so es denn überhaupt realistisch ist – könnte andererseits leicht abgewendet werden, indem irgendwer auf den glücklichen Gedanken käme, diese ominöse zweite Nordflussröhrenlinie zu öffnen, die man eigens für den Gastransport zusammengesteckt hat, nur dass man sich nun ziert, sie auch zu benutzen. Aber auch dann: Das Gas wird teurer werden, da wir über Nordfluss 1 einen guten Preis hatten, den wir nun einstweilen verspielt haben. Kunden Russlands gibt es woanders auch und Zuverlässigere dazu. Gerade wurde Sibirien 2 eröffnet, eine Röhrenlinie für Erdgas von derselben Kapazität wie Nordfluss 2, die nur in eine andere Richtung führt. Überhaupt verursacht, allgemeiner ausgedrückt, die zunehmende Ersetzung der Verkehrswährung im Handel der Nationen hierzulande die Inflation, wie überhaupt die weltweiten Handelsströme zur Disposition stehen und sowohl ihr Umfang als auch ihr Preis neu ausgehandelt werden. Der Wert unseres Geldes – sowohl Euro wie Dollar – entsprang der in der Konkurrenz herausragenden Produktivität unserer Arbeit. Man bekam dadurch billige Produkte aus der ganzen Welt. Aber diese Produktivität ist zweifelhaft geworden; lange schon sind ist China und andere Nationen die Werkbank der Welt. Der bleibende Wert unseres Geldes dürfte sich zu einem guten Anteil aus dessen vergangener Blüte und bislang auch militärisch verteidigter Alternativlosigkeit ergeben und daher bekamen wir eine gute Weile lang weiter billige Produkte aus der ganzen Welt. Die in unseren Breitengraden oft verwundert festgestellte Abkopplung des recht konstanten Geldwertes von der stetig aufgeblähten Geldmenge hat hier ihren Grund. In Zukunft hat sich der Wert unseres Geldes aber an der tatsächlich vergegenständlichten Arbeit zu messen, also an den Produkten, die durch die im kapitalistischen Sinne produktive Arbeit erzeugt werden. Die Währung wird entsprechend abgewertet werden, egal ob etwa der Euro durch eine neue Währung ersetzt wird oder ob er uns als erneuertes, digitales Zentralbankgeld erhalten bleibt. Inflation ist nur ein anderer Name dieser Abwertung.
Ein Wort für Habeck
Diese notwendig und selbstredend nicht nur für Deutschland krisenhafte Neubewertung und Neuorganisation der Weltwirtschaft ist das Wesen aller gegenwärtigen Konflikte. Vor diesem Hintergrund muss man etwa die viel verspottete Aussage des gebeutelten Wirtschaftsministers Robert Habeck interpretieren, der nicht an eine Insolvenzwelle in Deutschland glaubt: „Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren.“ Bestimmte Branchen ist der Schlüsselbegriff. Das große Kapital kann sich solche Pausen notfalls erlauben und es wird dafür Staatshilfe geben. Aber auch das konstante Kapital des produzierenden Mittelstands verpufft nicht einfach im Nichts, nur weil die Maschinen eine Weile still stehen. Der einzelne Bäcker mag untergehen, die Bäckereien und Elektroöfen bleiben. Ein Wirtschaftsorakel vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW), Marcel Fratzscher, springt daher dem gebeutelten Wirtschaftsminister bei: „Temporäre Schließungen ohne Insolvenz waren in der Corona-Pandemie für viele Unternehmen in Deutschland die Realität“. Die Königsgrippe als gewaltige Live-Übung für die jetzige Katharsis. Und weiter: „Wenn es zu einer Gasknappheit kommt, dann werden eine Reihe von energieintensiven Unternehmen gezwungen werden, ihre Produktion einzustellen. Dies wird der Staat nur machen können, wenn er die Unternehmen ausreichend kompensiert, so dass diese in Zukunft wieder öffnen können.“
Schluss
Was also sind die Aussichten? Dass sich diese notwendige Verarmung gerade der unteren Klassen und der Schlawiner auch durch gegebenenfalls begrenzte Katastrophen Bahn bricht, ist wahrscheinlich, zumal durch solche allerlei Staatsaktionen rechtfertigt werden können. Aber umgekehrt darf der permanente und spektakuläre Katastrophismus nicht von der geordnet verlaufenden und schrittweise vollzogenen Senkung unseres Lebensstandards ablenken, die dann plötzlich akzeptabel erscheint, nur weil der große Knall wie üblich ausgeblieben ist. Gerade der Katastrophismus verdoppelt die Ohnmacht und erzeugt die Lähmung, die unsere Herren brauchen, um uns gefügig zu machen. Und die Fügsamkeit der Untertanen ist für die Herausbildung der neuen Weltordnung weltweit das Alpha und Omega. Ob diese Weltordnung unter dem Label Green Deal oder Great Reset abläuft, oder ob sich irgendeine nationalliberale oder nationalkonservative Kraft durchsetzt, etwa unter dem Label We the People oder Great Awakening, ist demgegenüber absolut zweitrangig. Das ist eher eine zeitliche Abfolge als eine Konkurrenz. Interessanter wäre, wenn sich die unteren, früher Arbeiter genannten Schichten ein wenig bewegen würden, die häufig völlig unproduktive Jobs erledigen und wenig Illusionen haben. Man soll nicht vergessen, dass sich der während der ersten Phase der Operation Multipolar propagierte Hausarrest in diesen Kreisen nie ideologisch festsetzte. Die Passivität der Subalternen ist weniger der Coronoia geschuldet, die den Mittelstand umtreibt, als der allgemeinen politischen Lethargie und dem vollständigen Mangel an einer die bloße Wirklichkeit transzendierenden Idee. „Mut und Tapferkeit angesichts des großen und unwiderruflichen Verlustes“ der alten Welt können aber nur dann entstehen, wenn sie von erhabenen Ideen getrieben werden, die nicht an der verrinnenden Vergangenheit kleben, sondern in die Zukunft weisen.
20. September 2022
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