Verklemmte Jungs: We’re going to fight, for our right………………
Mail an die Antideutschen Kommunisten, nach einem Flugblatt über eine Auflösung einer Party durch die Polizei.
In Berlin ist in der letzten Woche etwas passiert, was selbst in Wanne-Eickel dann und wann mal vorkommen soll: Eine private Party wurde von der Polizei aufgelöst, weil sich Nachbarn über den Lärm beschwert haben. Die übliche Gemengelage: besoffene Partybesucher, Krawall im Treppenhaus, genervte Bullen, Festnahmen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, neugierige Gaffer auf den Balkonen, heldenhafte vergebliche Versuche zur Gefangenenbefreiung auf der Straße und ein Brummschädel am nächsten Morgen. Jeder einigermaßen lebendige 23jährige Jungdeutsche hat so was schon ein paar Mal mitgemacht, es gehört einfach zur Sozialisationsgeschichte dazu und hindert niemanden daran, der nächsten lautstarken Party gelassen und freudvoll entgegenzublicken.
Ganz anders in Berlin: Hier wurde die ausdrücklich „nicht ausgelassene“ Fete nämlich von einigen Jungs organisiert, die sich aus unerfindlichen Gründen „Antideutsche Berliner Kommunisten“ nennen und für die die nächtliche Störaktion der Berliner Polizei ein Erweckungserlebnis besonderer Art gewesen sein muss. Statt nämlich am nächsten Morgen ein paar Alka Seltzer einzuschmeißen, die Wohnung aufzuräumen und starken Kaffee zu trinken, haben sie sich an ihren Rechner gesetzt, um der geneigten Öffentlichkeit mitzuteilen, dass sie in jener durchzechten Nacht „an die Grenzen der herrschenden Raumzeitordnung gestoßen“ seien. Ihre plötzliche und erstmalige Konfrontation mit „dem konkreten Ausdruck abstrakter Herrschaft“ (damit ist die Polizei gemeint) muss schockartige Bewusstseinsveränderungen bei den beteiligten Jungs ausgelöst haben, kommen sie doch zu der Erkenntnis, dass man selbst im geheiligten „Privatresiduum“ nicht über die Freiheit verfügt, von den „mit der Durchführung der Organisation des Alltags“ betrauten Personen (damit sind wieder die Bullen gemeint) unbelästigt zu bleiben. So bleibt ihnen nichts anderes, als ihren adornoesk aufgeladenen Sprachbaukasten zu aktivieren, ihr bisher gelebtes „private Leben“ bedauernd nicht mehr dem „Reich der Freiheit“ zuzuordnen und einer „tiefen Erfahrung der Leere“ sowie „abhanden gekommener Lebensenergie“ Raum zu lassen.
Und dass alles wegen ein paar Bullen, die die Musik leiser drehen wollten.
Tja, so was kommt von so was. Aber Ersterfahrungen sind ja manchmal auch was wert – wer weiß denn, ob die Jungs von den „Antideutschen Kommunisten“ nicht irgendwann mal etwas ganz praktisch nachholen, was ihren noch nicht scheintoten Altersgenossen zum selbstverständlichen Bestandteil „gelebten Lebens“ geworden ist: Rausch, Aggression, Sex, Pogo, Widerstand, lebendige Reflexion und Knüppel aus dem Sack. Nur: Solange man sein eigenes besoffenes Gelalle auf einer Fete tags drauf als die „Äußerungen angetrunkenen Lebens“ (was für ein Genitiv!) klassifiziert, ist Rettung nicht in Sicht.
Eine kleine Geschichte noch zum Schluss: In unserem Nachbarhaus wohnt ein unangenehmer, ständig besoffener Zeitgenosse, dem es in der letzten Zeit beliebt, seine Boxen zu nächtlicher Stunde ins geöffnete Fenster zu stellen und uns mit seiner Sammlung von ABBA-Songs zu beschallen. Unser Ruhe- und Schlafbedürfnis, auch das unserer Kinder und Hunde war manifest gestört. Nachdem gütliches Zureden bei diesem besoffenen Ekel nur mit unflätigem Gelalle beantwortet wurde, haben wir uns mit der „Durchführung der Organisation des Alltags“ selbst beauftragt. Unsere Mittel waren: ein wenig Mut, ein Kuhfuß (sehr praktisches Werkzeug zum Aufhebeln verschlossener Türen) und zwei handelsübliche Taschenmesser zum Durchtrennen von Boxenkabeln. Den „konkreten Ausdruck abstrakter Herrschaft“ (also die Bullen) haben wir nicht benötigt: So was wird von unserer WG ganz autonom erledigt, ohne dass sich danach eine „tiefe Erfahrung der Leere“ auftut. Der besoffene ABBA-Fan hat sich übrigens am nächsten Morgen bei uns entschuldigt und ist mit seinem Frühstücksbier aus unserem Kühlschrank befriedigt abgezogen.
Bleibt nur noch die eine Frage an die „Berliner Genossen“ : Wie haben diese vollständig unerotischen, in einem toten Sprachduktus befangenen, vom prallen gesellschaftlichen Leben getrennten Jungs es geschafft, das eine oder andere Mädel zum Besuch ihrer „Fete“ zu nötigen? Junge Frauen haben nämlich meistens keinen Bock (und haben es um Übrigen auch nicht nötig), sich auf ausdrücklich „nicht ausgelassenen“ Feten im Wesentlichen von verklemmten Sprechautomaten volltexten zu lassen. Kann jemand zur Aufklärung beitragen????
Also: Grüße an Friedrich den Letzthinnigen und Welchletzteren und viel Erfolg bei der weiteren Produktion von Texten aus der Serie „Mama, die Bullen ham uns den Ball jeklaut“.
R. Grunwaldt
(Mitglied der interkulturellen Spielgruppe RANTANPLAN aus Hamburg-Altona)