Flugschrift
Sie beten, singen und planen den Sturz der Bundesregierung
Einige besondere Arschlöcher drangsalieren in letzter Zeit das Café Mandelzweig im Wedding. Im Internet gibt es teils mit Namen versehene Portraitfotos von Betreibern, Gästen und Unterstützern dieses Ladens, eine Art digitaler Pranger. Das Schema ist alt und schlicht:. Es gibt den guten Kiez, nämlich „unsern Kiez“, aber dann wird derselbe verpestet, von mehr oder weniger zwielichten Gestalten. Die sind heuer im Zweifel immer Rechts und irgendwie auch wie Hitler, in unserem Fall aber Christen. Evangelische Christen. Christen im Widerstand. Sie müssen daher raus aus dem Kiez, damit dieser in seiner Reinheit erhalten bleibt. Also gab es jüngst eine Kundgebung vor dem Laden der Christen und auf dieser redeten echte Kiezbewohner, berichteten von „ihren Erfahrungen mit den teilweise aggressiven Besuchern des Café Mandelzweig“. Hören wir zu, was das Café verbrochen hat:
„Dort treffen sich seit Pandemiebeginn teilweise jeden Abend kleine bis große Gruppen von Menschen und“, man höre und staune, „planen den Sturz der Bundesregierung.“ Zum Glück haben unsere guten Kiezbewohner ein wachsames Auge: „Die Zusammenkünfte finden von Beginn an ohne Masken und Abstände statt. Mit 30 bis 40 Leuten sangen sie bei geschlossenen Fenstern und Rollläden ihre Lieder“. Heiliger Geist! Fast wie die Arbeiter in ihren illegalen Gesangsvereinen unter Kanzler Bismarck… „Während der Ausgangsbeschränkungen waren dabei die Jalousien des Ladenlokals sowie der Haupteingang von der Straße aus geschlossen“. Am Ende wollten sich diese Christen vor den Blicken irgendwelcher Blockwarte verbergen wie einst die Urchristen vor den Römern? Bekanntlich waren Versammlungen allgemein verboten. Jedenfalls „strömten die Querdenkenden übers Vorderhaus in das Café. Gruppen von bis zu zehn Personen hielten sich dann, auf dem Höhepunkt der Pandemie, ohne Masken und Abstände im Vorderhaus auf, bevor sie ins Café eingelassen wurden. Gelegentlich wurden Innenhof und Treppenhäuser für Aufenthalte genutzt, beispielsweise, wenn sich die Querdenker vor polizeilichen Durchsuchungen versteckten.“ Und wenn die von den Polizisten verfolgten Christen dann da so im Treppenflur standen, dann war es für staatsbürgerliche Menschen, „die sich an die geltenden Regeln und Gesetze halten“, gefährlich, „denn für die Bewohner waren es bedrohliche Spießroutenläufe, sich, selbst eine Maske tragend, durch diese im Hausflur stehenden Menschengruppen und ihre vorwurfsvollen Blicke und Sprüche hindurchzuschieben, um zur eigenen Wohnungen zu gelangen.“ Überall waren Aerosole; der Tod hing in der Luft, ob der „sich im Treppenhaus in einem großen Pulk aufhaltenden Virenschleudern“. Der Mensch ist solchen Petzen ein Virus.
Es kommt dann noch schlimmer mit den Christen. Nicht nur gesungen, geatmet und vor der Polizei versteckt haben sich diese zweibeinigen Bazillen, sondern „gelegentlich beherbergt das Café dann auch die Gäste der Anti-Corona-, Anti-Test- und Anti-Impf-Krawalle“, wie der gesetzestreue Bürger die harmlosen Umzüge der Maßnahmenkritiker nennt. „Zum Beispiel während in Berlin die Hotels noch geschlossen waren. 8000 Menschen waren an diesem Tag durch Berlin gezogen, ohne Masken, nur in ihre riesigen Egos gekleidet“. Und obwohl man damals in Berlin keine Gäste empfing, haben im Mandelzweig einfach so „massenhaft Leute in Jugendherbergs-Atmosphäre übernachtet“. Polizei! Rette sich wer kann, Angriff der Killeregos.
Aber auch das ist noch nicht alles! Es gibt da noch die christliche Gegeninformationskampagne, denn die Leute vom Café Mandelzweig haben es gewagt, eine eigen Aufklärungsbroschüre über mRNA- und andere Injektionen zu erstellen, zu drucken und zu verbreiten. Sie wagten es „hundertausenden Lügenbroschüren an kleine Omis nach Hinterschweinfurt zu schicken, damit diese sie ihren Nachbarinnen im Plattenbau zeigen können, weil die so schön glänzen und seriös aussehen. Und die Nachbarin im Plattenbau kennt die kleine Omi schon so lange, nimmt den Schwindel arglos an und verbreitet ihn weiter.“ Uff. Exponentielle Agitation! Ist das noch Demokratie? Die Staatspropaganda schießt aus allen Kanälen und diese Christen haben nichts besseres zu tun, als unsere kleinen Omis bzw. „unsere Gesellschaft mit ihren Lügen zu verpesten“? Also klarer Fall: „Es stört uns, dass diese Leute sich in unserem Kiez so sicher fühlen. Weg mit dem Café Mandelzweig!“
Wie soll man das kommentieren? Es verschlägt einen bei solcher Niedertracht die Sprache. Aber nichts neues unter dem Himmel, also ein Zitat aus einem Flugblatt der Antideutschen Kommunisten Berlin aus dem Jahr 2000, demselben Jahr in dem der damalige Kanzler Schröder den „Aufstand der Anständigen“ verkündete: „Bewährte Methode, um auf letztlich naheliegende Kritik an der Gesellschaft zu Verzichten, ist für den Bürger, diese als völlig intakt zu setzen und alle vermeintlichen oder wirklichen Ungereimtheiten wahnhaft nach außen zu projizieren. Das selbst schon völlig groteske Wunsch- und Idealbild einer heilen Welt kommt nach dieser Ideologie nur deshalb nicht zustande, weil ständig Fremdgruppen die traute Gemeinschaft der Guten stören. Ob diese Fremdgruppe nun Vergewaltiger, Serben, Politiker, Bonzen, Migranten, Scientologen, Juden oder eben aktuell die Skinheads sind, ist von der Denkform kein Unterschied.“
5.11.2021