Kleine Rechtsgeschichte für Spätgeborene (23. März ff.)
Viele Menschen, insbesondere Medienschaffende, kamen erst am oder nach dem 23. März 2020 auf die Welt. Für sie ist eine „Kontaktsperre“ und „Ausgangsbeschränkung“ die normalste und selbstverständlichste Sache auf der Welt, denn sie sind ja mit ihr aufgewachsen. Eine Ausgangssperre? Was ist das, Boomer? „Es gibt in Deutschland keine Ausgangssperren“, hört man immer wieder – gerade auch aus den öffentlich-rechtlichen Medien jener sechs Bundesländer Bayern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland, in denen die gesamte Bevölkerung seit dem 23. März 2020 nur noch unter staatlich überwachtem Vorbehalt ihre Wohnungen verlassen, bzw. den öffentlichen Raum betreten darf.
Contre le dictat de la peur
Déclaration de médecins au sujet de la crise du coronavirus
Le texte ci-dessous est la traduction d’une déclaration écrite par un collectif de médecins et soignants berlinois, praxiskollektiv reiche 121, publiée sur leur site internet en mars 2020 (dernière actualisation le 31/03/2020): https://www.praxiskollektiv.de/aufruf-gegen-die-angst Leur site donne également les références de plusieurs professionnels de la santé et scientifiques qui estiment différemment voire de manière opposée la situation actuelle, en comparaison du «worst-case-scenario», nourri par «la rhétorique de la guerre, la submersion de la population avec des chiffres épidémiologiques, qui sans comparaison avec les chiffres de la «situation normale» ont justement tendance à produire des visions apocalyptiques et surtout ceci: la propagation de la peur et de la panique».
Gegen das Diktat der Angst
Erklärung Eurer Hausarztpraxis zur Coronakrise
Das Praxiskollektiv in der Reichenberger Strasse 121 hat eine Sonderseite zum Coronavirus eingerichtet. Dort findet man auch Links zur im weiteren Sinne liberalen Opposition innerhalb des medizinischen Sektors. Nämlich unter anderen Wolfgang Wodarg, Prof. Sucharit Bhakdi, Prof. Ioannidis, Prof. Mölling, Prof. Streeck und Prof. Dr. Stefan Hockertz. Dazu ein sogenannter Risikoforscher, Prof. Gerd Gigerenzer, zwei Wirtschaftsprofessoren, Prof. Margit Osterloh und Bruno S. Frey, sowie den Statistikprofessor Gerd Bosbach.
Außerdem hat dieses Kollektiv eine gute Erklärung abgegeben. Verantwortungsbewußt. Lest und verbreitet sie.
» Tote Autoren
Shakespeares Cäsar über Todesangst
»Der Feige stirbt schon vielmal, eh’ er stirbt,
Die Tapfern kosten einmal nur den Tod.
Von allen Wundern, die ich je gehört,
Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten,
Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller,
Kommt, wann er kommen soll.«
William Shakespeare: Julius Cäsar
Ausschnitte aus Überwachen und Strafen von Foucault – 1975
Nach einem Reglement vom Ende des 17. Jahrhunderts mussten folgende Maßnahmen ergriffen werden, wenn sich die Pest in einer Stadt ankündigte. Vor allem ein rigoroses Parzellieren des Raumes: Schließung der Stadt und des dazugehörigen Territoriums; Verbot des Verlassens unter Androhung des Todes; Tötung aller herumlaufenden Tiere; Aufteilung der Stadt in verschiedene Viertel […] Der Raum erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung.
Peter Hacks: Über Corona
»Ich bringe noch das Beispiel des Corona-Virus bei. Da sind Leute, die vorgeben, im Zeitalter von Corona anders schreiben zu müssen als in präpandemischen Zeitaltern. Warum bloß? Daß, was sie mit dem Coronavirus meinen, in Wirklichkeit eine gesellschaftliche Sache ist, zeigt das unterschiedliche Verhalten von Ost- und Westdeutschen dem Coronavirus gegenüber. Hier in der DDR geht das Interesse an Corona über das Interesse jedes denkenden politischen Menschen an der Frage von Kapital und Arbeit nicht hinaus. Hier geht kein Mensch mit Corona zu Bett. Hier sagt kein Mensch, wenn er sich einen Schrank kauft: ›bald kommt sowieso das Virus, ich nehme den billigeren‹. Aber das ist eine typische Haltung eines Bürgers der Bundesrepublik. Für die Westmenschen ist Corona ein Symbol, an dem sie ihre gesellschaftlich verursachte Angst und Unsicherheit aufhängen. Das Coronavirus ist das Unvorhersagbare, Schlimme, also das, was jedes Mitglied einer anarchischen, krisengeschüttelten Gesellschaft stündlich erwartet; nun endlich haben sie für dieses unerklärliche Grundgefühl einen faßbaren Anlaß, einen Fetisch. Die Angst kristallisiert sich an Corona; das Virus ist nicht Ursache der Angst. Die Angst ist ja viel älter. Die Angst interessiert die Kunst sehr, Corona überhaupt nicht.«
Peter Hacks: Literatur im Zeitalter der Wissenschaften (das Wort »Atombombe« durch »Corona« ausgetauscht, genommen von Lyzis Welt)
KNUTSCHT WEITER!
NACH RONALD M. SCHERNIKAU
Im Jahr 1984 hatte der schwule Kommunist und Dichter Ronald M. Schernikau einen Text veröffentlicht, der auf die Panik vor dem Horrorvirus seiner Zeit reagierte: HIV. »Fickt weiter!« empfahl er seinen Mitmenschen – entgegen der allgemeinen Stimmung. Nun gibt es wieder ein vermeintliches Horrorvirus und eine in keinem Verhältnis stehende Panik, die den Ausnahmezustand der Regierungen zu legitimieren hilft. Weil unsere Zeiten weitaus prüder sind als die Schernikaus, tritt das Knutschen an die Stelle des Fickens. Von beiden rät die Regierung einer der modernsten Städte der Welt mit dem Hinweis auf den medizinischen Nutzen der Masturbation inzwischen ab. Allerorten wird die soziale Distanz geübt. Kommunisten werden mehr und mehr gemieden wie eine ansteckende Krankheit, insbesondere auch in linken Kreisen. Die eigene Meinung ins Internet zu schreiben, dürfte alsbald für gesünder erklärt werden als politische Versammlungen. Wer aber das bessere Leben will, wird es auch riskieren müssen. Die Verführung der Macht liegt darin, eine Existenz ohne Risiko zu versprechen, die folgerichtig auf das Opfer hinausläuft. Die Entscheidung über Leben und Tod wird an die Verfügenden delegiert, die das Leben selbst kassieren. So verlieren wir die Vorstellung, dass es noch etwas zu gewinnen gäbe. Und dann haben wir alles verloren.
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