Über die Rolle der USA in der gegenwärtigen Weltsituation
Redebeitrag, gehalten auf einer Antifaschistischen Demonstration in Dortmund im Oktober 2002
Sehr geehrte Genossinnen und Genossen,
die deutsche Wiedervereinigung steht für eine katastrophale Wendung in der Geschichte. Die große Oktoberrevolution wurde rückgängig gemacht, sie scheiterte nach 80 schweren Jahren, innerhalb derer sie mit den Folgen des ersten Weltkrieges, der Intervention der Entente und der zaristischen Konterrevolution genauso fertig werden mußte, wie mit dem Vernichtungskrieg des überlegenen Deutschland und der atomaren Drohung der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Zusammenbruch der alten zweigeteilten Welt hat Folgen, die wenn überhaupt, so erst langsam ins Bewußtsein Einiger gelangen. Waren die Vereinigten Staaten bis 1989 eine aggressive gegenrevolutionäre Macht, die überall dort faschistische und reaktionäre Truppen unterstützen oder aufbauten, wo sich wenigstens der Schein von menschlicher Emanzipation regte, so änderte sich dies beinahe über Nacht, mit dem Fall des roten Widerparts, ganz einfach deswegen, weil seither die Feinde der USA noch fürchterlicher sind, als der Weltpolizist selbst.
Unter Deutschlands Vorherrschaft bildet sich seither ein Machtblock, dessen neues Geld mit dem Dollar konkurriert und dessen Truppen schon bald in aller Welt Unheil anrichten sollen. Dieses neue Europa verbündet sich mit allen Kräften in der Peripherie, die der alten Hegemonialmacht Pest und Cholera an den Hals wünschen, seien es Staaten wie der Iran und der Irak oder Bewegungen, wie die PLO oder die UCK. Nachdem die Dritte Welt – in Zeiten, als man sich zumindest Illusionen um den progressiven Charakter ihrer revolutionären Bewegungen hat machen können – vom westlichen Proletariat schändlich im Stich gelassen wurde, paktieren heute gerade die linken Regierungen in Europa mit den inzwischen notwendig reaktionär gewordenen Kräften. Es bildet sich eine faschistische Internationale, mit den United Nations als Sprachrohr. Einigendes Band ist der Haß auf Israel und dessen Garantiemacht USA, wie bei der antisemitischen Konferenz der United Nations in Durban unheilvoll demonstriert wurde. Sollte sich diese Allianz in der Welt durchsetzen, so droht ein Schrecken, gegen den alle amerikanischen Greuel harmlos erscheinen. Man erinnere sich, was Islamisten in Algerien angerichtet haben, wo sie zwar nicht die Staatsmacht besitzen, aber trotzdem schon mal losmetzelten. Man schaue nach Afghanistan, dessen Probleme alles andere als gelöst sind, wenn auch die USA wenigstens die schlimmste Bande abgesetzt hat und der Brot-und-Spiele-Komplex wieder erlaubt wurde.
Obwohl man sich keineswegs auf die USA verlassen sollte, sind sie in der aktuellen Weltlage ein konservierendes Moment. Ihre immer wieder angefeindete neue Weltordnung ist der verzweifelte Versuch die alte Hegemonie aufrechtzuerhalten, und dies in Zeiten, in denen sich zahlreiche Länder um Atombomben und andere Vernichtungsmittel kümmern. Das Massaker in New York City zeigte, was schon kleine Gruppen anstellen können. – Nicht auszudenken, was passiert, wenn der Irak tatsächlich die Fähigkeiten erlangt, Tel Aviv zu eliminieren. Daß die kriminelle Energie des Diktators Hussein hinreicht, könnte jeder wissen. Wer Familien von Selbstmordattentätern eine Rente zahlt, ist zu allem fähig.
Vor diesem Hintergrund ist die antiamerikanische Hetze zu betrachten, die Friedenskanzler Schröder anführt. Was in den 80ern die Friedensbewegung – von den Konservativen unwidersprochen – ideologisch vorbereitete, ist nun die Politik des Staates, samt seiner basisdemokratischen Anhängsel, wie Attac oder den Ökoverbänden. Drei aktuelle Anlässe für das moralverseuchte Gezeter der sich dumm und naiv stellenden Europäer, sind der Internationale Gerichtshof, der ökologische Gipfel in Johannesburg und am wichtigsten, der angekündigte Krieg gegen den Irak.
Das internationale Tribunal wird völlig zurecht von den USA und Israel abgelehnt. Jeder weiß, daß diese Länder die Hauptbetroffenen einer internationalen Gerichtsbarkeit wären. Aller Unfug, daß die USA sich – wie einst im wilden Westen – keinem Recht beugen wolle, ist Propaganda für die antiamerikanische Internationale. Ebenso die Einheitsfront von Bundeskanzler und Umweltverbänden in Johannesburg, wo einmal mehr die USA als Weltverpester an den Pranger gestellt wurden, oder die Wurzelbewegung in Porte Alegre, die ganz unschuldig im Nazichargon daherschwätzt, daß Amerika und die gierigen Spekulanten den Völkern den Lebensraum rauben.
Jetzt, da die US-Armee endlich verspricht, den irakischen Diktator durch einen proamerikanischen zu ersetzen, verwandelt sich der Antiamerikanismus in Deutschland, wie schon 1991, in profaschistische Manifestationen, den Antisemitismus notwendig und wesentlich beinhaltend. Mutig sagt Schröder nein zum US-Imperialismus. Die Justizministerin Gmelin projeziert, Bush sei wie Hitler. – Als ob sich nicht gerade Schröder als Führer der Volksgemeinschaft gefiel, als alle freiwillig zur konzertierten Aktion schritten, weil ein Fluß über die Ufer trat. Lackaffe Scharping, der mittlerweile durch einen fähigeren Mann ersetzt wurde, faselt von der jüdischen Weltverschwörung: die zionistische Lobby treibe die USA zum Krieg. Die Opposition knickt ein, selbst Stoiber sagt jetzt, man dürfe Hussein nicht einfach absetzen. Kein Wunder, daß der Vertreter des Irak in Berlin über den Widerstand und den fairen Standpunkt Deutschlands frohlockt. Deutschland ist des Diktators liebste europäische Macht. Eine traditionelle Freundschaft, die zur Achse Berlin-Bagdad unter Hitler zurück reicht, die man mit fug und recht die Achse des Friedens nennen kann, die so manch ein Gutmensch heute wieder fordert. Der inoffizielle Staatsbesuch des Jörg Haider bei Hussein war tatsächlich avantgardistisch, was damals schon kaum einen Skandal wert war, macht heute Schröder.
Greifen die USA an, so rotten sich die Deutschen sicher wieder friedfertig zusammen und rufen die Naziparole „Kein Blut für Öl“. Dagegen ist zu sagen, daß es für die Welt von Vorteil ist, wenn sich die US-Firmen das Ölmonopol sichern. Längst haben europäische und russische Konzerne die Vorverträge mit dem Irak ausgehandelt, auf daß das US-Monopol falle, sobald das schon jetzt häufig umgangene Embargo ausläuft. Der Krieg gegen den Irak hat also nicht nur den Vorteil, daß Israel einen erbitterten Feind weniger hat, die Palästinenser einen autoritären Führer verlieren und die irakische Bevölkerung eine netteres Regime bekommt, das hoffentlich kein Giftgas gegen Kurden einsetzen oder Prostituierte in Massen hinrichten wird. Außer diesen zu erwartenden Effekten eines sicherlich äußerst grausamen Schlages des US-Militärapparates gegen den Irak, wäre durch einen Sieg der USA tatsächlich deren Hegemonie gefestigt, und dies ist aktuell das Beste, was die Welt sich wünschen kann. Nicht nur das Öl bliebe dann hoffentlich in den Händen der US-Trusts, die amerikanische Nahostpolitik verhinderte so, wenn auch auf brutale Weise, daß eine antisemitische Regionalmacht im nahen Osten entsteht, die die Kraft haben könnte, die arabische Welt gegen Israel zu vereinigen. Gerade Kommunisten sollten – wenn sie schon nicht aktiv ins Weltgeschehen eingreifen können – hoffen, daß der Krieg der USA einen besseren Ausgang findet, als der 1991 und nicht in falscher Kriegsgegnerschaft und gefährlichem Fatalismus den aggressiven deutschen Weg unterstützen. Wenn schon der Kapitalismus in der ganzen Welt kriselt und ganze Weltteile zusammenbrechen, so könnte es der Menschheit wenigstens eine Atempause verschaffen, wenn die USA die Kräfte aufhält, die auf die Krise ganz nach dem deutschem Vorbild reagieren.
Solche Atempausen hat gerade die Linke nötig, die sich momentan um ihre Aufgaben wenig kümmert, die nach wie vor darin bestehen, die falsch eingerichtete Welt zu denunzieren und die Aneignung der Produktionsmittel propagandistisch und praktisch vorzubereiten. Solchen Aufgaben kann eine Linke nicht meistern, die nicht einmal an die Opfer der faschistischen Internationale keinen Gedanken verschwendet. Weil die amerikanische Hegemonie, sollte sie sich halten, nur gegen die aktuell möglichen Alternativen freundlich erscheint, und es außerdem unwahrscheinlich ist, daß Israel und die USA sich des Ansturms der sich gegen sie verschwörenden Welt auf lange Sicht erwehren können, sollten Kommunisten die Zeit nutzen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man wenigstens anfangen würde, sich die kritische Theorie von Karl Marx bis Theodor Adorno in revolutionärer Absicht anzueignen und sie zu verbreitern. Wenn uns schon alle Bataillone fehlen, so sollten wir wenigstens die Wahrheit auf unserer Seite haben; hinter den durchaus real versteinerten Verhältnissen, die in Deutschland als mit sich selbst identische Volksgemeinschaft erscheinen, wäre die Klassenherrschaft dechiffrierbar zu machen, die radikal verdrängt wird und gerade deshalb die Lebensäußerung der Einzelnen bis ins Detail grausam entstellt. Nur, wenn die Bewohner dieses Erdballs ihre reale Ohnmacht, ihr reales Unglück an sich heran lassen und die Bewegungsgesetze erkennen, die sie determinieren, wird Praxis nicht einzig zur krankhaften Verschiebungsleistung. Weil aber den Bildzeitungslesern nicht ernsthaft Vorwürfe zu machen sind, wenn noch nicht einmal die postmoderne linke Intelligenz, denkfaul wie sie heute ist, einen vernünftigen Gedanken herausbringt, so wäre die unmittelbare Aufgabe von Kommunisten, sich ein paar Selbstverständlichkeiten anzueignen, so daß sie den geknechteten und oft scheußlichen Massen ein wenig mehr zu sagen haben, als die abgeschmackten Phrasen, die heute so ziemlich alle Flugblätter der verfeindeten Fraktionen füllen. Mag sein, daß der besessene Mob auch mit vernünftigen Worten nicht erreichbar ist; einen Versuch wäre es allemal wert.