Solidarität ist eine Flamme
Solidarität ist eine Flamme, die nicht gelöscht werden kann.
Aus einem Plakataufruf zur Unterstützung des griechischen Aufstands
An einem elenden Winterabend, der festgezurrt war mit dem Stacheldraht aus Routine und Verpflichtungen, wurde mir klar, daß mir, würde ich es nur zulassen, frei stünde zu tun, was immer ich wollte. Das war selbstredend nicht das erste Mal, daß ich diesen Gedanken hatte, aber es ist eine Erkenntnis, die schwer an der Verantwortung zu tragen hat, von der sie begleitet wird: Sie versinkt wie ein Stein zwischen all den leeren Interaktionen, die unsere Welt bevölkern, und wir müssen uns immer wieder nach ihr strecken und sie nach oben zurückholen.
An diesem Abend wollte ich zurück nach Griechenland gehen. Ich hatte es satt, mich nur von den kleinen Lebenszeichen zu nähren, die unser Traum in diesen unwirtlichen Umständen von sich gibt, oder von den dramatischeren Zeichen von überall sonst her, zu finden im Internet.
Aber ich wollte nicht nur nach Griechenland, um mich selbst wieder aufzurappeln, so wichtig das auch war. Was hätte ich davon, wenn ich meine eigene Inspiration wieder auffrischen würde, während meine Freunde weiter langsam verhärteten? Wenn manche von ihnen den Aufstand in Griechenland erwähnten, nicht um daraus Hoffnung und strategische Lektionen zu beziehen, sondern um sich zu beweisen, daß der Kampf nur an einem fernen Ort möglich ist? Oder, noch schlimmer, wenn manche von ihnen sagten, der Kampf in Griechenland sei genauso zum Untergang verurteilt wie überall sonst, und dazu die Tatsache anführten, daß die Feuer nach Weihnachten erloschen?
Doch in ihren kryptischen E-Mails bestanden die griechischen Genossen darauf, daß, wenngleich die Feuer erloschen waren, keineswegs Normalität eingekehrt sei. Mir wurde klar, daß wir als Anarchisten uns stark auf die seltsame Alchemie konzentrieren, die sich in einem Aufstand plötzlich entlädt, daß wir nach dem Aufstand lechzen, daß wir aber fast nichts darüber wissen, was danach kommt. Liegt es daran, daß wir im Warten auf eine niemals endende Revolte gefangen sind, oder fürchten wir die Forderungen, die die Revolution an uns stellen wird, wenn wir erst einmal alles niedergebrannt haben? Und was passiert, wenn die wütenden Menschenmengen des Aufstands verschwinden?
Ich fühlte das Bedürfnis, nach Griechenland zu gehen, mit den Menschen dort zu reden, herauszufinden, was geschah und warum, und diese Geschichten mit soviel vom Rest der Welt wie möglich zu teilen. Also wandte ich mich mit meinem Vorhaben an meine dortigen Freunde, die antworteten mit eigenen Ideen, und ich versuchte herauszufinden, wie zur Hölle ich ohne Geld dorthin gelangen könnte, als Arbeitsloser seit Monaten, auch ein Opfer der Krise.
Plötzlich war die winterliche Dunkelheit nur noch eine Hülle für die Glut, die wieder Flammen schlagen könnte. Die Verpflichtungen und Routinen, die meine Zukunft gefangenzuhalten schienen, flatterten davon wie Papier.
Alles ist wieder möglich. Der Kampf heißt uns wieder ekstatisch willkommen.
A.G. Schwarz