Eric Ostrich
Trotzige Randbemerkungen zu relevantem Kleinkram
Vor etwa zehn Jahren haben ein paar Leutchen bezeichnenderweise eine Dummheit begangen, die sie nun einholt: Sie haben die Linken Buchtage gegründet. Sie hätten auch die radikal-emanzipatorischen, kommunistischen, anarchistischen, anarchokommunistischen, freiheitlichen etc. pp. Buchtage begründen können. Aber das wollten sie nicht. Statt ein möglichst genau definiertes revolutionäres Projekt zu starten, zogen sie es vor, auf den Trümmern der Geschichte ein dem Pluralismus verschriebenes Unternehmen zu beginnen, vermutlich in der Hoffnung, daß daraus etwas entstehen könne, das die Welt in angenehme Unruhe versetze.
Nun, Unruhe gibt es jetzt um die Linken Buchtage, allerdings keine angenehme: Ein recht junger Verlag aus Hamburg, der sich Laika nennt und ebenfalls ein linkes, pluralistisches Unternehmen sein will – im Unterschied zu den Buchtagen allerdings links sein will nicht aus Unsicherheit, sondern mit großer Entschlossenheit –, wittert, daß sich anhand der Buchtage ein möglicherweise rentabler Streit um den Begriff links führen läßt. So ergreift Laika mit Feuereifer die Gelegenheit, zu einem Boykott der diesjährigen Linken Buchtage aufzurufen, weil deren Organisatoren sich wegen eines bei dem Hamburger Verlag erschienenen gräuslich sozialdemokratischen Buchs zum Ressentiment-Trip auf der Mavi Marmara entschieden haben, den Hamburger Verlag wie etliche andere, die sich dem Rubrum links zuordnen, auf diesen Buchtagen nicht einzuladen – in etwa so, wie bei Laika Publikationen aus dem sogenannten antideutschen Spektrum ausgeschlossen werden oder auf der Nürnberger Linken Literaturmesse auf höchst peinliche Weise vor Jahren schon der Freiburger ca-ira-Verlag rausgeschmissen wurde.
Erwartbarer- und bedauerlicherweise hat das Vorgehen des Laika-Verlags schon diverse Erfolge gezeitigt: Einige Verlage sind dem Boykottaufruf gefolgt, andere wie der Ventil- oder der Verbrecher-Verlag ließen die Gelegenheit verstreichen, sich zu diesem Anlaß zu Wort zu melden, Publikationen wie die Jungle World, die angeblich den Linken Buchtagen nahestehen, verzichten auf Berichterstattung, vermutlich aus Furcht, daß man in diesem Streit als pluralistische linke Wochenzeitung nichts gewinnen, sondern es sich nur mit dem einen oder dem anderen Sektor der Leserschaft verscherzen könne. Der Sturm im Wasserglas soll halt möglichst schnell vorüberziehen, damit man wieder zur Tagesordnung übergehen kann.
Insofern muß man es dem Laika-Verlag fast danken, daß er in einer Mischung aus Dreistigkeit, Dummheit und Hybris, die in den beiden Stellungnahmen des Verlags (1, 2) nachzulesen ist, so vehement vorgeprescht ist. Immerhin hat der Verlag damit eine Option aufgeworfen, daß all diese ominösen Linken sich einmal damit auseinandersetzen könnten, welches Ansinnen sie jeweils auf diesem Planeten verfolgen, was – und das rumort in den Mägen und Köpfen – wohl ziemlich schnell zu der Feststellung führen würde, daß den ganzen Haufen tatsächlich nichts zusammenhält außer möglicherweise ein diffuses Befinden, man lebe irgendwie nicht in der besten aller Welten und wolle dies kundtun. Anstatt allerdings diese Auseinandersetzung zu suchen, folgt der Haufen lieber der dummen, vom Laika-Verlag vorgegebenen Linie, es handle sich hier um einen Konflikt zwischen Antideutschen und Linken. (Die umgekehrte Variante – also, daß es eine Auseinandersetzung zwischen Antisemiten und Linken sei – wird zwar den Buchtage-Organisatoren zuweilen zugeschrieben, allerdings haben die für diese Behauptung bisher keinen Anlaß geliefert – was sich beispielsweise leicht ihrer sehr zurückhaltenden und frustriert-verunsicherten Stellungnahme zu dem ganzen Tohuwabohu ablesen läßt.)
So erleben wir nun die x-te Reprise eines aufgeregten Theaters, in dem die Akteure hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind und unbedingt verhindern wollen, die Erkenntnis zuzulassen, daß all ihr bisheriges Treiben kein Beitrag zu dem Unternehmen ist, Verhältnisse herbeizuführen, in denen nicht mehr qua Herrschaft und Ausbeutung die Menschen sich ihr Leben gegenseitig schwer oder kaputt machen. Der Laika-Verlag mag glauben, einen Punktsieg gemacht zu haben – auf einer Public-Relation-Ebene stimmt das wohl sogar. Hat man sich allerdings Grundlegenderes, Ernsteres, Umstürzlerisches in der Welt vorgenommen (wie manche Leute, die im Laika-Verlag publiziert wurden), erkennt man in dem Vorgehen von Laika und in den Reaktionen der anderen Verlage und der diversen linken Publikationen nur die lähmende Reproduktion des Immergleichen.
Zu hoffen ist, daß aus dieser ganzen Farce vielleicht ein paar Individuen die Konsequenz ziehen, alles Mögliche in der Welt begründen zu wollen, nur keine linken Buchtage oder Verlage oder Zeitschriften mehr.
Gastbeitrag auf www.classless.org