Stellungnahme zur Repression gegen den Black-Mosquito-Versand

Bereits vor ein paar Monaten kam es zu einer Hausdurchsuchung des Staatsschutzes beim pluralistisch-anarchistischen Internetversand Black Mosquito. Dieser verschickt auch einige von uns verbreitete Schriften, etwa die Scherbentheorie oder verschieden Übersetzungen von et al. Bei der Razzia wurden u.a. einige Aufkleber beschlagnahmt, die sich eher szene-naiv dem demokratischen Pluralismus, dem staatlichen Gewaltmonopol und dem heiligen Eigentum entgegensetzen. Etwa das altbekannte, sehr empirische, aber dennoch strafbare „A.C.A.B.“, ein Popzitat aus dem Radio: „Follow the cops back home“, die Alltagsbeschreibung: „Heute fahr ich schwarz…“ oder ein trotziges „Halt die Fresse Deutschland“. Jetzt droht ein größeres Verfahren und daher gibt es eine Soli-Seite im Internet, die dazu aufruft, sich durch seine Unterschrift bzw. die Verlinkung des Blogs mit den von der Repression Betroffenen zu solidarisieren.
Wenn Leute ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten ist es für sie sicher nützlich, dass sich möglichst viele Leute öffentlich mit ihnen verbrüdern und auch die inkriminierten Inhalte im Netz oder im wirklichen Leben verbreiten. Je größer der Kreis der Übeltäter und Sympathisanten, desto aufwändiger wird für den Staat die Verfolgung und desto geringer das Risiko für den Einzelnen. Andererseits neigen die Radikalen im Fall von Repression häufig dazu, sich im Widerspruch zu ihren proklamierten Zielen als harmlos und unschuldig darzustellen und zu behaupten, es sei ungerecht, dass der Staat sie verfolge. So wird etwa nach Demos oft behauptet, der Polizeieinsatz sei „unverhältnismäßig“ gewesen, die Demonstranten seien also ganz brav gewesen und deshalb zu unrecht geschlagen worden.
Auch der Solidarisierungsaufruf mit Black Mosquito ist von dieser Selbstverleugnung nicht frei: „Unserer Einschätzung nach geht es nicht um Aufkleber. Wer glaubt schon wirklich, dass zwei Worte auf einem A7 großem Zettel eine_n zu einer ‚Straftat‘ animieren würden?“ Ein Aufkleber allein mag nicht dazu ausreichen, schon gar nicht in dieser befriedeten Situation und auch das Herausgreifen einiger Aufklebermotive ist natürlich willkürlich, zumal der zensierte Versand von den Materialien der Tierbefreier über den antideutschen Mainstreampop von Egotronic, die sozialanarchistische Zeitung Gaidao bis hin zu den Schriften von CrimethInc oder Alfredo Bonanno alles vertreibt, was sich irgendwie antiautoritär gibt. Aber Black Mosquito ist ein anarchistischer Versand und was ist der Anarchismus anderes als das Projekt, möglichst massenhaft und kollektiv zur Übertretung der bürgerlichen Gesetze anzuregen, da es ihm ja schlussendlich um eine komplette Umwälzung der gegenwärtigen Ordnung und Unordnung geht? Und so sehr uns das bürgerliche Recht als Maßstab für gut und böse egal ist, kann man nicht sagen, dass die Anarchisten eigentlich unschuldig sind. Das passt schlecht zu einer Szene, die sonst mit recht markigen Worten ihre Feindschaft gegenüber der herrschenden Ordnung bekundet. Oder realistischer: Das entlarvt einen Teil dieser markigen Sprüche als Posse und Wunschphantasie einer momentan noch ohnmächtigen Opposition. Man macht so im Grunde den Job des Anwalts und bleibt argumentativ im Rahmen der Gesetze, von denen man oft die Buchstaben gegen deren Geist verteidigt. Das mag in einigen Fällen eine gute Taktik zu sein, wenn es zum Rechtsstreit kommt – Die bekannte Illustrierte Titanic entgeht auf diese Weise oft der Zensur ihrer Witze, indem sie Formen findet, die vom Recht unmittelbar nicht als „Beleidigung“, „Aufruf zur Straftaten“ etc. genommen werden können, obwohl durch den Kontext recht klar wird, dass sie es im Grunde sind. So sinnvoll das Beharren darauf, dass man den Buchstaben des Gesetzes nach unschuldig sei, für die Beschuldigten selbst sein kann – Kräfte, die das Rechtsverfahren nicht unmittelbar tangiert, suggerieren mit dieser Argumentation eher, dass sie diejenigen, mit denen sie sich solidarisieren, nicht ernst nehmen und wahrscheinlich auch sich selbst nicht. Deren Texte brauchen nicht auf juristische Unschuld bestehen, da man ja auch an juristischer Schuld nur insofern interessiert ist, als die Verfolgten dadurch Schaden nehmen.
Wie dem auch sei: Der Mosquito-Versand macht nützliche Arbeit und also einige liebe Grüße von dieser Seite hier. Mögen die juridischen Nadelstiche der alten Welt niemanden davon abbringen, „den Weg der Tugend fort zu wandeln“ (Mozart).
www.magazinredaktion.tk, Juni 2014