Stellungnahme der Organisationsgruppe der Linen Buchtage Berlin
Wir möchten uns an dieser Stelle zu den Vorwürfen bezüglich der Teilnahme des Laika-Verlags an den Linken Buchtagen äußern.
Zunächst kurz zu den Linken Buchtagen und ihrer Geschichte: Die Linken Buchtage sind vorüber zehn Jahren als linke Buchmesse gestartet, im Lauf der Zeit hat sich die Zahl der teilnehmenden Verlage an den Buchtagen aber spürbar verringert. Nicht zuletzt ist dieser Umstand dem Aufwand geschuldet, den es für viele VerlegerInnen bedeutet, einen Ausflug nach Berlin personell, ökonomisch und zeitlich zu stemmen.
Seit über fünf Jahren engagiert sich auch kein Verlag mehr in der Organisationsgruppe. Der Schwerpunkt der Linken Buchtage hat sich nach und nach zu einem Lesungs- und Diskussions-Wochenende entwickelt: Die Anzahl der Lesungen hat sich mehr als verdoppelt.
Wir als Organisationsgruppe stehen in keinem politischen Zusammenhang mit anderen Mehringhof-Projekten und wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass keines dieser Projekte eine direkte Verantwortung für die Buchtage-Organisation und die Entscheidungen der Buchtage-Vorbereitungsgruppe trägt.
Wie kommen nun die Verlage nach Berlin? In der Regel laden wir sie ein, ihr Verlagsprogramm auf Büchertischen vorzustellen. Den Laika Verlag haben wir nicht eingeladen. Wir verstehen, dass die Verleger deshalb enttäuscht und verärgert sind. Wir verstehen aber nicht, dass sie überrascht sind. Als Linke dürften sie mit der schwierigen Geschichte der linken Antisemitismuskritik, die auch als Selbstkritik und Selbstaufklärung betrieben wurde und wird, vertraut sein. Sie hätten damit rechnen können, mit einem Teil ihrer Publikationen nicht immer undüberall willkommen zu sein.
Das alles ist gegenwärtig und historisch Teil der Linken und findet auch auf den Buchtagen Raum in den Leseveranstaltungen.
Nun sind wir in der Vorbereitungsgruppe aber der Meinung, dass die »Gaza-Hilfsflottille« von 2010 die Grenze dessen, was linke Politik bedeutet, nach rechts hin überschritten hat. Wir möchten Publikationen, die sich unkritisch und affirmativ auf diese in jeder Hinsicht katastrophale Aktion beziehen, nicht auf den Linken Buchtagen unterstützen.
Als OrganisatorInnen der Buchtage geht es uns um die Bereitstellung einer Plattform für einen Austausch über linke Positionen und Debatten, und zwar explizit in einem möglichst weiten Spektrum. Wir organisieren gerne einen infrastrukturellen Rahmen für linke Verlage und sehen unsere Arbeit in der Tradition, den linken und unabhängigen Verlagsbetrieb zu unterstützen. Dabei sind wir aber engagiert in einem politischen Projekt, das wir auch inhaltlich beeinflussen. So unternehmen wir jedes Jahr den Versuch, mit Hilfe der Verlage und ihrer Neuerscheinungen linke Debatten abzubilden und Raum für deren Fortführung zu schaffen. Das bedeutet für uns auch, bestimmte Grenzen zu ziehen und Positionen nicht zu berücksichtigen, die sich außerhalb dessen bewegen, was linke Selbstverständlichkeiten sein sollten.
Uns ist bewusst, dass vieles sich eben nicht von selbst versteht. In der Geschichte der Linken gab es immer wieder chauvinistische und autoritäre Strömungen, fatale Zweckbündnisse mit reaktionären Bewegungen. Der Umgang damit ist schwierig. Auch auf individueller Ebene werden Ambivalenzen und Spannungen bei Themen wie Antisemitismus, Sexismus und Rassismus immer wieder virulent.
Zur Erinnerung: Im Mai 2010 machte sich eine breite Allianz aus MenschenrechtsaktivistInnen, türkischen Rechten und IslamistInnen auf den Weg, die Seeblockade des Gazastreifens durch Israel zu durchbrechen. War der vorgebliche Hilfslieferungstransport von Beginn an von israelfeindlichen und antisemitischen Parolen begleitet, erhob sich nach der Aufbringung der Marvi Marmara durch die israelische Armee, bei der neun Flottenteilnehmer erschossen wurden, eine weltweite Verurteilung Israels, so etwa einstimmig durch den deutschen Bundestag.
Der Band bedient antisemitische Ressentiments, die hierzulande quer durch alle politischen Lager vertreten werden. Mühelos wird hier ein Bündnis mit radikalen Rechten und islamistischen FundamentalistInnen akzeptiert, indem es nicht diskutiert wird. Der Laika Verlag ist sich auch nicht zu Schade, den Band mit Zitaten des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zu bewerben. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von einstimmigen Bundestagsbeschlüssen und Grass’scher Empörungslyrik halten wir einen derart einseitigen Blick auf den Nahost-Konflikt für fatal. Dieser Art der Auseinandersetzung mangelt es weder an Publikum noch an Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen. Kein Verlag wäre dabei auf die Öffentlichkeit der Linken Buchtage angewiesen.
Der Laika Verlag ruft nun zur Solidarität durch Boykott der Linken Buchtage auf und wirft uns Zensur vor. Wir würden, so der Verlag, entscheiden wollen »was in linken Verlagen veröffentlicht werden darf und was nicht«. Das ist albern.
Wir begrüßen den Streit der vielfältigen Ideen und Ansätze, wie Kapitalismus und Patriarchat, Ausbeutung von Mensch und Natur, Rassismus, Krieg und alles, was sonst noch dazu gehört, zu überwinden seien.
Antisemitische Positionen tragen allerdings nicht zu diesem Projekt bei. Wir wollen sie nicht »solidarisch« diskutieren.
Durch die bereitwillige Boykottankündigung einiger Verlage und AutorInnen sehen wir jedoch das Zustandekommen der Buchtage gefährdet. Auch wenn wir in einer solchen Reaktion keine Grundlage für ein gemeinsames Projekt sehen, möchten wir diesen Konflikt nicht auf dem Rücken aller anderen Beteiligten austragen und verwehren uns hiermit – sollten die Drohungen aufrecht erhalten bleiben – nicht länger gegen die Anwesenheit des Laika Verlags.
Die Organisationsgruppe der Linken Buchtage Berlin