Wider die Entwürdigung des Namens der Kommunistischen Partei
Auf der Demo am 1. Mai 2003 verteiltes Flugblatt aus Anlaß der Spaltung der AAB
Es ist heute erster Mai, und seit der Tag zum nationalen Feiertag der Arbeit herunterkam, interessieren die stattfindenden Demon-strationen im Grunde wenig. In Moskau werden sie den Aufrufen der Prawda folgen, die als einstmals beachtliches Organ der russi-schen Revolution heute davon faselt, daß Israel von Außerirdischen okkupiert sei. In Rom, Paris, London etc. pp. wird man gegen die U.S.A. anstatt für die Emanzipation demonstrieren. Und hier in Berlin lädt die sich aus noch ungeklärten Gründen ‚bessere Hälfte‘ nennende Fraktion der ehemaligen AAB im Geiste der karoshi, für die der kryptischste Unfug als revolutionäre Theorie durchgeht, zu Spiel und Kampf auf den Straßen Kreuzbergs ein. Ändern läßt sich das momentan wohl nicht, die Leute haben sich gegen Marx ent-schieden und für den Zizek – wer wollte da noch argumentieren. Aber wenn sich die postmodernen Sprengsel der AAB in ihrem üblichem Unernst auch noch das Kürzel der Kommunistischen Partei geben, so gehen sie doch zu weit; das müßte nicht sein. Es gibt Traditionen, die in Ruhe gelassen werden wollen, es sei denn, man erweist sich ihnen gewachsen. Notwendig erscheint uns deshalb folgender Lehrgang durch die Geschichte. Er ist arg gerafft, einige Hauptaktionen fehlen (Die Räte werden nicht einmal erwähnt, und dies ist unverzeihlich). Nebenakteure bekamen vielleicht zu viel Platz. Alles Geschriebene ist trivial, kein Geheimnis und denen schon bekannt, die es wissen wollen. Wer es eingehender wissen will, hält sich besser an die Werke irgendwelcher Historiker. Wir sind keine. Aber wer bis zum Ende liest, der wird hoffentlich zustimmen, daß der Abriß für unsere kleine Lehre und abschließende Moral immerhin genügt. Aber der Reihe nach.
I. Kurzer Lehrgang durch die Geschichte der Partei bzw. knappe Darlegung des bislang einzigen chancenreichen Versuchs, das Elysium auch praktisch herzustellen.
a) Vorbereitung und erstes Scheitern
Der Anfang war gelungen. Ein diffuses Gespenst ging durch Europa, der naive Kommunismus verschreckte die Reaktion und dies in einer Zeit, die zumindest in Frankreich recht bewegt, sprich revolutionär war. Grund genug, für den vom Schneidergesellen Weitling mitgegründeten ‚Bund der Kommunisten‘, bei Marx und Engels eine Schrift in Auftrag zu geben, in der sie „ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen.“ Bald bildete man eine erste Internationale und wagte in Paris 1871 sogar einen Aufstand. Er wurde wie üblich beendigt, dann wurde debattiert und sich gespalten. Man gründete sich neu, diesmal aber ohne Anarchisten. Daraus folgte, daß trotz gehöriger organisatorischer Fähigkeiten, die man zwei-felsfrei erlernte und deren Nutzen nicht abzustreiten ist, der Schla-massel anfing. Wer heute die Schriften des Revisionisten Bernstein liest fragt sich, warum dieser nicht einfach aus dem Verein herausgeschmissen wurde. Belesene werden eventuell einwerfen, daß die marxistische Orthodoxie kaum Argumente hatte und trotz formeller Opposition nach dem Kriege in der SPD landete, während der radikale Flügel um Luxemburg immer schon recht isoliert war. Der zweite große Versuch einer internationalen Assoziierung endete entsprechend im Stahlgewitter. Der Kritiker Benjamin diagnostizierte, daß der Geist der naiven Utopier, der frühen Sozialisten, aus der marschierenden Bewegung herausgefallen sei, daß die notwendige organisatorische Reifung und der Übergang des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft den Verein um sein tranzendentes Ziel gebracht hat. Er hielt es für eines der größten Verbrechen des Revisionismus, den Namen Blanqui vollständig aus dem Gedächtnis getilgt zu haben, der für den Aufstand steht, den Kommunisten zum Ziel haben, und der für sein zähes Festhalten an der Revolution 40 Jahre im Kerker verbringen mußte. Der Kritiker blieb erwartungsgemäß alleine und brachte sich schließlich auf der Flucht vor den Schergen um.
b) Große Chance von 1917 bis 1923 und absoluter Niedergang
Der erste Weltkrieg wurde von dem kontemplativen Karl Kraus bereits für das Ende der Menschheit gehalten, und tatsächlich war die Situation nicht gerade als glücklich zu bezeichnen. Keiner hätte damals glauben mögen, daß die Menschheit noch tiefer sinken würde. In so schwierigen Zeiten sind die Lösungen nicht nach dem Geschmack der feinen Geister. Nachdem die Arbeiter in den Staaten mit großer Industrie sich integrieren ließen, setzten sich die Bolschewiki an die Spitze der Revolution. Ausgerechnet das zurückgebliebene Rußland wagte, was keiner sonst wagte, und machte der Welt ein Angebot. Die Methoden der führenden Partei waren hart, doch das Ziel bestand immerhin in nichts Geringerem, einen Zustand herbeizuführen, in dem jeder „ohne jegliche Kontrolle über die Arbeitsleistung des einzelnen Bürgers eine beliebige Menge Trüffeln, Autos, Klaviere u. dgl. m.“ erhält (Lenin). Es lief nicht nach dem vorgesehenen Plan, sondern verkehrt: Die Aufgabe war – darin bestand unter den Wissenden Einigkeit – nicht in einem Agrarstaat zu lösen, noch dort zu beginnen. Rußland ist zwar nicht Kurdistan gewesen, sprich es besaß ein wenig Industrie, aber auch nicht England oder Deutschland. Eben dort aber hätte sie gelöst werden müssen, so wie man heute nicht von Lateinamerika den Kommunismus erwartet sondern von den Europäern und Amerikanern. Der ‚Spartacus‘ mit der Nummer 8 vom Januar 1918 schrieb deshalb: „Ein furchtbarer Knoten ist in Rußland geschürzt: Das Schwert, das ihn zerhauen soll, liegt nicht in Rußland. Die russischen Proletarier haben ihre Hand ausgestreckt nach ihren Brüdern. Soll sie ins Leere greifen?“ Sie sollte. Und alles Genörgel über den Leninismus ist seither primär Ablenkung von der Tatsache, daß die Deutschen einmal mehr versagten. Der Spartakusaufstand war kümmerlich und schon 18 Tage nach der viel zu späten Gründung der KPD wurden ihre fähigsten Führerinnen in den Landwehrkanal befördert. Der Tod der Anführer wird, außer von Parteikommunisten, vielfach in seiner Bedeutung unterschätzt, weil man gewohnt ist, Menschen für austauschbar zu halten. Und austauschbar sind die Menschen im kapitalistischen Betrieb auch tatsächlich. Ein im Jahre 1973 sehr einsam gestorbener Kommunist hielt in seinen Notizen fest: „Für die proletarischen Führer gilt aber diese Ersetzbarkeit keineswegs. Der Platz jener, welche erschlagen oder kampfunfähig gemacht sind, wird schlecht und recht aus den Reihen der Kämpfenden ausgefüllt, meist schlecht, denn der Gegner weiß die zu treffen, welche ihm gefährlich sind. Die Welt, in der die proletarische Elite heranwächst, sind keine Akademien, sondern Kämpfe in den Fabriken und Gewerkschaften, Maßregelungen, schmutzige Auseinandersetzungen innerhalb oder außerhalb der Parteien, Zuchthausurteile und Illegalität.“ (Horkheimer) Das Ergebnis ist, daß kein fähiger Organisator und kein kluger Agitator nachrückte. Stattdessen der elende Ernst Thälmann, ein Antisemit, unter dem es nicht einmal zu ernsten Kämpfen in der Fabrik kam. Selbst nicht, als 1929 der Kapitalismus die Produktion von Schotter nicht aufrechterhalten konnte. Und selbst 1933 nicht, als die Arbeiterbewegung ohne Schuß und weitgehend freiwillig in der Volksgemeinschaft verschwand.
c) Reste des Niedergangs und Erwähnung eines Vereins, der sonst selten Erwähnung findet.
Schon die SPD hat den Marxismus revidiert. Schon die Plakate der KPD glichen der der NSDAP. Nach der von den Deutschen exekutierte Katastrophe, war auch alle revolutionäre Tradition der Arbeiterbewegung getilgt. Man will sich heute nicht daran erinnern. In der postfaschistischen Welt gibt es nur noch Tarifverhandlungen und Gefeilsche um Prozente. Es ist dies das Ende der Kommunistischen Partei, denn die KPD im Westen Deutschlands trug den Namen zu unrecht und die nach dem Verbot gegründete DKP sollte man mit Ausnahme des Mitglieds André Müller vergessen. (Die SED ebenso. Auch hier mit Ausnahme: Peter Hacks und sicher einige Genossen, die es ernst meinten) Bleibt der ‚Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD‘. Vom jüngst transnational gewordenen Robert Kurz aus der Nürnberger Provinz wurde die Vereinigung als stalinistisch entlarvt, also lohnt der Blick. Sie versuchen seit 1968 den Kommunismus zu reorganisieren und kommen keinen Schritt voran. Sie wenden eklektisch halbverdaute Erfahrung aus der Oktoberrevolution auf heute an und scheitern naturgemäß. Was alle eh gedacht haben werden, ist wahr: Der Verein ist unfähig für den Auftrag, um den sich alle anderen feige drücken, und entwürdigt also auch den Namen. Aber man soll nicht vergessen, daß ihr zentrales Komittee im August 1999 zum Tode des Ignatz Bubis eine Würdigung schrieb: „Hätte er in seinem Leben nichts anderes geleistet als dies: daß er sitzenblieb wie ein Mann, während der herrschende Abschaum dieses Staates hochsprang von den Stühlen der Paulskirche und dem Walser zujubelte, der Auschwitz für null und nichtig, vergeben und vergessen erklärte; hätte also Ignatz Bubis in seinem Leben nichts anderes geleistet, er verdiente allein dafür den Titel eines Gerechten der Völker. Daß man nichts Großes tun muß in diesem Land, um ein großer Mensch zu sein, daß aber das Selbstverständliche, das Anständige, das Kleine, großen und andauernden Mut braucht, hat Ignatz Bubis uns gezeigt.“ Der eigentliche Grund, weswegen der Bund in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ist der, daß er immerhin realitätstüchtig genug ist, sich dem Aufbau der Partei zu verschreiben. Er tut nicht so, als wäre er schon die Partei. Der Bund weiß, er ist einsam, und die Spötter sollten zumindest daran denken, daß Einsame skurril zu handeln pflegen, ehe sie nur spotten. Desweiteren haben wir in einigen Flugschriften die Antifa oder Attac erwähnt und der Zustand dieser Vereine ist eher schlechter als der des Wiederaufbaubundes der KPD. Diese Flugschrift z.B. widmet sich der AAB und wer versteht schon warum?
d) Amtliches Ende
Um die Geschichte zu vollenden, sei noch erwähnt, daß die 1917ff im Stich gelassenen Reste der zum autoritären Staat erstarrten russischen Revolution im Jahre 1989ff rückgängig gemacht wurden, ohne daß dies weiter aufgefallen wäre. Aber von der KPdSU hat sich keiner mehr etwas erwartet, nicht einmal wir. Egal, ob man den Sündenfall schon im Fraktionsverbot auf den 10.Parteitag, in dem Aufstieg des Stalinismus, im Revisionismus Chruschtschows oder auch erst im Siege Gorbatschovs sieht. Eine gute Hilfe für uns war die SU nie und darüber besteht auch weitgehend Einigkeit. Insofern erstaunt auch der Niedergang der eingangs erwähnten Prawda schon weniger, zumal der absolute Kritiker Robert Kurz den Antisemitismus der KPdSU schon hinreichend und beruhigend aus der Warenform deduziert hat.
II. Kleine Lehre
Dies bringt uns nun zu der eingangs versprochenen Lehre, um derenwillen wir dies alles schrieben: Allen Irrungen und Wirrungen der Arbeiterbewegung und der sie organisierenden Partei zum Trotz wurde damals die Zukunft der Menschheit verhandelt, also etwas doch recht Wichtiges und Großes. Damit kann man nicht so spielen, wie man heute mit allem spielt. Die ‚bessere Hälfte‘ der von Teddy Thälmann gegründeten Antifaschistischen Aktion Berlin kann argumentieren, sie habe ihren Namen so ernst nicht gemeint, wie wir so tun, als ob wir diesen nähmen. Dies ist richtig und der Punkt: Die Sache ist ernst und wurde einmal ernst genommen. „Don’t fight the players, fight the game!“ kann man lesen. „Bekämpft die Windmühlen!“ kann man antworten. Wer die Trennung in Spiel und Spieler eingeführt hat, wissen wir nicht. Vielleicht war es die Prawda, vielleicht die Karoshi. Oder Backhaus? Am Ende entspringt die Trennung frei nach Lukács dem notwendig falschen Bewußtsein. Es ist aber bisher der Wissenschaft unbekannt geblieben, wie man kapitalistische Ausbeutung unabhängig vom Verhältnis der zu Spielern verniedlichten Akteure betrachten kann. Genauso kann man keinen Krieg ablehnen, ohne gegen diejenigen zu sein die ihn führen. (Wenn der Irrtum bemerkt wird, kann man sich wieder mit der praktischen Hälfte vereinigen und gegen George Bush hetzen.) Die Autonome Antifa Nordost geht ihren historischen Auftrag ähnlich würdig an. In deren Agitation kann man die Erkenntnis finden, daß wer dem Zwang zur Lohnarbeit nicht entsprechen kann, „sanktioniert wird und zwar mittels struktureller Gewalt.“ Man höre und staune. So geht es eben zu im sog. „kapitalistischen Normalzustand“. Wahrscheinlich ist es der heilige Jehova, der die versagenden Arbeitskraftbehälter aus dem Betrieb herausschmeißt. Gewalt kann nicht strukturell sein. Man lese im Dummdeutsch-Wörterbuch des gerade geschaßten Eckhard Henscheid nach (Stichwort: ‚Strukturen‘). Weil die Geschichte und ihre Akteure nicht interessieren, legt man sich dennoch strukturalistische Theorien zurecht. Den historischen Materialismus hat man mit an den Universitäten und Freizeitakademien gelernter Kritik an Vernunft und Aufklärung, an Subjekt und Geschichte ad acta gelegt, statt ihn aus der Verdinglichung zu befreien, in die er durch den HistoMat geraten ist. Offenbar findet man sich ab mit der Perspektive, ein Diskursknotenpunkt zu sein. Weder die Welt noch die Möglichkeit zur Überwindung des momentanen Zustands will man zur Kenntnis nehmen. Man bestreitet sie sogar. Gewalt sei strukturell und Geschichte ohne Akteure. Deswegen macht man auch in stupender Schamlosigkeit eine ‚Zeitschrift gegen die Realität‘. Aber lassen wir das. Nur legt euren Namen wider ab und nennt euch irgendwie anders (Antifaschistische Linke ist leider schon vergeben.)
Woanders will man nicht das game bekämpfen und auch nicht die players, sondern ein ‚Spiel ohne Grenzen‘ spielen. Die Konferenz findet zu München statt. Trotzdem sind das wohl Geistesverwandte und wenn sich alle von den von den Bullen streng begrenzten Katz-und-Maus-Spiel am erten Mai erholt haben kann man dort palavern. Das Spiel mit den Ordnungshütern zieht einige unnötige Verfahren mit sic, aber immerhin sieht man am ersten Mai live oder im TV glücklichere Gesichter als sonst. Bagdad gefiel uns trotzdem besser. War wenigstens nicht nur ein Bolle, der geplündert wurde. Aber hat ja auch alles mehr mit – wenigstens diesmal nicht so freudlosem – Konsum als mit Aneignung der Produktion zu tun. Deswegen lassen wir auch das noch und schreiten forsch voran zur großen Moral: Die nach biblischer Zeitrechnung nun schon 6500jährige Klassenherrschaft lehrt: It is not a game.