Für die Stillegung der Anti-AKW-Bewegung!
Im Jahr 2000 unter AKW-Gegnern verbreitetes Flugblatt. (Noch nicht unter dem Namen Antideutsche Kommunisten.)
Als vor kurzem wieder die Castoren durchs Land rollten, wurde zum „x-tausendsten Mal“ ein Schauspiel geboten, von dem nichts neues zu erwarten war: die Schüler in Gorleben kriegten schulfrei, damit sie sich auf die Gleise setzen konnten, für die Polizei wurde eine Urlaubssperre verhängt, damit genug Beamten da waren, um sie da wieder wegzutragen, Hippies sangen Lieder, Omas brachten Suppe vorbei und die Autonomen freuten sich über das spannende Geländespiel mit den Bütteln der „Atommafia“, von dem sie noch ihren Enkelkindern erzählen werden. Trotz dieser routinierten Langeweile mag es sich für die radikale Kritikerin lohnen, die verschiedenen Beteiligten und deren Ideologien genauer unter die Lupe zu nehmen, in der Hoffnung, an ihnen als Aspekten des allgemeinen GAUs der Linken die Waffen der Kritik schärfen zu können.
Experten des Konformismus
Da wären zum einen die Realisten, die auf „Konsens“ setzen und gelernt haben, daß ohne eine Zusammenarbeit mit „der Wirtschaft“ gar nichts zu erreichen ist. Da sie bis auf den einen Punkt, ihre Ablehnung der Atomenergie, diese Welt für das beste aller Systeme halten, machen sie allerlei konstruktive Vorschläge und rechnen detailliert vor, wieviel besser der Standort Deutschland doch fahren würde, wenn man statt auf Atomkraft auf Sonnenenergie setzen würde. Als fleißige Politikberaterinnen kennen sie sich mit Restlaufzeiten, Strahlengrenzwerten und regenerativen Energiequellen besser aus als jede andere und haben gerade deshalb keine Ahnung von der Gesellschaft, in der sie leben. Diese positivistische Faktenhuberei wird dann mit väterlicher Miene vorgetragen, es wird auf das Sich-Fügen in das Nun-mal-so-Seiende gegenüber aller naiven, utopistischen ‚Rumspinnerei‘ gepocht.
Gefährliche Heilige
Die große Zeit der Ökobewegung ist vorüber. Die „Grünen“ sind bei Jungwählerinnen mega-out und für Joghurtbecher-Sammeln oder Gerümpel-aus-dem-Bach-holen will sich kaum mehr jemand begeistern. Da das Thema sich in der Gesellschaft verallgemeinert hat, und z.B. die Panik vor verrückten Kühen zum Massenphänomen geworden ist, taugt dergleichen nicht mehr zur identitätsstiftenden Klammer einer sich vom Mainstream abgrenzenden Bewegung.
Eine solche „radikale“ Ökobewegung könnte sich jedoch schnell als Avantgarde erweisen. Schon beim nächsten größeren Crash am „Neuen Markt“ könnte das Leitbild des jung-dynamischen Angestellten von romantischer Zivilisationskritik und der Suche nach Naturverbundenheit abgelöst werden. Daher kann es nicht schaden, sich schon jetzt die übriggebliebenen Öko-Hippies und Kniebundhosenträger, die sich bei den Castorenfestspielen zusammenfinden, näher anzusehen. Anders als die Pragmatiker haben die Ökofanatiker durchaus eine Gesellschaftskritik, die vorgibt, aufs Ganze zu zielen – allerdings ist diese so grundfalsch und deshalb gefährlich, daß man ruhiger schlafen könnte, wenn sie ganz normale Spießer geblieben wären. Auf Argumente wird in dieser Szene weitgehend verzichtet, gelten diese doch als „abstrakt“, „abgehoben“, „männlich“. Statt dessen wird aufs Gefühl gesetzt, der Protest muß „spontan“ und „aus dem Bauch heraus“ kommen, als Begründung reichen Aussagen wie die, vor großen Betonklötzen Angst zu haben. Aktivisten der Kampagne „X-tausendmal Quer“ spielen sich als Hilfssheriffs auf, durchsuchen Verdächtige unter den Protestierenden und liefern entdeckte Querulanten der Polizei aus. Ihr Pazifismus ist vor allem eins: Die unbedingte Einverständniserklärung mit der Gewalt des Staates.
Sonnenblumen gegen Coca-Cola
Das ökoromantische Weltbild ist fein säuberlich in Gut und Böse unterteilt: hier die „Atommafia“, ungeheuer mächtig und bösartig, die Gesundheit und Leben der Bevölkerung aus reiner Profitgier skrupellos aufs Spiel setzt und ihr Erfüllungsgehilfe, der technokratische „Atomstaat“ – dort die einfachen, rechtschaffenen Bürger, die kernigen Landwirte und fleißigen Handwerker, deren Wendland das reinste Paradies wäre, wenn die Harmonie nicht von unheimlichen Mächten von Außen gestört würde. Diese Form der „Gesellschaftskritik“ ist eine von vielen Varianten eines notwendigen Grundbestandteils bürgerlichen Denkens: der Verklärung des Konkreten, des „natürlichen“ Gebrauchswerts und der „schaffenden Arbeit“, deren Kehrseite die Verdammung des Abstrakten ist: des „unnatürlichen“ Zinses, des „unpersönlichen“ bürgerlichen Rechts und des „abgehobenen, wurzellosen Intellekts“. Diese „Kritik“ zielt nicht auf Befreiung, sondern artikuliert die infantile Sehnsucht nach Rückkehr in einen harmonischen Urzustand, den es freilich nie gegeben hat. Der Kult des einfachen Bauerntums hält in Wirklichkeit eine stumpfsinnige und freudlose Existenzweise hoch, in der sich das Leben der Menschen tatsächlich kaum von dem der Tiere unterscheidet, weil sich alles um die unmittelbare Existenzsicherung dreht. Kein Wunder, dass der moderne Naturkult nicht auf dem Lande, sondern unter Städtern entstand. Der paradoxen Situation der bürgerlichen Gesellschaft, die Individualität gleichzeitig verlangt und verhindert, sucht man durch die Auflösung des Individuums in der Gemeinschaft zu entkommen. Da dieses Ziel ein unerreichbares ist, weil es in letzter Konsequenz auf die Aufgabe des Menschseins hinauslaufen würde, brauchen romantische Bewegungen immer einen äußeren Feind, dem die egoistische Aneignung von Glück ohne Entbehrung für die Gemeinschaft unterstellt wird, um ihn für das Scheitern ihres Zusammenwachsens verantwortlich zu machen. Kulminationspunkt dieser Ideologie war historisch immer der Antisemitismus, der das Abstrakte in den Juden personifiziert, sie des Strebens nach Weltherrschaft bezichtigt und zu deren Vernichtung drängt. Daß die Anti-AKW-Bewegung davon nicht weit entfernt ist, auch wenn sie den Vorwurf des Antisemitismus empört von sich weist, mag ein Blick auf ihr Liedgut belegen: „man sieht sie nie, die Chefs vom Ganzen / die führen uns vor, die lassen uns tanzen / an langen Fäden wie Marionetten,“ werden dort beispielsweise Verschwörungsphantasien intoniert, oder „die Gewalt dieser Welt sind Knüppel und Geld! / Welch großer Komplott, der uns so bedroht“. Das „Wendlandlied“ schließlich endet mit der Aufforderung: „Jagt die Spekulanten raus / hier gibt es nichts zu bohren!“
Streetfighter
In scheinbarem Widerspruch zum gegenwärtigen Desinteresse der Jugend an Öko-Themen zieht der Castor durchaus auch jüngere Leute an. Diese sind jedoch ansonsten eher damit beschäftigt, Nazi-Adressen zu sammeln und interessieren sich in Wirklichkeit meist weder für Ökologie noch für Atomkraft. Die Castor- Transporte sind für sie ein willkommener, aber beliebiger Anlaß, die Konfrontation mit der Staatsmacht zu suchen und so für ein paar Momente der öden Langeweile des bürgerlichen Alltags zu entfliehen. Ein zusätzlicher Pluspunkt gegenüber vergleichbaren Events ist der Umstand, daß viele Bürger im Wendland ganz von alleine tun, wozu sie von den Autonomen auf 1000 Demos vergeblich aufgerufen wurden: „Leute, laßt das glotzen sein, kommt herüber, reiht euch ein!“ Natürlich geht das infantile Händehalten und Gitarrengeklimper den autonomen Streetfightern gehörig auf die Nerven. Allerdings kritisieren sie dieses Gutmenschentum genau falsch herum: anstatt ihren Gestus als bürgerliche Moral anzuprangern, welche ihre heimelige Gemeinschaft gegen eine kalte Welt verteidigt, wird ausgerechnet diese autoritäre Veranstaltung wegen Verweichlichung und mangelnder Entschlossenheit gegenüber dem Feind verlacht. Umgekehrt führt dann der postwendende Vorwurf des „Mackertums“ an die Militanten, der in den üblichen Initiationsriten junger Krieger einen wahren Aspekt treffen mag, schnell zur Denunziation jeder Form der Auseinandersetzung, die ihre Ziele mit den dazu eben nötigen Mitteln durchzusetzen versucht. In Wahrheit sind die autonomen Aktionen aber keineswegs der radikale „Widerstand“ für den sie sich ausgeben. Die ganze Veranstaltung ist eine Inszenierung mit klar verteilten Rollen, die so lange funktioniert, wie alle Beteiligten sich an die Spielregeln halten. Diese bestehen zuallererst darin, daß die Protestierenden ihre Parolen auf keinen Fall ernst nehmen dürfen. Dann darf auch mal eine Straße unterhöhlt oder eine Bullenwanne umgeschmissen werden. Sobald jedoch das staatliche Gewaltmonopol tatsächlich in Frage gestellt würde, wäre augenblicklich Schluß mit lustig. Die daran Beteiligten wanderten wohl für die nächsten Jahrzehnte in den Knast und alle, die sich nicht sofort von ihnen distanzierten, fielen Überwachungsterror und Volkszorn zum Opfer. Solange keine kommunistische Bewegung in Sicht ist, die stark genug wäre, die Verhältnisse umzustürzen, können revolutionär sich gebärdende Aktionen bestenfalls Verzweiflungstaten oder lächerliche Beschäftigungstherapie sein. Im Wendland jedoch droht schlimmeres.
Nie wieder Wandervogel!
Daß die Energiegewinnung aus Atomkraft eine gefährliche Sache ist, die besser unterbleiben sollte, ist ebenso banal wie die Erkenntnis, daß der Grund, warum sie dennoch genutzt wird, immer noch Kapitalismus heißt. Wer daraus jedoch den Schluss zieht, dass diese Bewegung lediglich zu radikalisieren sei, kann sich wohl wie diese unter Kapitalismus nur die Profitlogik, den Tanz ums goldene Kalb vorstellen. Wer immer noch behauptet, dass sie schon für die richtige Sache kämpft, nur eben nicht konsequent genug, wird nie verstehen, warum sämtliche Nazinetzwerke zum Widerstand gegen den Castor aufrufen. Daß es zur Pflicht auch eines grünen Polizeichefs gehört, die üblichen Straftaten zu verurteilen, ändert nichts daran, daß unsere Dissidenten durchaus für die erneuten Versuche der Dissidenz des deutschen Michels gegenüber seinen alten Feinden brauchbar sein werden. Der nächste Milosevic könnte Umweltsünder geschimpft werden. Und schon eine Woche nach den letzten Castor-Transporten unternahm Rot-Grün auch entsprechende erste Schritte. Dem imaginierten Hauptfeind aller organischen Völker, dem man sich noch nicht offen zu sagen traut, dass man ihm die Zerschlagung der wärmenden Volksgemeinschaft vor 60 Jahren nicht verziehen hat, kann man jetzt wenigstens einen umweltfeindlichen Imperialisten nennen. Stolz berichteten alle wichtigen deutschen Zeitungen von Schröders Antrittsbesuch bei Bush, bei dem er diesem mutig und vorbildlich den Öko-Zeigefinger vor die Nase hielt. Die Nation war ebenso gerührt wie über die selbstlosen Märtyrer, die sich in der Kälte der Nacht an die Schienen betonierten. Dass die Linke sich an solchen vergleichsweise nebensächlichen Schweinereien wie AKWs aufreibt, statt sich ein Objekt vorzunehmen, welches an das Fortleben der Bedingungen, die zu Auschwitz führten, erinnert, so etwa das Brandenburger Tor als Symbol für Deutschland, ist eben keineswegs eine zufällige, falsche Prioritätensetzung, sondern hat System: Andernfalls müsste man sich endlich von der linken Lebenslüge verabschieden, wonach sich mit der hiesigen Bevölkerung allerlei Emanzipatorisches anstellen ließe, wenn man sie nur mit genügend „Fakten“ über die „Mißstände“ aufklären würde. Und dazu sind wohl leider die wenigsten Autonomen bereit – ganz zu schweigen von den Realos und Ökos, für die das Bekenntnis zu Deutschland ohnehin niemals in Frage stand. Hat man sich erst mal mit Slogans wie „Wir sind das Volk“ für die Nation, die für Auschwitz verantwortlich ist, entschieden, ist es zum Geschichtsrevisionismus nicht mehr weit: immer wieder tauchen in der Szene Begriffe wie „atomarer Holocaust“ auf, die Bedrohung durch Atomkraft wird mit der Judenvernichtung im Nationalsozialismus gleichgesetzt. Ein obszönes Beispiel dafür ist die Umdichtung der „Todesfuge“ von Paul Celan (beginnend mit den Worten: „Verstrahlte Milch der Frühe…“) die in der Zeitschrift „anti-atom-aktuell“ veröffentlicht und auf diese Weise diskutabel gemacht wurde.
Die deutsche Volksgemeinschaft und ihr Staat können ihr verhängnisvolles Tun ungestört fortsetzen, solange sich die Restlinke mit der „bäuerlichen Notgemeinschaft“, den verwurzelten Gandhi-Pfarrern und der Wendländer Initiative „Einfache Menschen gegen dunkle Mächte e.V.“ (Namensvorschlag von uns) zum organisierten Topf- oder Helmschlagen gegen die Entweihung alles Echten und Lebendigen trifft.