Ihr schönen Studentinnen, ihr holden Studenten
Grußadresse der Antideutschen Kommunisten Berlin zum aktuellen Fest der Studierenden
Im November 2003 unter „streikenden“ Studenten verbreitetes Flugblatt
„Oh welch ein Wunder! Wie viele schöne Geschöpfe sehe ich hier versammelt! Wie wunderbar ist die Menschheit! Oh prächtige neue Welt, die solche Einwohner hat!“ (Shakespeare – Der Sturm)
„Drauf täten seine Enkel sich / Ihr Erbteil gar abdrehen, / Und huben jedermänniglich /Anmutig an zu krähen. – O Pfui, und Pfui und wieder Pfui / Den Elenden! – sie haben / Verlüderlicht in einem Hui / Des Himmels beste Gaben. Dem lieben Herrgott sündiglich / Sein Konterfei verhunzet, / Und in die Menschheit schweiniglich / Von diesem Nu gegrunzet. Und schlendern elend durch die Welt, / Wie Kürbisse von Buben / Zu Menschenköpfen ausgehölt, / die Schädel leere Stuben! Wie Wein, von einem Chemikus / Durch die Retort getrieben, / Zum Teufel ist der Spiritus / Das Phlegma ist geblieben“ (Friedrich Schiller – Kastraten und Männer)
Wir haben es bei Euren traurigen Bemühungen mit einem Missverständnis zu tun. Weil Ihr davon betroffen seit, meint Ihr, die dafür Verantwortlichen würden bei den jetzt anstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen irgendetwas verkehrt anstellen. Dabei hat es Euch doch einer der Politiker dieser Tage recht stichhaltig erklärt. Zwar nicht im Geiste Hegels, aber doch in seinen Worten meinte er: „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.“ Ihr lieben Leute mögt jetzt noch ein wenig dumm aus Euren Kürbisköppen gucken und dann einige ganz und gar nicht ernst gemeinte Handlungen durchführen, die so buchstäblich niemanden interessieren werden, dass nicht einmal Ihr selbst sie zu kreativen Aktionen umlügen werdet. Noch nicht einmal ein paar Fensterscheiben werden zu Bruch gehen, was wenigstens den Effekt hätte, dass die Rentner ein paar hässliche Worte über die Jugend verlieren könnten, wodurch Ihr ihnen helfen würdet, ihre angestauten Aggressionen zu verdauen – und auch Ihr könntet dabei einiges loswerden. Als ob nichts gewesen wäre werdet Ihr am Ende eines dieser immer wertloseren Zertifikate erwerben, die man Diplom oder Magister nennt. Eventuell findet der eine oder die andere immerhin einen Liebespartner. Manche nennen ihren Konformismus Widerstand und verewigen so den allgemeinen, wahrscheinlich der Werbung abgelauschten Konfusianismus, der darin besteht, dass man den Gegenständen immer völlig falsche Namen gibt.
All dies ändert nichts an den weisen Worten Eures Oberhaupts, des absolut lächerlichen Gerhard Schröder, dem stolzen Bräutigam einer autoritären Magersüchtigen, der Euch nur regieren darf, weil die anderen Politiker noch hässlicher sind. Vor der ehernen Notwendigkeit gibt es kein Entkommen. Der Staat, den Ihr gottlosen Taugenichtse anbetet, ohne es zu merken, ist pleite. Die Trusts wissen nicht wohin ihren Schund verkaufen und wollen daher Eure Arbeit immer weniger haben, wozu auch beiträgt, dass die Informatiker unter Euch an hübschen Programmen basteln, die Euch aus dem Reproduktionszusammenhang hinauszusäubern helfen. Es mag zwar weit weg scheinen, aber in Russland arbeiten die Arbeiter schon ohne Lohn. Eventuell erleben wir das große Spektakel einer echten Zusammenbruchskrise. War da nicht irgend etwas Ende der 90er in Südkorea, Malaysia, Brasilien? Und was treiben eigentlich die Japaner mit ihren faulen Krediten? In den Zeitungen kann man die Einzelheiten nachlesen, da aber alle sie sofort wieder vergessen, sind sie hier auch nicht weiter von Belang. Jedenfalls sieht alles danach aus, als ob Ihr auf den möglichen Bankrott nicht so reagieren werdet wie man 1789 reagierte, sondern eher auf moderne Weise, also ähnlich dem 11.9.2001. Aus Gründen der Ratio muss man nach Lage der Dinge den Zusammenbruch der Produktion fürchten und nicht herbeisehnen wie der längst vergessene Marx, der mit der Krise die Chance für das Morgenrot der neuen Gesellschaft gekommen sah. Trotzdem verspüren alle etwas Katastrophensehnsucht, denn die Welt ist nach Eurem Bilde geformt und dementsprechend hässlich und schwer zu ertragen. Sämtliche präventiven Krisenmaßnahmen werdet Ihr in das 21. „Kastratenjahrhundert“ (Schiller) Geworfenen erdulden, denn nichts in Euch strebt zu Höherem. Euer formaler Widerspruch dient nur der reibungslosen Durchführung diverser Innovationen, die sich die Architekten Eurer Herrschaft für Euch ausdenken. Kein Protokollant will ihn notieren. Allenfalls werden die Betriebsnudeln unter Euch Erfahrungen beim Koordinieren sinnloser Bewegungsabläufe sammeln, womit sie sich vielleicht für einen späteren Job als Humanressourcenmanager qualifizieren könnten. Ihr seid eine Schwemme, eine Akademikerschwemme. Klar, dass ein zweckmäßig eingerichteter Staat Euch nicht ewig alimentieren kann.
Simuliert also bitte keinen Streik der Kopfarbeiter. Euer Hirn hat schon immer gestreikt, weil die deformierte Sache keinen Begriff erträgt – andernfalls wäre sie verloren. (Außerdem juckt es keinen, wenn Ihr kurzfristig keine Scheine bei dementen Lehrkräften sammelt und ergo blamiert ein Streik Euch nur vor aller Welt.) Dass Euer Hirn streikt, hat seine Ursache freilich nicht in der Physis. Der Grund ist schlicht und wurde von Karl Marx in einem Brief an einen Herrn mit dem Namen Kugelmann ausgesprochen: „Mit der Einsicht in den Zusammenhang stürzt, vor dem praktischen Zusammensturz, aller theoretische Glauben in die permanente Notwendigkeit der bestehenden Zustände. Es ist hier also absolutes Interesse der herrschenden Klasse, die gedankenlose Konfusion zu verewigen.“ Es ist dies heute das unmittelbare Interesse aller. Wo Computer die Produktion beinahe ohne menschliche Hilfe steuern und der Mensch gelernt hat, mit dem Flugzeug zu fliegen, gibt es keinen Grund für Lohnarbeit und Disziplin. Angesichts dieser simplen Tatsache weiter das Leben zu führen, das man gerade führt, ist so erbärmlich, dass kein Mensch es aushalten kann – es sei denn, er schaltet sein Hirn aus. Dadurch, dass alle sich das Interesse zueigen machen, welches Marx noch als das ausschließlich der herrschenden Klasse bestimmte, wird die Existenz letzterer gründlicher dementiert als durch das Entstehen der apersonalen Aktiengesellschaft. Deshalb erkennt Ihr auch keine Herrschaft mehr, obwohl im Arbeitsprozeß über Euch verfügt werden wird wie eh und je. Eurer Irrationalismus ist nur der der aktuellen Erzeugungsart und das Prädikat dumm damit eine Tatsachenfeststellung und keine Beleidigung. Als Anhängsel von Euch nicht beeinflusster Kräfte kann man Euch nicht beleidigen. Wozu auch. Manch einer wird den witzigen Satz von Adorno aufgeschnappt haben: „Bei manchen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie ‚ich‘ sagen“. Allein es ist bitterer Ernst.
Konkret bedeutet die Konfusion, das man den Wissenschaftsbetrieb ruhig zusammenkürzen kann. Was soll eine Musikwissenschaft, wenn kein Student den anderen erklärt, was der Gehalt der Eroica von Beethoven ist. Wozu überhaupt Bibliotheken, wenn kein Literaturwissenschaftler und kein Philosoph erklärt, dass Goethe oder Hegel polemisch gegen ihre Zeit opponierten und man deshalb keine Steinpuppen von ihnen aufzustellen hat, wenn man selbst den Zeitgeist repräsentiert. Was soll der Nutzen der Sorbonne zu Berlin sein, wenn kein Psychologe und kein Biologe über die aktuelle und durch und durch gesellschaftliche Verfasstheit des Körpers und seiner Seele aufklären. Alle isolierten Fakultäten ließen sich leicht ihrer Überflüssigkeit überführen. Was Ihr in hoffnungslos naiver Weise zu verteidigen meint, ist Staub, weshalb Ihr schlicht nach Hause gehen solltet.
Einen schönen Tag also noch!