Über den Djihad der Völkergemeinschaft gegen die USA und Israel
Flugblatt aus dem Jahr 2002.
I. Der Schurke des Balkans
Einen Barbaren haben sie schon. Dem demokratische Staatsmann Milosevic wird in Den Haag der Prozeß gemacht. Er sei, so sagt die Chefanklägerin Del Ponte, ein machtbesessener Kriegsherr ohne Ideale, habe aus Machthunger Hunderttausenden in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo unsägliche Leiden zugefügt und sich dabei zu allem Überfluß als zweiter Tito gefühlt. So sieht es das hohe Gericht, dessen Chefin nachgesagt wird, daß sie gute Kontakte zur Mafia hatte. Doch der Schurke spielt nicht mit. Anstatt Demut zu zeigen, erklärt er einem der Sprache nicht mächtigen Zeugen geduldig, daß es mit „Apartheid“ wenig zu tun hat, wenn ein Staat, wie viele andere Staaten auch, auf einen allgemeinen Lehrplan beharrt und gegen Sezessionisten vorgeht. „Ich schlafe nachts ruhig, und mein Gewissen ist rein“, zitiert die Süddeutsche zugleich verärgert und fasziniert den mittelalterlichen Schlächter. Im dazugehörigen Artikel beschreibt Stefan Ulrich, ein ebenso unbegabter wie unbedeutender Lohnschreiber, „wie der Diktator vor dem Weltgericht als Herrscher posiert“: „Er hat sich in seinem Sessel zurückgelehnt, die linke Faust liegt geballt auf dem Pult, das Kinn ist leicht nach oben gereckt – die Herrscherpose, die er so liebt. Seine kleinen, leicht zusammengekniffenen Augen mustern all das Volk, das sich jenseits der kugelsicheren Glaswand in der Zuschauergalerie versammelt hat. Der geübte Demagoge beherrscht diesen Blick perfekt: Jeder soll den Eindruck bekommen, als ob Milosevic gerade ihm in die Augen schaut.“ Milosevic sei ein egoistischer Einzeltäter, der bis in den Gerichtssaal hinein alle mit seiner geübten Rhetorik beherrsche und Jugoslawien ganz alleine in den Krieg gezwungen habe. Neben Machthunger gibt die SZ als Grund an, daß Milosevics Eltern und ein Onkel bereits Selbstmord begangen hätten, und Psychologen auch ihn für depressiv hielten. „Doch wenn ein Vernichtungstrieb in ihm herrscht, so hat es Milosevic stets verstanden, ihn nach außen zu lenken. Er hat nicht sich, sondern den Balkan zerstört“. Stefan Ulrich, die Phrase auf zwei Beinen, hat sich wahnhaft aus der realen Welt ausgeklinkt und in eine Pseudowelt versetzt, in der es immer noch Milosevic ist, der der Welt auf der Nase herumtanzt und nicht umgekehrt. Geschichte findet in solchen Kindsköpfen nicht aufgrund objektiver Verhältnisse statt, die reflektier- und änderbar sind, sondern sie ist im wesentlichen Personengeschichte und Milosevic eine Reinkarnation des Bösen. Dies ist ein relativ häufig zu beobachtendes Reaktionsmuster von ichlosen Schatten, die der Realität nicht gewachsen sind und ihr daher entfliehen. Gegen solchen gemeingefährlichen Wirrsinn helfen keine von Jürgen Elsässer aufgezählten Fakten – und das, obwohl alle vorgeben, diese zu lieben. Ein Pedant, wer erwähnt, daß die Serben, Juden und Roma aus dem Kosovo fliehen mußten, nachdem die jugoslawische Bundesarmee dort abgezogen ist. Einer wie Milosevic erscheint gegenüber deutschen Politikern und Journalisten als integere Persönlichkeit aus grauer Vorzeit; seine Worte ergeben wenigstens partiell Sinn. Dies wiederum dürfte der Grund sein, warum Konkret und Junge Welt gerne Reden des Sozialdemokraten abdrucken.
Der Wahnsinn ist kein Einzelfall, sondern allgemein. Auch der Spiegel schreibt lüstern dem gefallenen Staatsmann Macht zu. Milosevic sei ein „begabter Demagoge“ und würde sich daran machen, „das Weltgericht in Trümmer zu legen“. Das ad hoc eingerichtete Tribunal in Den Haag wird von den in Deutschland geschätzten United Nations getragen. Seltsamerweise preisen auch viele Linke immer wieder die Vereinten Nationen, was wohl an dem schwer aus ihren Köpfen zu kriegenden Demokratiefetisch liegt, der eine Handlung schon deshalb berechtigt erscheinen läßt, wenn sie nur von der Mehrheit getragen wird. Was die UN für ein Verein ist, wurde auf der Antirassismuskonferenz in Durban klar. Israel wurde als einziger Staat als rassistisch gebrandmarkt, die Konferenz war nichts als eine antisemitische Show. Allein die Vertreter Israels und der USA verließen die Konferenz fluchtartig. Beiden Staaten wird vorgeworfen, sie seien undemokratisch, da sie den Schiedssprüchen des Völkerchors nicht allzu sehr trauen. Das Tribunal ist daher kein amerikanisches Projekt, sondern eines des sich zivile und brav gebenden Europas, nicht zuletzt Deutschlands, das die Schlappe von Nürnberg vergessen machen möchte. Die USA sind gegen den künftigen Weltstrafgerichtshof. Sie wissen, daß sie zusammen mit Israel bevorzugte Angeklagte einer Weltgerichtsbarkeit sein würden.
II. Wer wird der Schurke der Welt?
Wenn es einen Weltstrafgerichtshof geben wird, so braucht es Barbaren wie Milosevic zum verurteilen, und solche müssen gesucht werden. So titelt die dem Tribunal ansonsten feindlich gegenüber stehende Konkret verdruckst, Bush sei ein „Barbar in zivil“. Der Spiegel blökt von ‚Bush-Kriegen‘ und diffamiert den Präsidenten der Vereinigten Staaten als Rambo. Nur weil die Frontmarionette der USA die Politik in der Form vermittelt, die das gemeine Volk (der bewußtlose Teil der Gesellschaft) auch versteht, halten alle ihm jetzt seine „Achse des Bösen“-Phrase vor. Es hätte auch hierzulande auffallen können, daß Bush im Gegensatz zu Scharping keine Föten erfinden mußte, und im Gegensatz zu den Serben die Islamisten tatsächlich eine Bedrohung für große Teile der Menschheit sind. Die einstürzenden Türme und die von ihnen begrabenen Massen waren keine Erfindung des CIA, sondern bittere Realität. Es hätte bemerkt werden können, daß nicht der sich in seinem Element befindende Populist Bush den Krieg führen läßt, sondern Militärstrategen. Es hätte bemerkt werden können, dass, ganz im Gegensatz zu dem in Vietnam, der jetzige Krieg Fortschritte mit sich bringt und keine auch nur vergleichbare Zahl an zivilen Opfern produzierte. Afghanistan ist zumindest von der schlimmsten Bande befreit und soll mit internationalen Geldern zu Scheinleben erweckt werden.
Statt dessen klärt sich die Front zwischen Europa und den USA. Der Spiegel hetzt, die Amerikaner seien „die Herren der Welt“, Bush ihr „Kriegsherr“, sein Kabinett der „Machtzirkel in Washington“. Die USA seien das „imperiale Amerika“ und hätten einen „Blitzkrieg“ gegen Afghanistan geführt. Im Gegensatz zum Spiegel sind manche von solchen Blitzkriegen auch fasziniert und schwärmen vom Ausradieren und Ausräuchern diverser Terroristennester. Geschmacksfrage. Die Faz bemerkt zutreffend: „Die transatlantischen Dissonanzen sind also zurückgekehrt. In Washington sehen sich nun einige in dem Verdacht bestätigt, der europäische Chor habe nur deswegen so laut von uneingeschränkter Solidarität gesungen, um bei nächster Gelegenheit Amerika gefahrlos ‚Halt!‘ entgegenrufen zu können“. Mit dem Irak will Europa Geschäfte machen, daher unterläuft es das Embargo und will es möglichst schnell aufheben. Geschäftspartner soll der europafreundliche Hussein sein, und nicht eine amerikafreundliche neue Regierung. Also ist man geschlossen gegen den möglichen Krieg. Fischer sagte auf einer ersten gemeinsamen Konferenz der europäischen Außenminister mit denen der arabischen Verbündeten: „Wir brauchen keine Achse“, sondern eine „Kultur der Toleranz“. Westerwelle: „Wenn der US-Präsident mal eben drei Staaten zum öffentlichen Angriffsziel erklärt, muß dieses den Widerspruch der Europäer finden.“ PDS: „Frieden“. Die Berliner Zeitung meldet „Karl Lamers gegen neue Angriffe“ und: „Kanzler teilt Fischers Kritik an Kurs der USA“. Die NPD: „Kein Blut für Öl“.
III. Der kleine und der große Satan
In Deutschland ist es üblich, sich mit der stärkeren Macht zu identifizieren. Der Haß auf die USA ist vom Neid geprägt, den der gut funktionierende Militärapparat hervorruft, und kann jederzeit wieder in Bewunderung umschlagen. Die Europäische Union beginnt, ihre Armee aufzurüsten, zwar vorerst nicht direkt gegen die USA, sondern parallel zur Weltmacht. Der verrückte Scharping ist nur pragmatisch, wenn er zu Protokoll gibt: „Wir haben in der Welt nicht zu viel Amerika, aber zu wenig Europa.“ Bush werden die Deutschen nur in ihren kühnsten Träumen vor das Tribunal schicken können. Solange man den USA nicht gewachsen ist, wird man bis auf weiteres über Haftbedingungen, Ökosünden und Kriegsgreuel nörgeln müssen und sich an einem erreichbareren Objekt schadlos halten müssen: an Israel. Es bedient ein altes, schon einmal exekutiertes Ressentiment, und dient als Jude unter den Staaten. Es ist beim Rest der Welt so unbeliebt wie in Deutschland. Der Haß auf Israel eignet sich somit, wie in Durban unheilvoll demonstriert, als ideologische Klammer der krisengeschüttelten Weltgesellschaft. Es ist der gleiche Haß, der sich gegen die USA und Israel richtet. Da man der USA direkt nichts anhaben kann, schimpft man über deren Nahostpolitik und schießt sich ansonsten auf Israel ein. Die Woche: „Alle EU-Regierungen sind entsetzt über die arrogante Dummheit, mit der die Bush-Administration dort agiert. In dieses Laboratorium des Irrsinns versuchen die Europäer nun eine Dosis Vernunft zu träufeln“. Man gibt sich gerne als ehrlichen Makler aus. Eine Phrase, die einst Bismarck bemühte, um den deutschen Imperialismus als friedfertig und bescheiden auszugeben: „Die Vermittlung des Friedens denke ich mir nicht so, daß wir (…) den Schiedsrichter spielen und sagen: so soll es sein, und dahinter steht die Macht des deutschen Reiches, sondern ich denke sie mir bescheidener, ja mehr als die eines ehrlichen Maklers, der das Geschäft wirklich zustande bringen will“. Eben nicht arrogant und dumm, wie der schlimme Bush oder der noch schlimmere Sharon. Der Spiegel meint, „Bush junior ist in allem das Gegenteil eines europäischen Politikers“. Die von Marxisten einst konstatierte besondere Aggressivität des völkischen deutschen Imperialismus gibt sich stets friedfertig und vernünftig. Man ist für den Frieden, für die in Deutschland stets völkisch konnotierten Menschenrechte und gegen die Spirale der Gewalt, an der die Israelis immerzu drehen und drehen; man ist neutral, und für den ehrlichen Tausch ohne Zins und Ausbeutung. Für Israel ist man aufgrund der Vergangenheit und für Palästina aufgrund ideologischer Überzeugung und ökonomischer Interessen in der gesamten arabischen Welt. Israel wird man zum Teufel jagen, sobald man, Walser folgend, den inneren Schweinehund überwunden hat, und das weltpolitische Machtgefüge es zuläßt. Palästina wird mit EU-Geldern gepäppelt. Schließlich ist man nach einer überfraktionellen Bundestagserklärung der „Geburtshelfer und Pate des zukünftigen palästinensischen Staates“. Dementsprechend war das Gezeter groß, als die israelische Armee den durch die EU finanzierten antisemitischen Radiosender und den Flughafen zerstörte. Man drohte mit einem partiellen Embargo und mit Schadensersatzforderungen an Israel. Doch fehlte es an militärischen Mitteln. Denn auch der bravste Imperialismus muß sich gegen diejenigen zur Wehr setzen, die die Botschaft Jesu nicht verstanden haben und deshalb noch mit alttestamentarischen Zorn Politik betreiben. Unter keinen Umständen können die Deutschen verstehen, daß Israel Bewegungen bekämpft, die gegen Juden hetzen und sich auf Marktplätzen oder vor Diskotheken in die Luft sprengen, um möglichst viele Menschen umzubringen. Die Morde der Islamisten sind keine aus Eigennutz, wie die dem Milosevic unterschobenen, sondern aus Gemeinnutz und das kommt in Deutschland gut an.
Die Konkurrenz der imperialistischen Blöcke ist kein qualitätsloses Gerangel um Einflußsphären. Deutschlands Außenpolitik, die zunehmend in einer europäischen aufgeht, treibt die Regression des Kapitalismus voran. Sie richtet sich daher gegen Israel und die Vereinigten Staaten, dem übrig gebliebenen Garanten der nur im Rückblick ruhig erscheinenden Nachkriegsepoche, und gegen Israel. Die USA agieren wesentlich pragmatisch: wenn auch der Krieg als Feldzug des Guten gegen das „neue Böse“ (Blair) verklärt wird, so gibt es doch einen Unterschied zwischen Propaganda und Politik. In Deutschland konvergiert beides. Es kämpft für das Völkerrecht, die soziale Gerechtigkeit und gegen diejenigen, denen unterschoben wird, beides zu unterlaufen. Beim bisher kalten Krieg der beiden Machtblöcke geht es um Gemeinnutz gegen Eigennutz – oder um Blut gegen Öl.
Die natürlichen Bündnispartner des erstarkenden Europa sind die arabischen Diktaturen, die ebenso gegen die USA und Israel hetzen und sich an der deutschen Ideologie orientieren. Demonstrativ rückt man mit den Judenhassern im Iran und Irak zusammen, kaum geraten diese ins Fadenkreuz der USA. „Widerstand“ nennt der Spiegel dies.
Die Zeit spielt für die Mörder, und Saddam Hussein kann sich wie der islamische Djihad sicher sein, daß nach jeder ihrer Aggressionen die USA und Israel den schwarzen Peter zugeschoben bekommen. Die Terroristen spekulieren auf Europa und dessen zunehmende Macht und nutzen den innerimperialistischen Widerspruch aus. Europa ist so durch seine antiamerikanische Politik mitschuldig an jedem Anschlag auf Israel. Jörg Haider als Avantgardist des regressiven EU-Imperialismus vermarktete seinen ‚privaten‘ Besuch beim Diktator als Vorstoß gegen Amerika: „Die Amerikaner freuen sich nicht, wenn die Europäer eigenständig den Dialog pflegen mit den arabischen Ländern. Aber das wird wohl noch gestattet sein.“ Und: „In diesem Fall bin ich erstmals in meinem Leben auch einer Meinung mit dem deutschen Außenminister Fischer: Man kann nicht mit unbewiesenen Behauptungen irgendwelche Staaten als böse hinstellen, um einen Vorwand für rüstungspolitische Initiativen zu haben.“ Recht hat er, genauso wie die NPD recht hatte, als sie sich in Friedensdemonstrationen gegen den großen Teufel einreihte.
Israel kann sich besser verteidigen als Jugoslawien, und die USA werden in seinem Falle Europa hoffentlich mehr Widerstand entgegensetzen als dort, wo sie schließlich selbst den deutschen Krieg an vorderster Front führten. Und das, obwohl US-Politiker in helleren Momenten äußerten, daß Milosevic sich in der Rolle von Abraham Lincoln befand, als er die Sezession der Südstaaten verhinderte.
Es scheint, als würde Deutschland an Europas Spitze nicht eher ruhen, als bis Sharon in Den Haag der Prozeß gemacht wird. Bis dahin wird er schon einmal so beschimpft, wie der Sozialdemokrat aus Jugoslawien. Die Zeit nennt ihn „Terrorist“, das Neue Deutschland „berüchtigten Kriegstreiber“, die Süddeutsche „Hardliner“ und „Zyniker“. Die junge Welt nennt ihn „Trampeltier“ etc. Mit Sharon ist Israel gemeint. Die Berliner Zeitung titelte jüngst auf Seite eins: „Palästinenser: ‚Israel will unsere Städte zu Gefängnissen machen‘“. Man zitiert die Reaktionäre, wenn man sich noch nicht traut, selbst unverblümt gegen den einzigen bürgerlichen Rechtsstaat der Region zu hetzen.