Kampf der Friedensbewegung,
sonst ist der Antifaschismus keinen roten Heller wert
Flugblatt, verteilt am 9.12.2002, bei einer Kundgebung gegen den Naziaufmarsch „Hände weg von Palästina. Keine Waffen für Israel“ anlässlich des Besuchs des israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav.
Die Nazis demonstrieren unter der Parole „Hände weg von Palästina – keine deutschen Waffen für Israel!“ anläßlich des Besuchs des israelischen Staatspräsidenten, obwohl alles danach aussieht, als würde die Bundesregierung genau diese Forderung erfüllen. Zwar ist ihr die Existenz Israels „historische und moralische Pflicht“ (Schröder, Die Zeit, 28.11.02), aber was Moral und Tabu in Deutschland wert sind, haben Walser, Fischer und die ARD schon zur genüge gezeigt. Hilfe zur Bekämpfung der selbstmörderischen Aggressoren, die Israel fundamental bedrohen, gibt es nicht. Dies wäre ein Verstoß gegen die rechtlich bindende Verpflichtung, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, so der „pazifistische Grünen-Flügel“ (Spiegel online). Im Namen des Friedens werden die Aggressoren im nahen Osten längst unterstützt.
Die Nazis sind momentan eine isolierte Minderheit, die wenig Chancen hat, eine Massenbasis zu gewinnen. Jeder einigermaßen seriöse und anständige Deutsche grenzt sich von Rechtsextremisten ab und betont, dass diese eine Gefahr für die Demokratie seien und bekämpft gehörten. Diese Gegnerschaft ist nicht auf die Ablehnung der politischen Positionen der Faschisten gegründet; vielmehr geht es um die Stiftung von Gemeinschaftsgefühl und die Beruhigung eines höchst fragwürdigen antifaschistischen Gewissens: weil die böse sind, sind wir gut. Die abstrakte Ablehnung wird nötig, wenn inhaltlich den Nazis im Grunde kaum etwas entgegen gesetzt werden kann: gegen die Globalisierung und für soziale Marktwirtschaft, gegen Materialismus und Egoismus und für kulturelle Identität, Opferschutz statt Täterschutz im Justizwesen – darauf könnte sich die NPD mit jedem Demokraten einigen. Nirgends aber ist dieser Gleichklang von Faschisten, Normalbürgern und Linken so groß wie beim Thema der heutigen Demonstration. Dass Israel der wahre Schurkenstaat im Nahen Osten sei, der die Gewaltspirale in Gang gesetzt habe und dass den Palästinensern gar nichts anderes übrig bleibe, als sich mit allen Mitteln gegen das Unrecht zur Wehr zu setzen, kann man nicht nur auf der Homepage der NPD, sondern in jeder beliebigen Tageszeitung lesen. Wenn ein Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus zur Volksfront gegen Braun lädt und alle „Bürgerinnen und Bürger Berlins“ dazu aufruft, Farbe zu bekennen gegen die etwas zu forsch auftretende kahle Minderheit, so ist dies nichts als die Propagierung des anständigen Deutschlands gegen die Schmuddelkinder und damit Parteinahme für den regierungsoffiziellen Antisemitismus.
Die Bösartigkeit dieses anständigen Deutschlands zeigt sich insbesondere in seiner Ablehnung des bevorstehenden Angriffs der USA auf den Irak. Die Regierung, bestimmte Kapitalfraktionen sowie eine bewusstlose Gemütsbewegung des Volkes wollen ein Regime an der Macht halten, dessen Präsident Hussein die Juden zum „Abschaum der menschlichen Rasse“ (Radio Bagdad, 9.6.2001) erklärt, der jede palästinensischen Familie, aus der ein Selbstmordattentäter hervorging, mit einer Prämie von 25.000 Dollar belohnt, und der den Attentätern des 11. September offiziell zu ihrem Erfolg gratulierte. Es bedarf keiner detaillierten Nachforschung, um die Gefährlichkeit dieses Regimes zu erkennen, dessen erklärtes Ziel die Auslöschung Israels ist, und das mit dem Einsatz von Giftgas gegen die kurdische Bevölkerung bereits bewiesen hat, dass es, sollte es über Massenvernichtungswaffen verfügen, diese auch einsetzen wird. Dieses Regime wieder als normales Mitglied der Staatengemeinschaft zu rehabilitieren ist das Ziel der europäischen Außenpolitik. Während Friedenskanzler Schröder demagogische Reden gegen Amerika schwingt, sich aber bei deren realen Umsetzung zurückhält, weil er den offenen Bruch mit den USA noch nicht riskieren will, kennt die Friedensbewegung solche realpolitische Rücksichtnahme nicht. Sie affirmiert also nicht nur die Politik der herrschenden Klasse, sondern fordert diese auf, noch konsequenter zu sein: sie appelliert an Schröder, den deutschen Luftraum für amerikanische Militärflugzeuge zu sperren und insistiert darauf, dass der Krieg nicht den Interessen Europas entspräche. Ihre sich naiv gebenden Visionen zeigen an, worauf die europäische Politik hinausläuft, wenn sie nicht gestoppt wird: die schlafwandlerische Wiederherstellung der Achse des Friedens zwischen Berlin und Bagdad, die Schaffung eines europäischen Großwirtschaftsraums inklusive traditioneller Hilfsvölker auf dem Balkan und im Baltikum, der sich mit der arabischen Welt gegen den vom Materialismus verdorbenen Westen verbündet und seine inneren Widersprüche durch die Ermordung der Juden abzureagieren sucht. Die sozialen Basisbewegungen Europas und die Islamisten haben denselben Feind, wie sich erst kürzlich wieder auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz zeigte, als Zehntausende die heilige Intifada gegen Israel moralisch unterstützen und in vielen Pamphleten das Existenzrecht Israels bestritten. (Jungle World, 13.11.02)
Wenn die Antifa ihre Kritik an den Nazis auch inhaltlich begreifen würde, müsste sie sich gegen die Friedensfreunde und Globalisierungsgegner richten. Zwar werden deren Aktionen und Verlautbarungen den nicht völlig blinden Antifa-Aktivisten zuweilen unheimlich, aber daraus können keine wirklichen Konsequenzen gezogen werden, weil das Bekenntnis zu den arabischen Judenmördern und der Hass auf Israel mit der stereotypen Formel vom „strukturellen Antisemitismus“ entwirklicht wird, als gäbe es eine Struktur ohne den von ihr strukturierten Inhalt. Ist so der Einbruch der Realität ins Bewusstsein erfolgreich zurückgedrängt, kann man auch, wie die Antifa Nordost AA(NO), zu den Demonstrationen gegen den EU-Gipfel in Kopenhagen mobilisieren, obwohl dort eine Kampagne „Boykottiert Israel“ betrieben wird. Diese Kampagne hält die Berliner Antifagruppe zwar „für politisch unklug und schlicht für falsch, da dadurch unserer Meinung nach antisemitische Ressentiments geschürt und bedient werden“. Die Parole habe „in deutschen Ohren zwangsläufig den Klang von ‚Kauft nicht beim Juden!‘“. Nicht die Parole selbst sei antisemitisch, sondern nur ihr Klang, und nur für deutsche Ohren. Für andere klingt sie möglicherweise anders, denn „es spielt eine Rolle, ob mensch aus dem Land der TäterInnen kommt oder eben aus Dänemark.“ Nachdem man dergestalt den Wahrheitsanspruch aufgegeben und jedem das Recht auf seine eigene lokalbornierte Schrulle zugestanden hat, braucht man Antisemitismus nicht mehr zu kritisieren und kann sich damit begnügen, in der antisemitischen Debatte auch mal seine „Meinung“ zu sagen. Aber niemals überheblich oder gar rechthaberisch, denn „wir respektieren (…) den Stand der dortigen Antisemitismusdebatte und hoffen auf eine konstruktive Diskussion“. Die konformistische Antifaschistische Aktion Berlin mit dem flotten Kürzel AAB, die sich auch schon einmal zu einer ebenso halbherzigen wie formalen „Solidarität mit Israel“ durchrang, verteidigt nun zusammen den Antisemiten von Attac, den Grünen und der PDS den Frieden und damit Saddam Hussein. Sie mobilisieren den pluralen Mob zur großen Friedensdemo am Tag X, wenn das Regime im Irak endlich von seinem ehemaligen Gönner wenigstens auch wieder abgesetzt wird.
Offensichtlich scheiden sich an Israel die Geister, und nicht daran, ob man eine ohnehin randständige Gruppe wie die Nazis ebenfalls böse findet. Schlägt die Antifa sich auf die Seite der deutschen Bürgerinnen und Bürger, also auf die Seite der Friedensbewegung, so befindet sie sich auf der Gegenseite derer, die für Emanzipation kämpfen. Die Gegnerschaft von Faschisten und Antifaschisten könnte sich so am Ende als belanglose Klassenkeilerei erweisen, die vergessen ist, wenn es gegen den gemeinsamen Feind, die Juden, geht. Ein Stefan Vogt und eine Elfriede Müller haben es in der überflüssigen, postmodernen Jungle World vorgemacht.
Soll es zur freien Assoziation der Individuen doch noch kommen, sind die Antizionisten aller Couleur zu bekämpfen. Der Staat Israel wurde notwendig zum Schutz der Juden, nachdem der erste Anlauf zur kommunistischen Weltrevolution am Proletariat in den Metropolen scheiterte. Israel ist der – den Umständen entsprechend – gelungene Versuch der nationalen Emanzipation der Juden von der Vernichtungsbedrohung. Mehr noch als Kuba, dessen Chef Castro heute für die Reaktion hetzt, steht Israel dafür, dass sich ein Teil der Menschheit dem katastrophischen Weltlauf nicht ohne Widerstand ausliefert. Die sich staatlich organisierenden Juden lassen sich nicht mehr abschlachten! Israel wird gehasst, weil es an die Möglichkeit der Emanzipation erinnert und sei diese auch nur negativ, dass man sich dem Zugriff der Mörder militant mit einem ausreichenden Waffenarsenal erwehrt.
In den immanenten Konflikten der grundfalsch eingerichteten Welt nehmen die Friedensfreunde mit sicheren Instinkt für die faschistische Seite Partei. Bei allen Borniertheiten, die eine spätkapitalistische Industriemacht notwendig an sich hat, verteidigen die USA mit ihrer Weltordnung die Welt gegen den Faschismus und Israel gegen die Bedrohung der Eliminierung. Wer dies nicht sieht und den Antiamerikanismus in Europa nicht inhaltlich ablehnt, also gegen Europa und für die USA agitiert, der wird auch nie zum Kommunismus kommen können, der doch so dringend geboten ist und von dem schlicht niemand auch nur reden mag. Und dies, obwohl klar ist, dass in der Peripherie wenig Aussicht auf reale Veränderung besteht, wenn in den Metropolen der Kommunismus nicht wieder als Macht aufersteht, bevor es zu spät ist.